Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Spruch:
Die Verwendung eines von einem anderen verwendeten Zeichens für einen andersartigen Betrieb ist, wenn keine Verwechslungsgefahr vorliegt, in der Regel jedermann gestattet.
Bei durchgreifender Verschiedenheit der Waren kann eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden.
Entscheidung vom 23. November 1955, 3 Ob 564/55.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die gefährdete Partei ist Inhaberin einer am 8. Juni 1948 mit Priorität vom 22. Oktober 1940 im Markenregister des österreichischen Patentamtes eingetragenen Wortbildmarke, die aus einem Männchen im Nachtgewand und Zipfelmütze, das einen Schlüssel und eine brennende Kerze im Leuchter trägt, und dem Spruch "Nimm Darmol, du fühlst dich wohl" besteht, wobei das Wort "Darmol" durch seine Größe und die Verwendung von Balkenlettern gegenüber den anderen Worten besonders hervorgehoben ist.
Nach dem vorgelegten Auszug aus dem Markenregister ist die gegenständliche Marke für nachstehende Waren der Klasse 2 bestimmt:
Arzneimittel; chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege; pharmazeutische Drogen.
Die gefährdete Partei beantragt mit der Begründung, ihr Werbeslogan "Nimm Darmol, du fühlst dich wohl" habe ausschließliche Verkehrsgeltung, die Erstantragsgegnerin vertreibe als Generalvertreterin der Zweitantragsgegnerin deren Erzeugnisse, und es verwendeten beide Antragsgegner den Werbesatz "Täglich Underberg und du fühlst dich wohl" bei der Ausstattung ihrer Erzeugnisse, wodurch in den Verbraucherkreisen eine Gedankenverbindung mit dem jahrzehntelang eingeprägten und populär gewordenen Slogan der gefährdeten Partei entstehe, die Antragsgegner benützten daher den von ihr zu Reklamezwecken gemachten Aufwand zu eigenem Vorteil, unter Berufung auf die §§ 1 und 9 UWG. die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der den Antragsgegnern untersagt werde, im geschäftlichen Verkehr den Werbesatz "du fühlst dich wohl" zu verwenden.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es war der Ansicht, daß zwar der Werbesatz "Nimm Darmol, du fühlst dich wohl" allein und in Verbindung mit dem Darmolmännchen Verkehrsgeltung habe, daß aber das Markante in dem Werbesatz nicht der zweite Vers, sondern der Reim "Darmol - wohl" sei. Der Satz "Du fühlst dich wohl" allein habe keine solche Kennzeichnungskraft; er sei nur ein Nebenbestandteil des als Marke eingetragenen Werbesatzes, dem nur in Verbindung mit dem Vorvers besondere Kennzeichnungskraft zukomme. In der Verwendung des im allgemeinen Sprachgebrauch vorkommenden zweiten Satzes sei auch keine mit Mühe und Arbeit verbundene Idee zu erblicken. Da die Bezeichnung "Underberg" in keiner Weise der Bezeichnung "Darmol" ähnlich sei und bloß die allgemeine Redewendung in den beiderseitigen Werbeslogans gleich sei, bestehe keine Gefahr, daß das Publikum das Likörerzeugnis der Antragsgegner mit dem Abführmittel "Darmol" der gefährdeten Partei, das nur in Apotheken abgegeben werden dürfe, verwechsle. In der Verwendung des Satzes "Du fühlst dich wohl" könne daher keine gegen die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßende Handlung der Antragsgegner erblickt werden.
Das Rekursgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung. Es vertrat die Meinung, daß der Satz "Du fühlst dich wohl" kein Nebenbestandteil des Werbesatzes der gefährdeten Partei sei, der nur mit dem ersten Vers Kennzeichnungskraft habe. Der Reim sei dazu bestimmt, den Werbesatz ins Gedächtnis einzuprägen; da dieser Erfolg bereits erreicht sei, so werde im Leser des zweiten Satzes "Du fühlst dich wohl" die Erinnerung an den ersten Satz, an den ganzen Werbesatz und damit an das Erzeugnis "Darmol" wachgerufen. Daraus ergebe sich die Gleichwertigkeit beider Verse im Werbesatz und damit auch die des zweiten Verses für das Erzeugnis "Darmol". Der von den Antragsgegnern verwendete Slogan "Täglich Underberg und du fühlst dich wohl" weise mit dem der gefährdeten Partei in der äußeren Form (der erste Teil bestehe aus zwei Worten) und durch die logische Kette "täglich Underberg" als Ursache und "du fühlst dich wohl" als Folge einen Gleichklang auf, und es könne daher in den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck erweckt werden, es handle sich beim Erzeugnis "Underberg" um ein dem "Darmol" gleiches oder ähnliches Erzeugnis. Die Etikette auf den Fläschchen der Antragsgegner erwecke auch den Eindruck, daß "Underberg" ein Erzeugnis mit Heilwirkung sei, da es als Hausmittel bezeichnet werde. Damit solle die gleiche Wirkung - körperliches Wohlbefinden - hervorgerufen werden, zurückzuführen auf ungestörte Verdauung. Die Verwendung des Satzes "Du fühlst dich wohl" sei daher geeignet, im Publikum eine unrichtige Vorstellung über die Herkunft des Erzeugnisses "Underberg" hervorzurufen, wodurch der Anspruch der gefährdeten Partei nach § 9 Abs. 3 UWG. bescheinigt sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Gegner der gefährdeten Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Satz "Du fühlst dich wohl" für sich allein überhaupt Verkehrsgeltung in Anspruch nehmen kann. Jedenfalls fehlt die nach § 9 UWG. vorausgesetzte Verwechslungsfähigkeit. Das Erzeugnis der gefährdeten Partei "Darmol" ist ein Medikament, ein Heilmittel gegen Stuhlverstopfung und Darmträgheit, das in Pillenform in den Handel gebracht wird und nur in Apotheken erhältlich ist. Das Erzeugnis der Antragsgegner ist ein Likör, ein geistiges Getränk, das in flüssiger Form, in Flaschen oder Fläschchen verpackt, hauptsächlich in Likörgeschäften, Delikatessenhandlungen, Gaststätten, Kaffeehäusern und Espressos verkauft wird. Es handelt sich daher bei den beiderseitigen Erzeugnissen nicht nur nicht um gleichartige, sondern nicht einmal um verwandte Waren, die im wesentlichen in ganz anderen Verkaufsgeschäften abgegeben werden. Da die Erzeugnisse der gefährdeten Partei mit der Bezeichnung "Darmol", einem im Inland allgemein bekannten Medikament, die der Antragsgegner mit der Bezeichnung "Underberg", einer ausländischen Likörfabrik, in den Verkehr kommen und die Bezeichnung "Underberg" in auffallender Weise an den Erzeugnissen der Antragsgegner angebracht ist, was hinsichtlich der Bezeichnung "Darmol" auch für die Waren der gefährdeten Partei gilt, muß schon aus diesem Gründe die Möglichkeit, daß im Käuferpublikum die Vorstellung erweckt werden könnte, die Underberg-Erzeugnisse stammten von der gefährdeten Partei, als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden. Denn für die Frage der Verwechslungsfähigkeit ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Waren im allgemeinen in Geschäften gleicher oder ähnlicher Art feilgehalten werden und daher im allgemeinen von den gleichen Kreisen der Bevölkerung gekauft werden bzw. ob sich die Waren nach ihrem Ursprung, ihrer Herkunft oder Verwendungsweise, der regelmäßigen Fabrikations- oder Verkaufsstätte so nahestehen, daß beim Durchschnittskäufer die Meinung entstehen kann, die Waren stammten aus dem nämlichen Geschäftsbetrieb. Bei durchgreifender Verschiedenheit der Waren kann eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden (SZ. XI 141; RGZ. 118, 201; MuW. 25, 91; JW. 1928 S. 2081; GRUR. 1943 S. 343). Es kann daher auch dem Umstand, daß in beiden Fällen der erste Teil des Werbespruches nur aus zwei Worten und daß der Werbespruch der Antragsgegner teilweise ohne Bild- oder Wortzusatz verwendet wird, keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden, da es sich, wie bereits ausgeführt, um zwei ganz verschiedene Warengattungen handelt, die in ganz verschiedenen Geschäften abgegeben werden, so daß auch das Käuferpublikum ein anderes ist. Daß in der Werbung die Erzeugnisse der Antragsgegner zum Teil auch als Hausmittel angepriesen werden, vermag eine Verwechslungsfähigkeit schon deshalb nicht darzutun, weil die Marke der gefährdeten Partei nicht für Hausmittel geschützt ist, sondern für Drogen, Heilmittel und Mittel der Gesundheitspflege. Von einer Warenähnlichkeit oder gar von einer Warengleichheit, welche eine Verwechslungsfähigkeit nahelegt, kann nach dem derzeit bescheinigten Sachverhalt keine Rede sein, zumal da auch die Verkaufsstellen für die Artikel beider Streitteile nicht ident sind, da man die einen bei Delikatessen- und Weinhändlern, die anderen in Apotheken und Drogerien erhält. Die Frage der Verwechslungsfähigkeit ist nicht vom Sachverständigen zu beantworten, sondern vom Gericht zu entscheiden, da es sich hiebei um eine rechtliche Beurteilung handelt, weshalb dem Umstand, daß nach dem vorgelegten Privatgutachten angeblich Verwechslungsgefahr bestehe, keine Bedeutung zukommt. Der Unterlassungsanspruch der gefährdeten Partei, soweit er auf § 9 Abs. 3 UWG. gestützt wird, ist daher nicht bescheinigt, da eine Verwechslungsgefahr nicht glaubhaft gemacht wurde.
Aber auch ein Tatbestand nach § 1 UWG. ist nicht bescheinigt. Die Verwendung eines von einem anderen verwendeten Zeichens für einen andersartigen Betrieb ist, wenn keine Verwechslungsgefahr vorliegt, in der Regel jedermann gestattet; das österreichische Recht kennt bisher, so wenig wie das französische Recht, einen Rechtsschutz notorisch bekannter Marken, der über den Schutz hinausgeht, den das Pariser Abkommen vorsieht.
Anders ist die Sachlage nur dann, wenn zu der Verwendung gleichartiger Zeichen in nicht verwechselbarer Weise noch ein besonderes Moment hinzutritt, welches z. B. die notorisch bekannte Marke herabzusetzen oder lächerlich zu machen geeignet wäre. Wenn z. B. der Slogan "Du fühlst dich wohl" für die Liköre der Antragsgegnerin notorisch bekannt wäre, so müßte man wohl sagen, daß durch die Verwendung dieses Slogans für ein Abführmittel die Werbekraft der Weinmarke wesentlich beeinträchtigt wird, wenn man beim Hören dieses Slogans an ein Abführmittel erinnert wird. Umgekehrt kann man das aber nicht behaupten. Nimmt ein Likörfabrikant es auf sich, eine Marke einzuführen, die Erinnerungen an die Darmtätigkeit erweckt, so wird dadurch die Werbewirkung der gegnerischen Marke nicht beeinträchtigt, oder, richtiger gesagt, nicht mehr als dies überhaupt durch die Verwendung einer notorischen Marke über ihr Schutzgebiet hinaus der Fall ist. Man kann niemanden hindern, seine Strümpfe als "Opel"" oder "Mercedes" zu bezeichnen, weil "Opel" und "Mercedes" notorisch Automobilmarken sind, und ebenso steht es frei, Arzneimarken für alkoholische Getränke zu verwenden. Das folgt aus dem Mangel eines allgemeinen Schutzes notorisch bekannter Marken und der grundsätzlichen Beschränkung des Schutzes auf ähnliche, verwechslungsfähige Zeichen.
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