Normen
AO §53 (4)
AO §53 (4)
Spruch:
Die Wirkung der Mahnung, die ihrem Zwecke nach eine empfangsbedürftige Warnung ist, und der Beginn des Laufes der Nachfrist im Sinne des § 53 Abs. 4 AO. tritt mit dem Zeitpunkte der Zustellung des Mahnschreibens an den Schuldner ein.
Entscheidung vom 11. September 1952, 3 Ob 519/52.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Auf Grund des Urteils des Handelsgerichtes Wien vom 27. April 1950, 12 Cg 216/50, wurde der beklagten Partei gegen die klagende Partei zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 15.651 S samt 5% Zinsen per 20. Jänner 1950 und der Kosten von 360.74 S die Exekution bewilligt. Mit Beschluß vom 6. Juni 1950 wurde über den Kläger der Konkurs eröffnet und am 10. August 1950 ein am 1. September 1950 bestätigter Zwangsausgleich geschlossen, in welchem sich der Kläger verpflichtete, den nicht bevorrechteten Gläubigern 45% ihrer Forderung in 12 Monatsraten, die erste zwei Monate nach Annahme des Ausgleiches, bei Terminverlust und relativem Wiederaufleben bei Nichterfüllung innerhalb 14tägiger Nachfrist nach Mahnung zu bezahlen. Im Konkurs wurde die Forderung der beklagten Partei von dieser nicht angemeldet, jedoch vom Gemeinschuldner die Forderung, allerdings nur mit dem Betrage von 15.000 S ohne Nebengebühren, in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen. Mit Beschluß vom 20. März 1951, 13 E 1749/51, wurde der beklagten Partei der neuerliche Vollzug der bewilligten Exekution zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 12.651 S infolge eingetretenen Terminverlustes und Wiederauflebens bewilligt. Gegen diese Exekutionsbewilligung und gegen den dieser zugrundeliegenden Anspruch erhob der Kläger mit der vorliegenden Klage Einwendungen, in denen er behauptete, er habe die in der Zeit von Oktober bis Dezember 1950 fälligen Ausgleichsraten von je 562.50 S fristgerecht bezahlt, am 13. Jänner 1951 ein am 10. Jänner 1951 abgesandtes Mahnschreiben des Beklagtenvertreters erhalten, nach welchem er die Ausgleichsraten nicht bezahlt habe, habe daraufhin am 15. Jänner 1951 geantwortet, daß er die Raten eingehalten habe, und nach einigen Tagen seinen Geschäftsführer mit fünf weiteren Ausgleichsraten nach Wien zum Beklagtenvertreter geschickt, wo diesem mitgeteilt wurde, er dürfe keine Zahlungen an die beklagte Partei mehr leisten, da diese sich in Auflösung befinde, er werde noch verständigt werden, an wen er zahlen solle; eine solche Verständigung habe er bis heute nicht erhalten.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die Klagsbehauptungen bezüglich der Erklärungen in der Kanzlei des Beklagtenvertreters nicht zutreffen, daß vielmehr dem Geschäftsführer des Klägers bei seiner Vorsprache in der Kanzlei des Beklagtenvertreters mitgeteilt worden sei, er könne ohneweiters dem Beklagtenvertreter Zahlung leisten, und daß ihm Erlagscheine angeboten wurden, deren Annahme er ablehnte, und daß schließlich erst nach Einleitung der gegenständlichen Exekution im Mai 1951 sämtliche aushaftenden Ausgleichsraten gegen Einstellung der Exekution zur Zahlung angeboten wurden, welches Anbot aber vom Beklagtenvertreter abgelehnt wurde. Nach den Feststellungen des Prozeßgerichtes betrug eine Ausgleichsrate unter Zugrundelegung der vollstreckbaren Forderung samt Nebengebühren 614 S, während der Kläger nur drei Raten von je 562.50 S bezahlte, so daß der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen bis zur Mahnung am 10. Jänner 1951 nicht zur Gänze nachgekommen, sondern bis zur Mahnung 156 S schuldig geblieben sei. Da die erste Rate am 9. Oktober 1950 fällig gewesen sei, habe die beklagte Partei die am 9. Jänner 1951 fällig gewordene Rate fristgerecht am 10. Jänner 1951 gemahnt; dadurch, daß der Kläger innerhalb der 14tägigen Nachfrist Zahlungen nicht geleistet habe, sei sowohl Terminverlust als auch relatives Wiederaufleben eingetreten und der neuerliche Vollzug der Exekution daher mit Recht beantragt worden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es teilte die Meinung des Prozeßgerichtes, daß die Ausgleichsraten nicht 562.50 S, sondern 614 S betrugen und der Kläger daher hinsichtlich des Differenzbetrages von 156.84 S in Verzug geraten sei und diesen Betrag trotz Mahnung und Nachfristerteilung nicht bezahlt habe, so daß Terminverlust und relatives Wiederaufleben eingetreten sei. Wenn auch die beklagte Partei ihre Forderung, für die sie bereits einen Exekutionstitel besaß, im Konkurs nicht angemeldet habe, so sei doch der Kläger nicht berechtigt gewesen, diese Forderung einseitig herabzusetzen. Der Eintritt des Terminverlustes und des relativen Wiederauflebens sei allerdings nur auf die Unterlassung der vollen Berichtigung der fälligen Ausgleichsraten, nicht aber darauf zurückzuführen, daß die beklagte Partei die vierte Rate unter Setzung einer Nachfrist eingemahnt habe, weil die Mahnung schon am 10. Jänner 1951 erfolgt sei, an welchem Tage die vierte Rate erst fällig wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Revision Verfahrensmängel behauptet, können ihre Ausführungen keine Beachtung finden, weil es sich um angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens handelt, die das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtet hat; derartige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können aber nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht mehr mit dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 2 ZPO. geltend gemacht werden.
Der Revision kommt aber auch keine Berechtigung zu, soweit sie die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen bekämpft. Es ist zwar richtig, daß die Einmahnung einer Ausgleichsrate vor Fälligkeit weder Terminverlust noch Wiederaufleben der Forderung zur Folge haben kann. Allein eine Mahnung ist nur dann als vorzeitig anzusehen, wenn sie dem Schuldner vor Fälligkeit zukommt. Die Wirkung der Mahnung, die ihrem Zwecke nach (Reglerungsvorlage, S. 16) eine empfangsbedürftige Warnung ist, und der Beginn des Laufes der Nachfrist tritt mit dem Zeitpunkte der Zustellung des Mahnschreibens an den Schuldner ein; dem Schuldner muß lediglich nach Empfang der Mahnung trotz eingetretener Fälligkeit noch die im Ausgleich vorgesehene Nachfrist zur Verfügung stehen (Bartsch - Pollak II, zu § 53 Abs. 4, Anm. 26; Klang, 1. Aufl., zu § 1334, S. 173; ZBl. 1928, Nr. 186, Rechtsprechung 1932 Nr. 264, 1934 Nr. 41). In den den Entscheidungen SZ. XV/36 und RZ. 1935 S. 162 zugrunde liegenden Fällen ist die Mahnung nicht nur vor Fälligkeit abgesendet, sondern auch vor Fälligkeit dem Schuldner zugestellt worden. Diese Entscheidungen können daher zur Lösung der vorliegenden Rechtsfrage nicht herangezogen werden. Es kommt somit entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht darauf an, wann der Gläubiger die Mahnung abgesendet hat, sondern nur darauf, wann sie dem Schuldner zugekommen ist. Die Fälligkeit der vierten Rate ist am 10. Jänner 1951 eingetreten, die Mahnung nach dem Klagsvorbringen selbst dem Kläger am 13. Jänner 1951, somit nach Fälligkeit zugekommen. Die Nachfrist hat daher wirksam am 14. Jänner 1951 zu laufen begonnen, ohne daß der Kläger innerhalb der Nachfrist Zahlung geleistet hat. Es ist daher schon aus diesem Gründe Wiederaufleben und Terminverlust eingetreten.
Es ist aber auch die Revision unbegrundet, wenn sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung SZ. XVI/163 u. a. die Meinung vertritt, daß ein auf Unkenntnis der genauen Quote zurückzuführender Zahlungsverzug mit einem geringfügigen Teil der Quote nicht die Säumnisfolgen des Terminverlustes und Wiederauflebens nach sich ziehe. Abgesehen davon, daß dem Kläger durch das vollstreckbare Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27. April 1950 die genaue Höhe der Forderung der beklagten Partei bekannt war und er sich daher die genaue Höhe der einzelnen Ausgleichsraten berechnen konnte, hat der Vertreter der beklagten Partei im Schreiben vom 10. Jänner 1951 die genaue Höhe der Ausgleichsraten dem Kläger bekanntgegeben. Überdies aber entspricht der bis zum 9. Jänner 1951 fällig gewordene und nichtbezahlte Restbetrag von 156.84 S ungefähr einem Viertel einer Ausgleichsrate, es kann daher davon keine Rede sein, daß der Kläger aus einem Irrtum über die genaue Höhe der Quote nur mit einem geringfügigen Teil der Quote im Rückstand war.
Die Vorinstanzen haben daher ohne Rechtsirrtum angenommen, daß Terminverlust und relatives Wiederaufleben eingetreten ist, weshalb der vollkommen unbegrundeten Revision der Erfolg versagt bleiben mußte.
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