OGH 3Ob545/94

OGH3Ob545/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gudrun J*****, ***** vertreten durch Dr.Franz Glantschnig, Rechtsanwalt in Hermagor, wider die beklagte Partei Erwin G*****, ***** vertreten durch Dr.Michael Schuller, Rechtsanwalt in Hermagor, wegen S 78.688,95 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 14.Oktober 1993, GZ 5 R 133/93-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28.März 1993, GZ 25 Cg 15/92-41, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 15.678,-- (darin S 1.613,-- Umsatzsteuer und S 6.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt die Bezahlung von S 78.700,80 sA als Hälfte des Schadens, der ihr durch einen vom Beklagten zumindest zur Hälfte mitverschuldeten Schiunfall entstanden sei. Der Beklagte habe den Vorgängen auf der Piste zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weshalb es auf einer Schipiste zum Zusammenstoß gekommen sei.

Der Beklagte wendete ein, daß die Klägerin an dem Unfall das Alleinverschulden treffe, weil er der vordere Schifahrer gewesen und sie von oben gegen ihn gefahren sei. Sie sei deshalb auch rechtskräftig wegen des Vergehens nach § 88 Abs 1 StGB verurteilt worden, während er von der gegen ihn wegen dieses Vergehens erhobenen Anklage rechtskräftig freigesprochen worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Die Stelle, an der sich am 4.3.1990 gegen 14 Uhr 45 der Zusammenstoß zwischen den Streitteilen ereignete, lag in einem Bereich, in dem der das Ende einer Schiabfahrt bildende Steilhang in eine nahezu gefällose Fläche übergeht. Auf dieser befinden sich zu beiden Seiten des Steilhangs Talstationen von Aufstiegshilfen.

Die Klägerin fuhr am linken Pistenrand in den Steilhang ein, bog am Beginn des letzten Drittels nach rechts ab und fuhr in einem Winkel von etwa 45 Grad weiter, um zu der gegenüberliegenden Talstation zu kommen. Zur selben Zeit fuhr der Beklagte den Steilhang im Bereich des rechten Pistenrandes in Schwüngen ab. Kurz vor dem Übergang in den flachen Teil machte er einen Schwung nach links und fuhr ebenfalls in einem Winkel von etwa 45 Grad weiter, um zu der auf der anderen Seite gelegenen Talstation zu gelangen. Bevor er zum Schwung nach links ansetzte, sah er weder von links noch von rechts jemand herankommen. In der Folge blickte er nur mehr geradeaus.

Die Streitteile sahen einander erst, als sie zwei bis drei Meter voneinander entfernt waren. Sie fuhren in einem annähernd rechten Winkel aufeinander zu und stießen auf der Piste im Bereich des Übergangs des Steilstücks zum Flachstück zusammen. Die Klägerin erlitt hiedurch einen Stauchungsbruch des ersten Lendenwirbelkörpers, einen Teilabriß des Wirbelkörpers und einen Bluterguß in der Lendenregion darüber und an der Außenseite des rechten Unterschenkels. Die wesentliche Ursache für den Zusammenstoß lag darin, daß die Streitteile einander zu spät sahen und daher weder rechtzeitig ausweichen noch anhalten konnten.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, es habe nicht mit Sicherheit geklärt werden können, wer von den Streitteilen in welchem Abstand und zu welchem Zeitpunkt vor der Kollision der obere und der untere Skifahrer gewesen sei.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß es der Klägerin, welche die Beweislast treffe, nicht gelungen sei, eine Verletzung von Sorgfaltspflichten durch den Beklagten zu beweisen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung des Mehrbegehrens mit S 78.688,95 sA statt und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen in seiner Gesamtheit und war rechtlich der Meinung, daß der Beklagte trotz seiner Pflicht, dem im Nahbereich der Talstationen der Aufstiegshilfen sich abspielenden Geschehen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, auch verpflichtet gewesen sei, vor Beginn seiner Geradeausfahrt durch Blickwendung nach links den Steilhang zu beobachten. Er habe nämlich damit rechnen müssen, daß ein anderer Schifahrer so wie er zu der auf der gegenüberliegenden Seite liegenden Talstation fahren und dadurch seine (des Beklagten) Fahrbahn kreuzen werde. Da der Unfall trotz gegebener objektiver Sichtmöglichkeit auf eine mangelnde Blickzuwendung beider Streitteile zurückzuführen sei, eine solche Blickzuwendung aber vor Beginn der geradlinigen Schrägfahrt beiden Streitteilen wegen des Nahbereichs zu den beiden Liftstationen zumutbar gewesen wäre und beiden Streitteilen daher dieselbe Fehlhandlung vorzuwerfen sei, hätten beide zu gleichen Teilen das Verschulden am Zustandekommen des Unfalls zu verantworten.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Verteilung der Beweislast für Schadenersatzansprüche nicht beachtet hat; sie ist auch berechtigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs trifft die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein haftungsbegründendes Verschulden an der Zufügung eines Schadens abgeleitet wird, denjenigen, der seinen Anspruch auf dieses Verschulden stützt, und es gehen daher in diesem Punkt verbleibende Unklarheiten zu seinen Lasten (ZVR 1990/83, 1989/102, 1985/153 uva). Dasselbe gilt auch für den Beweis des Kausalzusammenhangs (JBl 1986, 787; SZ 58/143; SZ 55/53 ua). Die Ausführungen des Erstgerichtes, daß auf Grund der Beweisergebnisse nicht mit Sicherheit geklärt werden habe können, wer von den Streitteilen vor dem Zusammenstoß der obere und wer der untere Schifahrer gewesen sei und mit welcher Geschwindigkeit sie gefahren seien, ungeachtet des Umstandes, daß sie im Rahmen der Beweiswürdigung gemacht wurden, als Tatsachenfeststellung zu werten (vgl JBl 1981, 206 und JUS 1994/1513). Die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes lassen daher die Möglichkeit offen, daß der Beklagte der vordere, langsamere und damit bevorrechtete (vgl ZVR 1985/165; Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Schirechts 170 ff) Schifahrer war, und es steht auch nicht fest, ob er die Absicht der Klägerin, seine Fahrspur zu kreuzen, rechtzeitig bemerken hätte können, wenn er nach links geblickt hätte. Bleibt aber in einem Fall, in dem zwei Schifahrer auf gleicher Höhe gegeneinander fahren, die Möglichkeit offen, daß der Beklagte der bevorrechtete Schifahrer war, so ist das Klagebegehren wegen der den Kläger treffenden Beweislast abzuweisen (ähnlich Pichler/Holzer aaO 172). Diese Beweislast verkennt die Klägerin, wenn sie in der Revisionsbeantwortung für ihren Standpunkt ins Treffen führt, der Beklagte habe nicht nachweisen können, daß er der untere Schifahrer gewesen sei.

Überdies ist auch dann, wenn man dem Beklagten, wie die Klägerin dies in ihrer Berufung und in der Revisionsbeantwortung tat, zum Vorwurf macht, daß er vor und während der Schrägfahrt nicht nach links blickte, noch nicht dargetan, daß ein darin zu erblickendes Verschulden für den Eintritt des Schadens kausal war, zumal sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt, daß der Beklagte die Klägerin vor Beginn des Linksschwunges nicht wahrnahm. Wenngleich das Erstgericht dies nicht ausdrücklich feststellte, ist aber anzunehmen, daß es davon ausging, der Beklagte habe die Klägerin nicht wahrnehmen können, obwohl er nach links blickte, die Ansicht des Berufungsgerichtes, das Verschulden des Beklagten liege darin, daß er den Blick nach links unterließ, ist daher durch die Verfahrensergebnisse nicht gedeckt. Jedenfalls gehen auch in diesem Punkt Unklarheiten zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin. Da nicht feststeht, ob der Beklagte die Klägerin wahrnehmen hätte können, ist es ohne Bedeutung, ob er im "neuralgischen" Bereich zwischen den beiden Talstationen der Aufstiegshilfen zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet war, weshalb es der von der Klägerin in diesem Zusammenhang geforderten ergänzenden Feststellungen nicht bedarf.

Das Erstgericht hat somit das Klagebegehren zutreffend zur Gänze abgewiesen, weshalb sein Urteil wiederherzustellen war.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte