OGH 3Ob545/88

OGH3Ob545/8815.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** B***,

vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Albert P***, Zivilingenieur für Bauwesen, Bregenz, Belruptstraße 44, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 769.730,88 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1988, GZ 2 R 365/86-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25.April 1985, GZ 8 Cg 3782/84-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind wie weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Im Jahr 1967 führte der Beklagte im Auftrag der klagenden Partei für einen Erweiterungsbau des Städtischen Krankenhauses die konstruktive Planung und die statischen Berechnungen durch. Am 8. Juni 1980 senkte sich eine Betonfassadenplatte, weil die Verankerung nachgegeben hatte. Um der Gefahr eines Herunterfallens anderer Fassadenplatten zu begegnen, veranlaßte die klagende Partei in der Folge Sanierungsarbeiten, welche mit dem Betrag von 769.730,88 S in dritter Instanz nicht mehr strittig sind. Ursache dieses Schadens war kein Mangel in der Bauausführung, sondern die Verwendung von gewöhnlichem rostenden Baustahl statt nicht rostenden Stahls.

Die klagende Partei begehrte mit einer am 3.Mai 1984 eingebrachten Klage diesen Betrag samt Anhang mit der Begründung, den Beklagten treffe ein Verschulden, weil er die Befestigungskonstruktion für die Fassadenplatten nur mit gewöhnlichem Baustahl statt rostfreiem Chromnickelstahl vorgesehen habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt sein Verschulden mit der Begründung, in der fraglichen Zeit habe es noch nicht dem allgemeinen Wissensstand entsprochen, Stahlkonstruktionen dieser Art mit Nirostastahl herzustellen. Die klagende Partei müsse es sich jedoch als Verschulden anrechnen lassen, daß sie trotz Vorschlägen ihrer eigenen Fachleute aus Kostengründen nicht auf der Verwendung von Nirostastahl bestanden habe.

Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinwendung wurde im ersten Rechtsgang dahin erledigt, daß der klagenden Partei erst im März 1983 durch ein von Univ.Prof. Dr. techn. Robert K*** erstattetes Privatgutachten das Verschulden des Beklagten bekannt geworden sei, sodaß der Klagsanspruch nicht verjährt ist (Vorentscheidung 3 Ob 560/86).

Im zweiten Rechtsgang änderte das Berufungsgericht das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß der Beklagte zur Zahlung von 769.730,88 S samt 4 % Zinsen seit 8.Mai 1984 verurteilt wurde. Die Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens erwuchs in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht übernahm als unbekämpft die Feststellungen des Erstgerichtes, daß die Aufhängung und Verankerung der Fassadenplatten genau nach den Plänen des Beklagten in normalem Baustahl vorgenommen wurde und daß der Mitarbeiter des Beklagten die wegen der Verwendung von nicht rostfreiem Baustahl geäußerten Bedenken des von der klagenden Partei mit der technischen und geschäftlichen Oberleitung betrauten Stadtbaumeisters und ihres örtlichen Bauleiters mit dem Hinweis zerstreut habe, der vorgeschlagene normale Baustahl sei ausreichend, worauf sich die klagende Partei verlassen habe.

Über die im ersten Rechtsgang offengebliebene Frage des allgemeinen Wissensstandes im Jahr 1967 traf das Berufungsgericht auf Grund des Gutachtens des nun zum Gerichtssachverständigen bestellten Univ.Prof. Dr. techn. Robert K*** Tatsachenfeststellungen: Es verwarf einen den Sachverständigen betreffenden Ablehnungsantrag der beklagten Partei mit der Begründung, der Sachverständige genieße einen so guten Ruf, daß er trotz Heranziehung zur Erstellung des Privatgutachtens an die klagende Partei nicht befangen sei. Nach den auf das Sachverständigengutachten gestützten Tatsachenfeststellungen treffe den Beklagten ein Verschulden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Mit Recht rügt die beklagte Partei nämlich, daß das Berufungsgericht zwecks Ermittlung der streitentscheidenden Umstände über den allgemeinen Wissensstand im Jahr 1967 einen Sachverständigen heranzog, der befangen war.

Bei einem Sachverständigen, der in der selben Sache gegen Entgelt schon ein Privatgutachten für die klagende Partei erstattet hat, das ein Verschulden des Beklagten behauptete, liegen zureichende Gründe vor, die bei verständiger Würdigung ein Mißtrauen der betroffenen Partei von ihrem Standpunkt aus rechtfertigen (Fasching, Kommentar III, 487 mwN). Dabei geht es nicht um die Qualität des Gutachtens oder die Integrität des Sachverständigen; sondern es kann einer Partei aus grundsätzlichen Erwägungen im Interesse eines fairen Verfahrens iSd Art 6 Abs 1 MRK nicht zugemutet werden, sich ohne ihre Zustimmung dem Gutachten eines Sachverständigen zu unterwerfen, der in derselben Sache schon für die Gegenseite tätig war.

Die Ablehnung des Sachverständigen wurde von der beklagten Partei nicht verspätet geltend gemacht, weil es das Berufungsgericht verabsäumt hatte, den Parteien vor der Bestellung des Sachverständigen und der Erstattung seines schriftlichen Gutachtens dessen Namen bekanntzugeben. Der vom Berufungsgericht gefaßte Beschluß über die Verwerfung des Ablehnungsantrages der beklagten Partei war gemäß § 366 Abs 1 ZPO nicht abgesondert anfechtbar. Auch der Rechtsmittelausschluß nach § 519 Abs 1 ZPO liegt nicht vor, vielmehr unterliegt gemäß §§ 513 und 462 Abs 2 ZPO ein solcher Beschluß der Beurteilung des Revisionsgerichtes, wenn er die vollständige Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet war (Fasching, Komm IV 344, 370).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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