OGH 3Ob52/90

OGH3Ob52/9018.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Kellner und Dr. Schalich als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V*** V*** B*** registrierte Genossenschaft m.b.H., Hauptplatz 9-12, 2500 Baden bei Wien, vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann ua. Rechtsanwälte in Baden bei Wien, und weiterer beigetretener Gläubiger, wider die verpflichtete Partei Franz Josef E***, Kaufmann, Taubenweg 23, D-6200 Wiesbaden-Naurod, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Axel F***, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,000.000,-- sA und anderer Geldforderungen, infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 30. Jänner 1990, GZ R 32/90-33, womit ihr Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 22. November 1989, GZ E 12/89-29, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neue Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Sachverständige ermittelte den Verkehrswert der auf Betreiben mehrerer Gläubiger zu versteigernden Liegenschaft mit dem reinen Sachwert von S 4,060.000,--. Die Berücksichtigung des auf der Grundlage des erzielten Monatsmietzinses von S 10.000,-- mit S 2,308.700,-- anzunehmenden Ertragswertes würde einen nicht marktkonformen Wert ergeben.

Das Erstgericht bewertete die Liegenschaft mit

S 4,060.000,-- und das Zubehör mit S 40.000,--.

In seinen Einwendungen gegen den Schätzwert behauptete der Verpflichtete, der Sachwert sei mit S 4,401.850,-- und der Ertragswert mit S 4,155.624,-- anzusetzen. Seit März 1989 werde von ihm ein Netto-Mietzins von S 18.000,-- je Monat verlangt (S 69). Er beantrage, den Schätzwert auf das Mittel von S 4,279.000,-- zu erhöhen.

Das Erstgericht bewertete die Liegenschaft endgültig mit S 4,100.000,-- (einschließlich S 40.000,-- Zubehör), weil die Sachwertermittlung unbedenklich und vom tatsächlich bezahlten Mietzins von S 10.000,-- und nicht dem vom Verpflichteten geforderten Zins auszugehen sei.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Verpflichteten mit dem Ausspruch zurück, daß der ordentliche Rekurs nicht zulässig sei. Der Rekurswerber bekämpfe die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß nachhaltig nur ein Mietzins von S 10.000,-- im Monat erzielbar sei, stütze sich aber unzulässigerweise auf Neuerungen, wenn er erst im Rekurs vorbringe, es sei im Rechtsstreit mit den Mietern eine Einigung erfolgt, daß für die Liegenschaft ein Pauschalmietzins von S 23.100,-- (einschließlich Betriebskosten und Umsatzsteuer) entrichtet werde. Da die erstgerichtliche Bewertung nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der erstrichterlichen Beschlußfassung zu überprüfen sei, könne auf später eingetretene Umstände wie die Erhöhung des Mietzinses nicht Bedacht genommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zulässig und berechtigt.

Infolge der Verweisung im § 78 EO ist die Zulässigkeit des Rekurses gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, das den Rekurs gegen den erstrichterlichen Beschluß zurückgewiesen hat, nach § 528 Abs 1 ZPO idF WGN 1989 (Art XLI Z 5 WGN) zu beurteilen, weil der dort genannte "Revisionsrekurs" als Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu verstehen ist, der stets nur bei einem Entscheidungsgegenstand von über S 50.000,-- und nur wegen erheblicher Rechtsfragen zulässig ist (Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, ÖJZ 1989, 751). Der Entscheidungsgegenstand übersteigt S 50.000,--, denn der Verpflichtete strebt mit seinem zurückgewiesenen Rekurs die Änderung des Schätzwertes um S 219.000,-- an. Das Rekursgericht hat auch nicht etwa den erstrichterlichen Beschluß als sachlich zutreffend erkannt, sondern eine Sachentscheidung abgelehnt. Es liegt daher nicht ein zur Gänze bestätigender Beschluß vor. Es entspricht Lehre und Rechtsprechung, daß auch im Exekutionsverfahren für den Rekurs das Neuerungsverbot ohne Einschränkung gilt und im Rekurs neue Tatsachen und Beweise nicht vorgebracht werden dürfen, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf der bisherigen Grundlage erfolgen muß (Heller-Berger-Stix, EO4 649; Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren Rz 313; Fasching, ZPR2 Rz 1732; EvBl 1976/112; SZ 55/33 uva). Vom Neuerungsverbot sind nur Tatsachen und Beweismittel ausgenommen, die zur Dartuung oder Widerlegung geltend gemachter Rechtsmittelgründe in der Rechtsmittelschrift oder der Rechtsmittelbeantwortung vorgebracht und dem Gegner mitgeteilt worden sind (§ 482 Abs 2 ZPO), doch ermöglicht selbst diese Ausnahmeregelung keine Neuerungen zur Stützung oder Widerlegung des Sachantrages (Fasching aaO Rz 1730; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht2, 103).

Das Rekursgericht hat daher zwar zutreffend erkannt, daß auf das Rekursvorbringen über die zwischen dem Verpflichteten und den Mietern der Liegenschaft angeblich getroffene Vereinbarung über eine vergleichsweise Erhöhung des Mietzinses nicht Bedacht zu nehmen ist. Dies führt aber entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht dazu, daß der Rekurs unzulässig und zurückzuweisen ist. Der Verpflichtete verlangt mit dem an sich zulässigen Rekurs gegen die endgültige Bewertung der zu versteigernden Liegenschaft (auch) die Überprüfung der Ablehnung seiner Einwendungen gegen den Schätzungswert, daß bei einem erzielbaren Mietertrag von netto S 18.000,-- im Monat der Ertragswert nicht so sehr hinter dem Sachwert zurückbleibe, daß er bei der Ausmittlung des Verkehrswertes vernachlässigt werden müsse. Ob dieser Einwand gegen die endgültige Bewertung berechtigt ist, hat Gegenstand der sachlichen Überprüfung des angefochtenen erstgerichtlichen Beschlusses zu sein und kann nicht mit einer formellen Zurückweisung des Rekurses erledigt werden, mögen auch im Rekurs nicht zu beachtende Neuerungen vorgetragen worden sein. Die Verkennung dieses Umstandes hat infolge des zulässig erhobenen außerordentlichen Rekurses die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und den Auftrag zu neuer Entscheidung zur Folge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und §§ 40, 50 ZPO. Ein Zwischenstreit liegt bisher nicht vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte