Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 (darin S 617,70 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 7.12.1983 die Ehe geschlossen. Sie sind österreichische Staatsbürger. Der Ehe entstammen keine Kinder. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt befand sich in Taufkirchen an der Pram.
Die Klägerin beantragt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Es habe sich herausgestellt, daß die Streitteile nicht zusammenpassen. Eine gemeinsame Freizeitgestaltung habe kaum stattgefunden. Der Beklagte sei leidenschaftlicher Jäger und vernachlässige die Klägerin. Die Streitteile hätten weder eine Hochzeitsreise unternommen, noch irgendeinen Urlaub gemeinsam verbracht. Der Beklagte habe es an der erforderlichen Hygiene fehlen lassen; die Klägerin habe sich deshalb ab Jänner 1987 der ehelichen Begegnung mit dem Beklagten entzogen. Im Juli 1987 habe die Klägerin den gemeinsamen Haushalt verlassen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und hilfsweise den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin. Er habe keine Eheverfehlungen begangen. Die Klägerin sei im Juli 1987 grundlos aus dem ehelichen Haushalt ausgezogen und verweigere dem Beklagten seit Anfang des Jahres 1987 den ehelichen Verkehr.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden beider Teile und traf folgende Feststellungen:
Nach der Eheschließung wohnten die Streitteile zunächst bei einer Tante der Klägerin, die ein Gasthaus führt. Als Entlohnung hiefür halfen sie im Wirtschaftsbetrieb mit. Die Klägerin arbeitete zunächst hauptberuflich als Krankenschwester im Krankenhaus in Grieskirchen, in dem sie auch eine Unterkunft hatte. Der Beklagte ist als Tischler in Ried im Innkreis beschäftigt. Im Jahr 1984 begannen die Parteien unter Mithilfe ihrer Verwandten mit der Errichtung eines Hauses, das sie im Herbst 1985 bezogen. Im April 1986 übernahm die Klägerin eine Tätigkeit als Stationsgehilfin in einem Pflegeheim in Schärding, weil ihr dies eine tägliche Heimkehr nach Taufkirchen an der Pram ermöglichte. Die Klägerin versieht in diesem Pflegeheim einen Turnusdienst; auf zwei Tagesdienste folgt ein Nachtdienst, jedes 6. Wochenende ist arbeitsfrei. Ab der Aufnahme ihrer Tätigkeit in Schärding verbrachte die Klägerin einen Teil ihrer Freizeit mit ihren neuen Arbeitskolleginnen. Gemeinsam mit Maria R*** oder Christine P*** ging sie in Diskotheken nach Pocking, Füssing oder Schärding tanzen oder in Gasthäuser essen. Bei diesen Unternehmungen gab es keine männlichen Teilnehmer; die Kolleginnen der Klägerin sind ledig oder geschieden. Die Lokalbesuche fanden ein- oder auch mehrmals wöchentlich statt und dauerten mitunter bis 1 oder 2 Uhr nachts, auch dann, wenn die Klägerin am darauffolgenden Tag Dienst hatte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen schloß sich der Beklagte dieser Freizeitgestaltung der Klägerin nicht an. Er zeigte kein Interesse an der Gesellschaft der Klägerin mit ihren Arbeitskolleginnen, stellte es ihr aber frei, mit ihren Freundinnen dem Tanzvergnügen nachzugehen. Es kam vor, daß die Klägerin dem Beklagten telefonisch mitteilte, sie komme nach Arbeitsschluß nicht erst nach Hause, sondern gehe gleich vom Arbeitsplatz weg ihrer Freizeitgestaltung nach. Während der Beklagte den Umgang der Klägerin nicht schätzte, war die Klägerin ihrerseits über die vom Beklagten vorgeschlagenen Diskothekbesuche in Siegharting und Enzenkirchen oder Ballbesuche in Taufkirchen an der Pram nicht sonderlich erfreut. Die gemeinsamen Besuche von Bällen oder Diskotheken beschränkten sich jährlich auf einige wenige Male. Ebensowenig gingen die Streitteile gemeinsam zum Essen fort. Die Klägerin besuchte wiederholt Maria R*** in ihrer Wohnung und Christine P*** während deren Nachtdienstzeit und klagte darüber, daß sie sich allein fühle.
Etwa drei Monate war die Klägerin bei einem Reitclub in Schärding, was mit monatlichen Unkosten von S 450 verbunden war. Dies mißfiel dem Beklagten und den Verwandten der Klägerin, worauf sie das Reiten wieder aufgab. Die Klägerin versuchte sich auch etwa drei Monate lang mit mehr oder minder wenig Erfolg als Verkäuferin von Putzmitteln; dies war mit einer Abwesenheit vom Haushalt verbunden.
Während die Klägerin einen Teil ihrer Freizeit mit ihren Arbeitskolleginnen verbrachte, widmete sich der Beklagte, dessen sportliche Aktivitäten sich im Eisstockschießen erschöpften, seiner vordringlichen Leidenschaft, der Jagd. Der Beklagte ist seit 18 Jahren geprüfter Jäger, Mitglied der Jagdgenossenschaft Taufkirchen an der Pram und hat ein eigenes Ausgehrevier ganzjährlich zu betreuen, was einen entsprechenden Zeitaufwand voraussetzt. Auch während der Errichtung des gemeinsamen Hauses nahm der Beklagte an den fünfmal jährlich stattfindenden Treibjagden teil und kam auch sonst seinen jagdlichen Verpflichtungen nach. Der Beklagte wendet für sein Hobby, das er bereits vor der Eheschließung hatte, nicht mehr und nicht weniger Zeit auf als auch andere Jäger. Die Klägerin distanzierte sich von dem Hobby des Beklagten in zunehmendem Maße; sie beteiligte sich lediglich bei verschiedenen jagdlichen Veranstaltungen wie Jagdabschluß oder Wildessen. Einen Teil seiner Freizeit verbrachte der Beklagte auch im Gasthaus der Tante der Klägerin, in dem er ebenso wie anfänglich auch die Klägerin bei der Arbeit mithalf. Während jedoch die Klägerin die arbeitsmäßige Doppelbelastung nicht verkraftete und deswegen damit aufhörte, ihrer Tante im Betrieb zu helfen, setzte der Beklagte diese Hilfe weiterhin fort. Es kam vor, daß der Beklagte nicht zum Essen nach Hause kam, sondern bereits im Gasthaus aß.
Die Streitteile lebten sich immer mehr auseinander. Im Juli 1987 verließ die Klägerin den gemeinsamen Haushalt und zog in ein Dienstzimmer in dem Pflegeheim in Schärding. Sie nahm dabei ihre persönliche Kleidung, einen Sessel, einen kleinen Tisch, eine Stehlampe, ein Tee- und Kaffeeservice, eine Garnitur Bettwäsche, einen Polster, eine Tuchent und eine Uhr mit. Der Beklagte versuchte in mehreren Gesprächen, die Klägerin zur Rückkehr zu bewegen, doch gelang ihm dies nicht.
Ab Jänner 1987 kam es zu keinen Intimitäten zwischen den Streitteilen mehr. Annäherungsversuchen des Beklagten nach einer nächtlichen Rückkehr der Klägerin begegnete diese mit Unwillen. Eine Hochzeitsreise wurde zunächst wegen des bevorstehenden Hausbaues verschoben und in der Folge nicht nachgeholt. Die Streitteile unternahmen auch keine gemeinsamen Sommer- oder Winterurlaube. Die Klägerin wäre dazu zwar gerne bereit gewesen und beschaffte sich auch Urlaubsprospekte, doch ignorierte der Beklagte dieses Ansinnen und entgegnete, daß er nicht sehr gerne fortfahre. In den Jahren zwischen 1983 und 1986 kam es lediglich zu einigen wenigen gemeinsamen Wochenendausflügen in das Wochenendhaus der Tante der Klägerin nach Mittersill, doch waren auch diese Aufenthalte zum Teil mit Arbeit verbunden.
Neben der völlig getrennten Freizeitgestaltung bestehen bei den Streitteilen auch höchst unterschiedliche Anschauungen über Hygiene und Körperpflege. Während die Klägerin die Auffassung vertritt, daß sich der Beklagte zu wenig pflegt, hält der Beklagte seinerseits die Klägerin für übertrieben hygienisch. Der Beklagte versuchte eine Behandlung seiner Schweißfüße mit einer Salbe. Da dies keine Besserung ergab, stellte er die Behandlung ein, was der Klägerin ebenso mißfiel wie der Umstand, daß der Beklagte von sich aus kein Deospray und kein Rasierwasser verwendet, um seinem Körpergeruch, auf den die Klägerin äußerst empfindlich reagiert, entgegenzuwirken. Auch die divergierenden Hygieneauffassungen führten dazu, daß sich die Klägerin einer geschlechtlichen Betätigung mit dem Beklagten seit Jänner 1987 entzog.
In rechtlicher Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Pflicht der Eheleute zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft und die Verpflichtung zu deren einvernehmlichen Gestaltung beziehe sich auch und vor allem auf das geistige und seelische Miteinanderleben. Jeder Ehegatte sei verpflichtet, seine berufliche Arbeit und seine persönlichen Interessen so einzuteilen, daß er auch entsprechend Zeit für den anderen Ehegatten aufbringen könne. Ein Ehegatte, der nur seinen Interessen lebe, handle ehewidrig; in diesem Sinn hätten beide Teile gleichermaßen ehewidrig gehandelt, weil beide gleich wenig zur einvernehmlichen Gestaltung der Lebensgemeinschaft beigetragen hätten und das mangelnde gegenseitige Interesse und Verständnis im gleichen Ausmaß bestanden habe.
Die zweite Instanz gab nur der Berufung des Beklagten teilweise Folge und schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Ansicht, daß vor allem auf Seiten der Klägerin im Verlauf der Ehe ein Gesinnungswandel eingetreten sei, der sie gegenüber den ihr bereits vor der Eheschließung bekannten Eigenheiten des Beklagten habe empfindsamer werden lassen. Der Beklagte dagegen habe seine Einstellung gegenüber der Klägerin eigentlich nicht geändert und deren Freizeitgestaltung akzeptiert. Als Hauptursachen an der Zerrüttung der Ehe blieben daher die sexuell ablehnende Haltung der Klägerin und vor allem ihr keineswegs ausreichend begründetes Verlassen der ehelichen Lebensgemeinschaft. Diese Umstände rechtfertigten die Annahme eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin am Scheitern der Ehe.
Beide Parteien bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit Revision. Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden werde, und hilfsweise, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise die Aufhebung der Entscheidung der zweiten Instanz.
Rechtliche Beurteilung
Nur der Revision der Klägerin kommt teilweise Berechtigung zu.
1. Zur Revision des Beklagten:
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Der Revisionsgrund des § 503 Abs.1 Z 3 ZPO liegt nur vor, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage gezogen werden, also auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum beruhen, und ist außerdem nur gegeben, wenn die Aktenwidrigkeit für das Urteil von wesentlicher Bedeutung ist. Die zweite Instanz hat die Feststellungen des Erstgerichtes in keiner Weise verändert. Wurde nach ihrer Ansicht "die mangelnde Hygiene" des Beklagten durch das Erstgericht "im allgemeinen ohnedies bei der Verschuldensabwägung mitberücksichtigt", so hat sie damit keine neue, über den vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt hinausgehende Feststellung getroffen, sondern dargelegt, wie sie die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes verstehe.
Eine unrichtige rechtliche Beurteilung liegt nach Meinung des Beklagten vor, weil dem Scheidungsbegehren die sittliche Rechtfertigung fehle, sodaß es abzuweisen sei. Die dem Beklagten vorgeworfenen Eheverfehlungen fielen gegenüber jenen der Klägerin nicht ins Gewicht. Das hobbymäßige Ausüben der Jagd im ortsüblichen Umfang stelle keine Eheverfehlung dar, ebenso auch nicht die Mithilfe des Beklagten bei der Tante der Klägerin. Das Nichtzustandekommen gemeinsamer Urlaube sei nicht auf mangelnde Kompromißbereitschaft des Beklagten zurückzuführen. Die Zeit des Urlaubs sei für den Hausbau benützt worden.
Der Beklagte übersieht, daß die Vorinstanzen ihm nicht primär zum Vorwurf machen, daß die Jagd eine von ihm gern und vorzugsweise geübte Freizeitbeschäftigung bildet und daß er der Tante der Klägerin bei der Arbeit in der Gastwirtschaft auch noch zu einem Zeitpunkt geholfen hat, in dem die Klägerin selbst sich nicht mehr hiezu bereitgefunden hat; sondern daß er (wie allerdings in gleicher Weise auch die Klägerin) nicht bereit war, seine Interessen und seine Lebensvorstellungen mit den Interessen und Vorstellungen der Klägerin auszugleichen und einvernehmlich mit der Klägerin zu gestalten. Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet (§ 90 ABGB); sie sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksicht aufeinander einvernehmlich gestalten (§ 91 ABGB). Es ist die Pflicht der Ehegatten, sich um ein Einverständnis zu bemühen; wer es nicht sucht oder am Gestaltungs- und Entscheidungsvorgang nicht oder ungenügend mitwirkt, verletzt eine Pflicht (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 91; Schwind, EheR2 34 und 41). Die Pflicht zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, zur anständigen Begegnung und zum Beistand ist eine gegenseitige. Ihre Erfüllung setzt voraus, daß beide Ehegatten im Rahmen des Zumutbaren auf die Eigenheiten ihres Partners eingehen und so nach Kräften zur Verwirklichung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft beitragen (8 Ob 548/80). Interesselosigkeit gegenüber den Belangen des Partners und das Leben nur für die eigenen Interessen stellen eine schwere Eheverfehlung dar (7 Ob 718/88; vgl. Schwind aaO).
Der Beklagte hat dieser Pflicht als Ehegatte, das Einvernehmen mit der Klägerin zu suchen, nicht entsprochen. Es ist zwar positiv zu bewerten, daß der Beklagte ein fleißiger Arbeiter ist; doch hat er, ohne daß hierüber ein Einvernehmen mit der Klägerin bestanden hätte, auch seine Freizeit - soweit diese nicht ohnedies bereits mit jagdlicher Tätigkeit ausgefüllt war - immer wieder dazu genutzt, um in dem Gasthaus der Tante der Klägerin mitzuarbeiten, und selbst die wenigen "Ausflüge" an verlängerten Wochenenden nach Mittersill zum Wochenendhaus einer Tante der Klägerin (die einzigen "Ausflüge" während der Ehe) dienten auch dazu, Arbeiten an diesem Haus durchzuführen. Zu anderen Unternehmungen als den von ihm gewünschten (wozu bisweilen auch der Besuch einer bestimmten Ballveranstaltung oder einer bestimmten Diskothek gehörte, an dem dann wieder die Klägerin keine Freude hatte, soweit sie ihn nicht überhaupt ablehnte), fand sich der Beklagte aber nicht bereit, und er war nicht willens, die von ihm bevorzugten Tätigkeiten im Einverständnis mit der Klägerin zu gestalten und auf ein Ausmaß zu reduzieren, das berechtigten Vorstellungen der Klägerin entsprochen hätte. Das mangelnde Bemühen des Beklagten um eine einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft drückt sich aber auch darin aus, daß er nicht bestrebt war, seine hygienischen Anschauungen mit jenen der Klägerin einigermaßen in Einklang zu bringen.
Die dargestellten Umstände stellen in ihrer Gesamtheit eine schwere Eheverfehlung des Beklagten dar, sodaß die Vorinstanzen die Ehe der Streitteile zutreffend aus einem Verschulden des Beklagten im Sinne des § 49 EheG geschieden haben. Es kann auch nicht gesagt werden, daß die Eheverfehlungen des Beklagten gegenüber jenen der Klägerin, wie sie festgestellt wurden, nicht ins Gewicht fallen. Ebensowenig kann von einem - unmittelbaren und kausalen - Zusammenhang der beiderseitigen Eheverfehlungen oder gar davon gesprochen werden, daß die Verfehlungen des Beklagten etwa als (zulässige) Reaktion auf ein Verhalten der Klägerin anzusehen wären. Die Voraussetzungen des § 49 Satz 2 EheG liegen daher nicht vor.
2. Zur Revision der Klägerin:
Die Klägerin wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht ihr bei der Verschuldensabwägung besonders vorwerfe, daß sie sich dem Beklagten gegenüber sexuell ablehnend verhalten und die eheliche Lebensgemeinschaft ohne ausreichende Begründung verlassen habe, und daß bei ihr ein "Gesinnungswandel" gegenüber den Eigenheiten des Beklagten eingetreten sei.
Das Revisionsgericht pflichtet der Klägerin bei, daß die genannten Umstände den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe nicht rechtfertigen. Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens setzt ein erheblich schwereres Verschulden des einen Ehegatten voraus; das Verschulden des anderen muß demgegenüber fast völlig in den Hintergrund treten (EFSlg. 48.832); der Unterschied muß offenkundig sein (EFSlg. 51.659), steht doch das überwiegende Verschulden dem Alleinverschulden grundsätzlich gleich (vgl. Pichler aaO Rz 2 zu § 60 EheG).
Bei den vom Berufungsgericht zur Begründung seines Verschuldensausspruches hervorgehobenen Umständen darf aber zunächst nicht übersehen werden, daß nach den Feststellungen des Erstgerichtes die "höchst divergierenden Hygieneauffassungen" der Streitteile und der Umstand, daß der Beklagte nichts tat, um seinem Körpergeruch, "auf den die Klägerin äußerst empfindlich reagiert", entgegenzuwirken, dazu führten, daß sich die Klägerin dem ehelichen Verkehr mit dem Beklagten seit Jänner 1987 entzog. Nur die beharrliche und grundlose Verweigerung des Geschlechtsverkehrs stellt eine schwere Eheverfehlung dar (EFSlg. 48.744, 43.264). Erfolgte daher die Verweigerung nicht grundlos, kann in dem Verhalten der Klägerin zumindest eine schwere Eheverfehlung nicht gefunden werden.
Zwar trifft es zu, daß die Klägerin die eheliche Gemeinschaft im Juli 1987 eigenmächtig aufgegeben hat; denn besonders schwere Eheverfehlungen des Beklagten, die diese Aufgabe gerechtfertigt hätten (vgl. EFSlg. 46.174 ua.), lagen nicht vor. Doch fällt dieser Umstand nicht entscheidend ins Gewicht. Die Ehegatten hatten sich im Juli 1987 bereits weitgehend auseinandergelebt. Der Umstand, daß die Klägerin die eheliche Gemeinschaft verlassen hat, ist deshalb milder zu beurteilen.
Schließlich erscheint auch der Vorwurf des Berufungsgerichtes, bei der Klägerin sei ein Gesinnungswandel gegenüber den Eigenheiten des Beklagten eingetreten, in dieser Form nicht gerechtfertigt. Die Interessen der Streitteile waren offensichtlich seit jeher verschieden, ohne daß ein Teil geneigt gewesen wäre, sich dem anderen anzupassen. Geändert haben sich für die Klägerin mit der Aufnahme ihrer Tätigkeit in Schärding lediglich die Möglichkeiten, ihren Interessen gemeinsam mit anderen Personen nachzugehen. Mag deshalb auch das Verschulden der Streitteile an der Zerrüttung der Ehe nicht gleiches Gewicht haben und jenes der Klägerin schwerer wiegen, kann doch nicht gesagt werden, daß das Verschulden des Beklagten fast völlig in den Hintergrund trete, sodaß eine Differenzierung des Verschuldensgrades, wie sie von der zweiten Instanz vorgenommen wurde, gerechtfertigt wäre. Es war deshalb das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 43 Abs.1 und § 50 ZPO. Da der Beklagte mit seiner Revision unterlegen ist, waren ihm die Kosten der von der Klägerin erstatteten Revisionsbeantwortung aufzuerlegen. Kosten für die Erstattung ihrer Revision waren der Klägerin ungeachtet ihres Teilerfolges nicht zuzusprechen, weil auch der Beklagte durch eine Teilabweisung dieser Revision (die Klägerin hat den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten beantragt) erfolgreich war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)