OGH 3Ob518/88

OGH3Ob518/8822.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erna A***,

Angestellte, Obernberg am Inn, Marktplatz 27, vertreten durch Dr. Hans Hochleitner ua, Rechtsanwälte in Eferding, wider die beklagten Parteien 1.) Rosa P***, Pensionistin, Ried im Innkreis, Riedholzstraße 17, 2.) Anna H***, Pensionistin, Ried im Innkreis, Riedbergstraße 8, 3.) Christine O***, Hausfrau, Ried im Innkreis, Ringweg 33, 4.) Josef Karl H***, kaufmännischer Angestellter, Ried im Innkreis, Steinbauerweg 7, 5.) Josef S***, Landarbeiter, Aurolzmünster, Weierfing 14, 6.) Gertraud S***, Köchin, ebendort, 7.) Romana H***, Andorf, Matzing 1,

  1. 8.) mj Gerhard S***, Arbeiter, Aurolzmünster, Weierfing 14, und
  2. 9.) Johann S***, Landwirt, Ried im Innkreis,

    Altenriederstraße 14, alle vertreten durch Dr. Alexander Puttinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 1 Cg 317/84 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14. Dezember 1987, GZ 1 R 264/87-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 4. Juni 1987, GZ 1 Cg 128/87-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit S 18.080,13 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 1.643,64 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Rechtsstreit 1 Cg 317/84 des Erstgerichtes wurde der von den nun beklagten Parteien gegen die jetzt klagende Partei erhobenen Erbrechtsklage in allen drei Instanzen dahin stattgegeben, daß das von Maria O*** am 30.Jänner 1984 eigenhändig errichtete schriftliche Testament, in dem die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt wurde, unwirksam sei.

Diesem Urteil lag im wesentlichen der Sachverhalt zugrunde, daß Maria O*** schon vor ihrer Einlieferung ins Krankenhaus am 28. Jänner 1984 an einer Entscheidungsschwäche gelitten habe und im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben gewesen sei. Sie habe nicht mehr frei entscheiden können, ob sie überhaupt testieren wolle, noch wen sie als Erbe einsetzen solle. Diese Feststellungen gründeten auf des Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Klaus J***, wonach sie infolge ihres eingeengten Willens höchstens noch in der Lage gewesen sei, eine auf einen längeren, eventuell Jahre vorangegangenen Denkprozeß zurückgehende bestimmte Meinung über ihre Testierabsichten zu verwirklichen, unmöglich aber in dieser Richtung noch neue Überlegungen anstellen konnte. Ein solcher, schon vor ihrer Erkrankung bestehender fixierter Testierwille zugunsten der Klägerin habe aber nicht bestanden, sondern Maria O*** habe bei den verschiedensten Gelegenheiten die verschiedensten Personen als die von ihr ausersehenen Erben bezeichnet, darunter freilich auch die Klägerin.

Mit ihrer Wiederaufnahmsklage gegen dieses Streitverfahren machte die Klägerin den Wiederaufnahmegrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend. Sie habe im Frühjahr 1987 erstmals erfahren, daß Maria O*** zu den Zeugen Horst D*** und Hilde F*** wiederholt gesagt habe, sie wolle die Klägerin als Alleinerbin einsetzen, und auch genaue Gründe dafür angegeben habe, warum sie ihren gesetzlichen Erben nichts zukommen lasse, wohl aber die Klägerin bedenken wolle.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes im Verhältnis zu jeder einzelnen beklagten Partei S 300.000,-- übersteige. Die Vorinstanzen trafen im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Zu Horst D*** sagte Maria O*** im Jahre 1979 oder 1980, sie wolle ihre Landwirtschaft nicht ihren Verwandten vererben, weil ihr diese nie geholfen hätten; wenn jemand von ihr etwas bekomme, seien es die "Anzenbergers". Als Horst D*** ihr riet, dies schriftlich festzuhalten, wich sie ihm aus.

Zu Hilde F*** sagte Maria O*** in der Zeit zwischen 1980 und Mitte 1983, sie werde die Landwirtschaft nicht ihrer Verwandtschaft geben, weil sich diese nicht um sie kümmere. Ihr Vermögen werde die "Erni" (gemeint die Klägerin) bekommen, weil diese so viel für sie tun würde.

Diesen neuen Beweismitteln sprachen die beiden Vorinstanzen eine konkrete Eignung zu einer geänderten Beweiswürdigung im wiederaufzunehmenden Verfahren ab, wobei sie einerseits ausführten, daß die beiden neu festgestellten Gespräche in den Rahmen der schon im Verfahren 1 Cg 317/84 festgestellten Äußerungen der Maria O*** fielen, also keinen neuen Gesichtspunkt darstellten, und andererseits darauf hinwiesen, daß sich aus einigen, erst im Wiederaufnahmeverfahren hervorgekommenen Indizien (Irrtümer bei einer Diebstahlsanzeige) ergebe, daß der Geisteszustand der Erblasserin Maria O*** in den Jahren vor ihrer schweren Erkrankung sogar schlechter als bisher angenommen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Ein Mangel des Berufungsverfahrens wird in der Revision nicht aufgezeigt, sondern es wird nur der im Revisionsverfahren unzulässige Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen unternommen. Im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung ist das Berufungsgericht nicht genötigt, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und mit jedem Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (EFSlg 44.104 ua). Ob zwischen Maria O*** und dem Zeugen Horst D*** ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden hat (Ausfolgung des Haustorschlüssels) und dem Zeugen aus diesem Grund eine höhere Glaubwürdigkeit zukomme, stellt ein solches Argument dar. Der Schluß der Revisionswerberin, die diesem Zeugen gegenüber mehrfach wiederholten Äußerungen der Maria O*** unterschieden sich von ähnlichen Äußerungen zu anderen Personen und deuteten auf einen schon lange vor dem strittigen Testierakt vorhandenen, durchgehenden und gefestigten Testierwillen zugunsten der Klägerin, ist nicht zwingend, sondern stellt ebenfalls nur ein mögliches Argument für eine andere Beweiswürdigung dar. Gleiches gilt für die vielleicht mögliche Feststellung, Maria O*** habe zu diesem Zeugen erklärt, sie werde eine schriftliche Anordnung schon einmal treffen. Ein reines Beweiswürdigungsargument stellt auch das von der Zeugin Hilde F*** bekundete Motiv einer möglichen letztwilligen Bedenkung der Klägerin dar.

Zutreffend wird in der Rechtsrüge ausgeführt, daß sich die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die das Wiederaufnahmebegehren im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützt wird, nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken müssen, sondern daß es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen, wobei hier auch neue Hilfstatsachen, aus denen Schlüsse auf eine Haupttatsache gezogen werden können, in Betracht kommen (Fasching, Komm IV 514). Es kommt aber nicht nur auf ihre abstrakte Eignung an, eine Änderung der im Hauptprozeß erflossenen Entscheidung herbeizuführen, sondern im Wiederaufnahmeverfahren hat eine eingeschränkte Beweiswürdigung dahin zu erfolgen, ob die Nichtberücksichtigung dieser Tatsachen und Beweismittel im Vorprozeß einen Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlagen darstellt (Fasching aaO 551; SZ 54/191 mwN).

Die Vorinstanzen haben diese eingeschränkte Beweiswürdigung vorgenommen und sind zum Ergebnis gelangt, daß es auch bei Berücksichtigung der neuen Beweismittel und Tatsachen nicht zu einer anderen Beweiswürdigung im Hauptprozeß kommen könne. Diese Beurteilung der neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel auf ihre konkrete Eignung zu einer Änderung der Entscheidung im Hauptprozeß ist aber ein Akt der Beweiswürdigung und damit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (SZ 54/191; ebenso 1 Ob 659/84 und 8 Ob 69,70/86).

Der auch in der Rechtsrüge wiederholte Vorwurf, das Berufungsgericht habe keine vollständige Auswertung der Verfahrensergebnisse vorgenommen und vor allem nicht auf vorhandene Privatgutachten Bedacht genommen, betrifft ausschließlich eine Frage der Beweiswürdigung. Desgleichen fällt in das Gebiet der irrevisiblen Beweiswürdigung die Frage, ob wegen der neu hervorgekommenen Tatsachen ein neues Sachverständigengutachten (Kontrollgutachten) einzuholen war oder nicht (EFSlg 44.110). Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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