OGH 3Ob54/02s

OGH3Ob54/02s19.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Aichberger und Dr. Friederike Wallentin-Hermann, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Herbert L*****, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in Krems als Verfahrenshelfer, wegen 2.188 S (= 159,01 EUR) sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 12. November 2001, GZ 1 R 241/01y-16, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Krems a. d. Donau vom 6. Juli 2001, GZ 8 C 126/01x-5, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt mit Mahnklage die Zahlung von 2.188 S (= 159,01 EUR) sA. Nach Einspruch des Beklagten gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl beraumte das Erstgericht die erste Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 6. Juli 2001 an. Der Beklagte übernahm die Ladung am 4. Mai 2001. In der ersten Tagsatzung am 6. Juli 2001 erließ das Erstgericht auf Antrag der klagenden Partei ein klagestattgebendes Versäumungsurteil, weil der Beklagte nicht erschienen war.

Gegen dieses Versäumungsurteil erhob der Beklagte Berufung aus dem Grund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens; er führte aus, er habe sich unmittelbar nach Erhalt der Ladung mit dem Erstgericht in Verbindung gesetzt und mitgeteilt, er könne zum Verhandlungstermin nicht erscheinen. Er sei alleinerziehender Vater von vier mj. Kindern, die alle noch die Schule besuchten. Daher sei er unabkömmlich gewesen. Da auf seine Entschuldigung keine weitere Reaktion erfolgt sei, sei er davon ausgegangen, dass die Entschuldigung zustimmend zur Kenntnis genommen worden sei; deshalb sei er zur Verhandlung nicht erschienen. Es liege daher keine Versäumung vor, welche die Fällung eines Versäumungsurteils rechtfertigen würde.

Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung als unzulässig zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dem Akteninhalt könne nicht entnommen werden, dass der Beklagte eine Verhinderung dem Gericht mitgeteilt hätte. Aber selbst wenn diese Behauptungen zutreffen würden, wäre für ihn nichts gewonnen, weil es nicht in der Hand einer Partei liege, gerichtlich festgesetzte Termine durch Vortragen einer Entschuldigung zu Fall zu bringen. Die Fällung eines Versäumungsurteils ohne vorherige Erledigung eines Vertagungsantrags begründe keine Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Ob durch die Nichterledigung eines Vertagungsantrags ein Verfahrensmangel bewirkt worden sei, könne dahingestellt bleiben, weil gemäß § 501 Abs 1 ZPO bei einem 26.000 S nicht übersteigenden Streitwert das Urteil des Erstgerichts nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, nicht aber wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten werden könne. Die aus einem unzulässigen Rechtsmittelgrund erhobene Berufung sei zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs sei gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig. Der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs des Beklagten ist zulässig, weil gegen den Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung aus formellen Gründen zurückweist, gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erhoben werden kann (SZ 65/157; RZ 1997/56 uva; Kodek in Rechberger2, § 519 ZPO Rz 3 mwN).

Der Oberste Gerichtshof legte schon mehrmals unter Ablehnung der Lehrmeinung Faschings (LB2 Rz 1837) dar, dass in Rechtsstreitigkeiten im Streitwertbereich des § 501 Abs 1 ZPO - wie der vorliegenden - Berufungen, in denen ausschließlich andere als die in dieser Gesetzesstelle genannte Berufungsgründe geltend gemacht werden, als unzulässig zurückzuweisen sind (SZ 65/157; 2 Ob 589/94; RZ 1997/56 ua). Der erkennende Senat schließt sich - wie schon der 6. Senat in der ebenfalls diesen Beklagten betreffenden Entscheidung 6 Ob 53/02s - dieser Auffassung an.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Beklagte macht - wie in dem mit der Entscheidung 6 Ob 53/02 erledigten Rechtsmittel - geltend, das Versäumungsurteil sei gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig, weil er sich vor der Tagsatzung telefonisch entschuldigt habe. Es liege nicht in seinem Einflussbereich, dass die Erstrichterin von der telefonischen Vertagungsbitte nicht verständigt worden sei. Das Berufungsgericht sei verpflichtet gewesen, diesen Nichtigkeitsgrund von Amts wegen zu prüfen. Bei Verneinung des Nichtigkeitsgrundes hätte es die Berufung inhaltlich behandeln müssen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Wie der 6. Senat in der erwähnten E 6 Ob 53/02 ausgeführt hat, haben vor Beginn einer Tagsatzung gestellte Vertagungsanträge, die im bezirksgerichtlichen Verfahren entweder mit Schriftsatz (§ 74 ZPO) oder - wenn die Partei nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ist - zu Protokoll (§ 434 Abs 1 ZPO) anzubringen sind, keine aufschiebende Wirkung (6 Ob 288/00x ua; Fasching II 701). Säumnis tritt daher ein, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird, die Partei aber die Tagsatzung nicht wahrgenommen hat (§ 136 Abs 2 zweiter Satz ZPO analog; SZ 54/105; 6 Ob 288/00x ua). Das Gericht hat über den Antrag vor Eingehen in die Sache zu entscheiden (§ 136 Abs 2 erster Satz analog; SZ 54/105; 6 Ob 288/00x). Unterlässt es dies, so begründet die Fällung eines Versäumungsurteils, wenn die ordnungsgemäße Ladung ausgewiesen ist und demgemäß ein gesetzlicher Versäumungstatbestand (hier nach § 442 Abs 1 iVm § 452 Abs 2 ZPO) vorliegt, keine Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, sondern einen wesentlichen Verfahrensmangel (ZBl 1929/114; SZ 54/105; Fasching IV 125; vgl auch 6 Ob 288/00x).

Da das Erstgericht mit Versäumungsurteil über einen Streitgegenstand entschied, der an Geld die Grenze des § 501 Abs 1 ZPO nicht überstieg, war der Beklagte auf die Berufungsgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beschränkt, die er aber weder seiner Erklärung noch dem Inhalt seines Rechtsmittels nach geltend gemacht. War der vom Beklagten geltend gemachte Berufungsgrund unzulässig, so hatte das Berufungsgericht mangels Bedeutung für seine Entscheidung die Richtigkeit der Behauptungen des Beklagten auch nicht zu prüfen.

Dem Rechtsmittel kann daher kein Erfolg beschieden sein. Der Beklagte hat für sein Rechtsmittel keine Kosten verzeichnet. Die von der klagenden Partei eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung war zurückzuweisen, weil kein Fall eines zweiseitigen Rekurses iSd § 521a ZPO vorliegt.

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