OGH 3Ob519/95

OGH3Ob519/9514.6.1995

11Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Kellner, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg S*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*****-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 86.774,50 sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 6.Februar 1995, GZ 40 R 706/94-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17.Juni 1994, GZ 31 C 914/93f-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin kam am 10.7.1992 in einem von der beklagten Partei betriebenen Selbstbedienungsladen zu Sturz und stürzte am 25.7.1992 an einem anderen Ort neuerlich.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung von S 86.774,50 sA (S 30.000 Schmerzengeld und den Restbetrag für Fahrtkosten und andere unfallbedingte Mehraufwendungen) und außerdem die Feststellung, daß ihr die beklagte Partei für sämtliche künftige Schäden hafte, die Folgen der beiden Stürze seien. Beim ersten Sturz sei sie auf einem am Boden liegenden Gemüseabfall ausgeglitten und habe sich dabei eine Luxation des kleinen Fingers zugezogen. Die beklagte Partei habe geduldet, daß sich Kunden Obst- und Gemüseabfälle als Tierfutter entnehmen, ohne daß diese in Säcke gegeben werden müssen, sie habe dadurch schuldhaft gegen die Verkehrssicherungspflicht verstoßen, zumal durch eine entsprechende Überwachung oder durch die Auswahl eines anderen Abgabeortes für die Abfälle sichergestellt werden hätte müssen, daß es durch die Obst- und Gemüseabgabe nicht zu in einem Supermarkt atypischen Gefahren komme. Durch die Art der Abgabe seien immer wieder Verunreinigungen im Verkaufsraum aufgetreten und es seien auch andere Kunden wiederholt auf dem glatten Marmorboden gestürzt. Zum zweiten Sturz sei es deshalb gekommen, weil sie sich wegen des Gipsverbandes, der nach dem ersten Sturz an ihrer Hand angebracht worden sei, nicht abstützen habe können.

Die beklagte Partei wendete ein, daß sie niemals am Obst- und Gemüsestand Abfälle als Tierfutter abgegeben habe. Die Kunden wählten, wie dies in modernen Supermärkten allgemein üblich sei, am Obst- und Gemüsestand die Ware selbst aus und gäben sie in die dazu vorbereiteten Säckchen. Dennoch könne es vorkommen, daß den Kunden nach den Kassen aus Unachtsamkeit hin und wieder etwas zu Boden falle. Die Angestellten seien angewiesen, in solchen Fällen sofort für die Entfernung Sorge zu tragen. Für die Verletzungen, die die Klägerin beim zweiten Sturz erlitten habe, sei der erste Unfall nicht kausal.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Nachdem die Klägerin die im Geschäftslokal der beklagten Partei gekaufte Ware bei der Kassa bezahlt hatte und im Begriff war wegzugehen, trat sie plötzlich mit dem linken Fuß auf ein auf dem an sich sehr sauberen, glatten Marmorboden liegendes Salat- oder Gemüseblatt oder ein Obststück, das offenkundig von einem anderen Kunden verloren worden war. Dadurch glitt sie aus und kam zu Sturz. Sie zog sich hiedurch eine Luxation des kleinen Fingers im Bereich des Mittelgelenks zu. Außerdem erlitt sie durch die Glassplitter einer bei dem Sturz zerbrochenen Bierflasche mehrere kleinere unbedeutende Schnittwunden am linken kleinen Finger.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß die Klägerin eine der beklagten Partei anzulastende Sorgfaltspflichtverletzung nicht bewiesen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil des Erstgerichtes infolge Berufung der Klägerin und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte zur rechtlichen Beurteilung der Sache aus, daß sich der Oberste Gerichtshof bisher in zwei Entscheidungen mit der Frage der Haftung für Unfallfolgen, die durch einen Sturz in einem Selbstbedienungsladen entstanden seien, befaßt habe. In der Entscheidung vom 15.12.1981, 2 Ob 541/81, habe er hiezu ausgesprochen, die aus der Verkehrssicherungspflicht erfließende Verpflichtung des Geschäftsinhabers zur Gefahrenabwehr setze voraus, daß ihm eine Gefahrenquelle bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist, wobei aber die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt werden dürften und ihre Grenze in der Zumutbarkeit fänden. In der Entscheidung vom 26.3.1987, 7 Ob 558/87, habe der Oberste Gerichtshof diese Rechtsansicht bestätigt und zusätzlich ausgeführt, es sei unvermeidlich, daß in Geschäften, in denen die Kunden Waren, wie Obst und Gemüse, selbst entnehmen und an der Kasse vorbei zum Ausgang befördern, immer wieder einzelne Früchte oder Gemüsestücke zu Boden fallen. Die Bodenräume solcher Geschäfte seien im allgemeinen gut überblickbar, weshalb von jemandem, der in einem Selbstbedienungsladen einkaufe, ein Minimum an Aufmerksamkeit verlangt werden müsse. Für den Geschäftsinhaber wäre es ein praktisch unzumutbarer Mehraufwand, wenn er an mehreren Stellen des Geschäftes Personal so postieren müßte, daß der gesamte Boden des Geschäftes ständig auf herabfallende Obst- oder Gemüsestücke kontrolliert werden könnte. Jemandem, der sich der Kasse nähere, könne zugemutet werden, die vor ihm liegende Strecke auf am Boden liegende Gegenstände hin zu beobachten. Diese Grundsätze müßten auch gelten, wenn der Kunde am Weg von der Kasse zum Ausgang zu Sturz komme. Dabei sei es gleichgültig, ob die Klägerin auf einem Salatblatt oder einer Gurkenschale ausgerutscht sei, weil von beiden die gleiche Gefahr ausgehe und auch eine Gurkenschale keinen größeren Auffälligkeitswert habe. Ebenso sei gleichgültig, ob Gemüsereste oder -abfälle durch Arbeitnehmer der beklagten Partei abgegeben worden seien oder ob die Kunden sie selbst entnommen hätten. Der beklagten Partei sei unter diesen Umständen eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht anzulasten. Die Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der hier zu lösenden Frage erst in zwei Entscheidungen befaßt habe und daher eine gesicherte Rechtsprechung hiezu fehle, zumal den bisher ergangenen Entscheidungen Stürze im Bereich des Gemüsestandes oder im Bereich der Kassa zugrunde gelegen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist unzulässig.

Da § 502 Abs 1 ZPO keine Einschränkung enthält, muß davon ausgegangen werden, daß im allgemeinen schon eine Entscheidung ausreicht (vgl Miet 36.790, und Fasching in ZPR2 Rz 1986). Etwas anderes wird im Interesse der Rechtsentwicklung nur dann gelten, wenn in der einzigen vorhandenen Entscheidung die strittige Rechtsfrage ohne nähere Begründung oder als obiter dictum gelöst wurde oder wenn gegen die Lösung im Schrifttum oder im Rechtsmittel beachtliche Bedenken vorgebracht werden (Petrasch in ÖJZ 1985, 298). Soweit aus der Entscheidung VersRdSch 1987, 447 abzuleiten ist, daß das Vorliegen nur einer Entscheidung auf keinen Fall ausreicht, kann ihr daher nicht gefolgt werden (so auch Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 502).

Hier hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei - in RZ 1982/50 und ZVR 1989/68 veröffentlichte - Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs gestützt. Sieht man von dem - in der Revision gar nicht behaupteten - Fall ab, daß das Berufungsgericht von diesen Entscheidungen abgewichen ist, wäre die Revision somit nur zulässig, wenn dem hier zu entscheidenden Fall ein in einem wesentlichen Punkt anderer Sachverhalt zugrunde läge, zumal gegen die Entscheidungen weder im Schrifttum noch in der Revision etwas vorgebracht wurde. Dieser Unterschied im Sachverhalt liegt entgegen der anscheinend vom Berufungsgericht vertretenen Meinung nicht darin, daß sich der Unfall in einem anderen Bereich als in den in den Vorentscheidungen behandelten Fällen ereignete, weil dies nicht wesentlich ist. Ein solcher Unterschied läge aber entgegen der in der Revision vertretenen Meinung auch dann nicht vor, wenn im Geschäftslokal der beklagten Partei, wie die Klägerin behauptet, auch Obst- und Gemüseabfälle als Tierfutter abgegeben worden wären. Aus der Entscheidung 7 Ob 558/87 (= ZVR 1989/28) läßt sich der Grundsatz ableiten, daß der Kunde ein Minimum an Aufmerksamkeit anwenden muß und daß es für den Geschäftsinhaber ein praktisch unzumutbarer Mehraufwand wäre, wenn er an mehreren Stellen des Geschäftes Personal so aufstellen müßte, daß der gesamte Boden des Geschäftes ständig auf herabfallende Obst- oder Gemüsestücke kontrolliert werden kann. Dieser Grundsatz würde auch dann gelten, wenn im Geschäftslokal der beklagten Partei Obst- und Gemüseabfälle als Tierfutter abgegeben worden wären. Es bedarf daher nicht der von der Klägerin in diesem Zusammenhang geforderten Feststellungen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht somit in den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, weshalb von diesem eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen und die Revision daher unzulässig ist.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Da darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen wurde, kann sie nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden.

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