OGH 3Ob505/90

OGH3Ob505/9014.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** H*** Gesellschaft m.b.H., Wels, Sengerstraße 27, vertreten durch Dr. Viktor A. Straberger, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien 1) Johanna S***, Hausfrau, und 2) Rosemarie T***, Verkäuferin, beide wohnhaft in Salzburg, Valkenauerstraße 15, beide vertreten durch Dr. Friedrich Frühwald, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beendigung eines Mietverhältnisses und Räumung von Liegenschaften, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 27.September 1989, GZ 2 R 47/89-15, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 6.November 1988, GZ 2 Cg 25/88-9, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in der Hauptsache dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des schon in erster oder zweiter Instanz in Rechtskraft erwachsenen Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagten Parteien sind schuldig, das zwischen ihnen mit Mietvertrag vom 16. 1. 1987 und Nachtrag vom 30. 1. 1987 begründete Mietverhältnis über die Liegenschaften EZ 358 (Haus Salzburg-Aigen, Valkenauerstraße 15), 569 und 2513 je Grundbuch 56501 Aigen I binnen 14 Tagen zu beenden.

Die Zweitbeklagte ist weiters schuldig, binnen 14 Tagen die drei angeführten Liegenschaften mit Ausnahme der im Haus Salzburg-Aigen, Valkenauerstraße 15, im ersten Stock rechts gelegenen Wohnung bestehend aus Küche, fünf Zimmern und Zubehör, zu räumen. Das Mehrbegehren, die Erstbeklagte sei schuldig, die Räumung der drei angeführten Liegenschaften durch die Zweitbeklagte zu veranlassen und die Vermietung oder sonstige Überlassung dieser Liegenschaften ganz oder teilweise an dritte Personen zu unterlassen, und die Zweitbeklagte sei schuldig, auch die angeführte Wohnung im ersten Stock rechts zu räumen, wird abgewiesen."

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz bleibt aufrecht. Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei weiters die mit 6.789,42 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.131,57 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar im Verhältnis 4/11 (Erstbeklagte) zu 7/11 (Zweitbeklagte).

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte ist Eigentümerin dreier, eine wirtschaftliche Einheit bildender Liegenschaften mit einem Haus in Salzburg, welche alle der Klägerin zu Gunsten einer Forderung von 500.000 S verpfändet wurden. Die klagende Partei beantragte am 23. Dezember 1986 die Zwangsversteigerung dieser Liegenschaften, welchem Antrag mit Beschluß vom 20.Jänner 1987 stattgegeben wurde. Der Exekutionsbewilligungsbeschluß wurde der erstbeklagten Partei am 30. Jänner 1987 zugestellt. Mit Mietvertrag vom 16.Jänner 1987 vermietete die Erstbeklagte eine der drei Liegenschaften (mit dem Haus) und mit Nachtrag vom 30.Jänner 1987 auch die beiden anderen Liegenschaften an die Zweitbeklagte um einen monatlichen Mietzins von zusammen 11.000 S mit der Vereinbarung, daß der Mietvertrag erstmals zum 20.Dezember 2066 gekündigt werden könne. Die klagende Partei macht geltend, daß dieser Mietvertrag mit einem unangemessen niedrigen Mietzins und einer ungewöhnlich langen unkündbaren Vertragsdauer den Schätzwert der Liegenschaften so nachteilig beeinflusse, daß die Gefahr bestehe, daß sie bei der Verwertung der Liegenschaften mit ihrem Pfandrecht nicht mehr zum Zug kommt. Den beiden Beklagten sei diese der klagenden Partei drohende Benachteiligung bekannt gewesen.

Soweit die verschiedenen Klagebegehren im Revisionsverfahren noch von Bedeutung sind - entsprechende Mehrbegehren der klagenden Partei wurden teilweise schon in erster Instanz, teilweise erst in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen - begehrt die klagende Partei von den beiden beklagten Parteien die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses und von der zweitbeklagten Partei darüber hinaus die Räumung der Liegenschaften.

Die beklagten Parteien wendeten ein, daß der vereinbarte Mietzins angemessen sei und daher keine Benachteiligung der klagenden Partei erfolge, und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im noch strittigen Umfange statt.

Das Berufungsgericht bestätigte insoweit das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision zulässig sei.

Die beiden Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Am 31.Oktober 1986 hatte der Vertreter der klagenden Partei die erstbeklagte Partei letztmalig gemahnt und die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens angedroht. Dem Pfandrecht der klagenden Partei gehen Pfandrechte für Forderungen von über 4 Mill S voraus.

Die Zweitbeklagte hatte schon im Jahr 1984 eine Wohnung im ersten Stock des Hauses der Erstbeklagten gemietet und entrichtete infolge einer Mietzinsabtretung den Mietzins an eine Bank. Sie nahm auch erhebliche Sanierungsarbeiten am Haus vor. Die in finanziellen Dingen unbeholfene Erstbeklagte wurde zunehmend mehr von der Zweitbeklagten beraten. Diese wußte daher von den zahlreichen Fahrnisexekutionen gegen die Erstbeklagte und kannte den ungefähren Schuldenstand. Insbesondere hatte sie auch Kenntnis vom erwähnten Mahnschreiben der klagenden Partei mit der Androhung der Zwangsversteigerung.

Die Zweitbeklagte wandte sich daraufhin an ein Betriebsberatungsbüro, das zu dieser Zeit in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt in vielen Fällen den Abschluß langfristiger Bestandverträge über Liegenschaften anregte, um dadurch deren Verwertung durch Zwangsversteigerung unmöglich zu machen, und überredete die Erstbeklagte zum Abschluß des strittigen Mietvertrages. Da der Mietzins sehr gering sein sollte und man sich diesbezüglich absichern wollte, besorgte die Zweitbeklagte von einem ihr bekannten Zivilingenieur ein Privatgutachten über die Höhe der marktgerechten Miete, wobei sie betonte, daß sie an einem möglichst niedrigen Wert interessiert sei. Nach oberflächlicher Besichtigung kam dieser Zivilingenieur auf eine marktgerechte Miete von nur rund 10.000 S monatlich, obwohl damals die Zweitbeklagte schon für ihre Wohnung im ersten Stock 6.000 S und ein zweiter Mieter 4.000 S für die zweite Wohnung im ersten Stock zahlte. Im Mietvertrag vom 16. Jänner 1987 wurde als Stichtag für die tatsächliche Übergabe der 20. Dezember 1986 eingesetzt, um damit einen schon vorher bestehenden mündlichen Vertragsabschluß vorzutäuschen, weil man der Meinung war, daß ein vor Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens geschlossener Mietvertrag schwerer anfechtbar sei. Da im Mietvertrag vom 16.Jänner 1987 versehentlich nur eine der drei Liegenschaften angeführt war, wurde für die beiden anderen Liegenschaften der Nachtrag vom 30.Jänner 1987 abgeschlossen.

Nach Abschluß des Mietvertrages baute die Zweitbeklagte den Dachboden aus, um dort für die Erstbeklagte die im Mietvertrag vorgesehene Wohnmöglichkeit zu schaffen.

Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde der Verkehrswert der drei Liegenschaften mit über 14 Mill S, der Ertragswert wegen des niedrigen Mietzinses gemäß den beiden genannten Mietverträgen nur mit über 7 Mill S festgestellt. Tatsächlich ist hingegen ein Mietzins von mindestens 30.000 S angemessen.

In rechtlicher Hinsicht gingen die beiden Vorinstanzen auf Grund dieser Tatsachenfeststellungen davon aus, daß die Voraussetzungen der Devastationsklage nach § 458 ABGB gegeben seien. Beide Streitteile hätten in der Absicht gehandelt, die Verwertung der Liegenschaften zu einem angemessenen Preis zu hintertreiben, und dadurch die Befriedigung der klagenden Partei aus ihrem Pfandrecht gefährdet. Das Erstgericht führte aus, daß der frühere Mietvertrag von den beklagten Parteien offenbar einverständlich beendet worden sei, weshalb auch die den Gegenstand des früheren Mietvertrages bildenden Teile der Liegenschaft zu räumen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der erstbeklagten Partei ist nicht berechtigt, jene der zweitbeklagten Partei nur teilweise.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit oder Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen kann im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden. In rechtlicher Hinsicht haben die Vorinstanzen zutreffend die Voraussetzungen der Devastationsklage bejaht.

Es ist in Lehre und Rechtsprechung nicht strittig, daß dem Pfändgläubiger bei drohender Pfandverschlechterung im Sinne des § 458 ABGB sowohl gegen den Pfandgeber als auch gegen Dritte einerseits der Anspruch auf Unterlassung von Handlungen, die zu einer Verschlechterung der Pfandsache führen, und andererseits mindestens bei Verschulden auch der Anspruch auf Schadenersatz durch Wiederherstellung des früheren Zustandes zusteht (Klang in Klang2 II 512; Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 2 und 6 zu § 458; EvBl 1984/119; SZ 59/206; JBl 1989, 590; ohne Beschränkung auf Verschulden Koziol-Welser8 II 125; Faistenberger-Barta-Call-Eccher in Gschnitzer, Sachenrecht2, 212; vgl auch SZ 57/126 und Anm Rummel zu ÖBA 1987, 415 = SZ 59/206).

Der Abschluß eines Mietvertrages zu einem unangemessen niedrigen Mietzins und mit Vereinbarung eines ungewöhnlich langen Zeitraumes der Unkündbarkeit verschlechtert den Wert einer Liegenschaft erheblich. Bei den gegebenen Vorpfandrechten droht der klagenden Partei bei einer Versteigerung mit Aufrechterhaltung des Mietvertrages, daß sie mit ihrem Pfandrecht nicht mehr zum Zug kommt. Beide Streitteile trifft nach dem von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht nur der Vorwurf der Fahrlässigkeit, sondern sie haben den strittigen Mietvertrag in Kenntnis der Rechte der klagenden Partei und mit der erwiesenen Absicht abgeschlossen, dadurch die Versteigerung der Liegenschaft möglichst hintanzuhalten. Die beklagten Parteien waren auch in bezug auf die Höhe des Mietzinses nicht etwa deshalb gutgläubig, weil sie dem Privatgutachter vertraut haben, sondern sie wußten, daß das Gutachten über ihren ausdrücklichen Wunsch einen so niedrigen Mietzins auswies.

Der Abschluß eines rechtswidrigen, die Rechte eines Pfandgläubigers beeinträchtigenden Mietvertrages verschafft keinen Kündigungsschutz, sondern der geschädigte Pfandgläubiger kann auf Wiederherstellung des früheren Zustandes klagen, ohne daß es eines darüber hinausgehenden wichtigen Kündigungsgrundes nach dem MRG oder sonstigen Auflösungsgrundes nach dem ABGB bedürfte. Die in der Revision angedeutete rechtliche Unmöglichkeit läge in diesem Zusammenhang im übrigen aber schon deshalb nicht vor, weil das Mietverhältnis, selbst wenn es unter die Kündigungsbeschränkungen des MRG fällt, jedenfalls durch einvernehmliche Auflösung beendet werden kann, zu der beide Beklagten verpflichtet sind. Die klagende Partei kann daher die Naturalrestitution in der Form begehren, daß beide beklagten Parteien das die Rechte der klagenden Partei beeinträchtigende Mietverhältnis beenden und die Zweitbeklagte die auf Grund dieses zu beendenden Mietverhältnisses in Besitz genommenen Liegenschaften räumt. Gemäß § 409 Abs 1 ZPO ist hiefür eine Leistungsfrist von 14 Tagen zu setzen.

Mit Recht wird in der Revision nur aufgezeigt, daß die Zweitbeklagte schon vor der Begründung des strittigen Mietverhältnisses über die gesamten Liegenschaften (und nach dem Grundbuchstand auch schon vor der Entstehung des Pfandrechtes der klagenden Partei) Mieterin einer Wohnung war. Gegen diesen alten Mietvertrag steht der klagenden Partei keine Devastationsklage zu. Selbst wenn man mit dem Erstgericht annähme, daß die beklagten Parteien durch den Abschluß des neuen Mietvertrages ihren alten umfänglich beschränkten Mietvertrag auflösen wollten (was wohl nur für den Fall der Unanfechtbarkeit gelten sollte), kann die klagende Partei nur die Wiederherstellung desjenigen Zustandes verlangen, der ohne den schädigenden Abschluß des neuen Mietvertrages gegeben wäre. Für das Ausmaß der Pfandverschlechterung war sie beweispflichtig. Soweit die beklagten Parteien in der Revision allerdings argumentieren, es sei durch den neuen Mietvertrag wegen des alten Mietrechtes keine Verschlechterung der Pfandsache mehr eingetreten, ist zu erwidern, daß es für den Wert einer Liegenschaft einen erheblichen Unterschied ausmacht, ob diese zur Gänze an einen Dritten vermietet ist oder ob das nur für einen Teil zutrifft. Gemäß der Klagserzählung und dem Begehren der klagenden Partei bezieht sich der gegen beide Beklagten erhobene Klagsanspruch auf Beendigung des Mietverhältnisses nur auf den neuen Mietvertrag. Der alte Mietvertrag kommt im Vorbringen der klagenden Partei nicht vor.

Die Formulierung, "das Mietverhältnis ... bezüglich der Liegenschaften" ... sei zu beenden, weist auf den neuen Mietvertrag

hin. Das alte Mietrecht war auch nie bekämpft. Der Urteilsspruch ist daher dahin zu verdeutlichen, daß die beklagten Parteien das Mietverhältnis auf Grund des Mietvertrages vom 16.Jänner 1987 und Nachtrag vom 30.Jänner 1987 zu beenden haben.

Das Räumungsbegehren der klagenden Partei geht im gleichen Sinn zu weit. Die Zweitbeklagte hat die drei Liegenschaften nicht zur Gänze zu räumen, sondern sie ist nur zur Räumung derjenigen Teile derselben verpflichtet, in deren Besitz sie erst durch den neuen Mietvertrag gelangte, nicht jedoch der von ihr auf Grund des alten Mietvertrages benützten Wohnung im ersten Stock rechts (nähere Beschreibung der Wohnung im Protokoll über die Schätzung der Liegenschaften und im Schätzungsgutachten des im Versteigerungsverfahren herangezogenen Sachverständigen, ON 9 und 14 des Exekutionsaktes). In diesem Umfange war daher der Revision der Zweitbeklagten teilweise Folge zu geben.

Dieser geringe zusätzliche Teilerfolg der Zweitbeklagten, die in erster Instanz nicht einmal ausdrücklich auf ihre alten Mietrechte hinwies, hat keine zusätzlichen Kosten verursacht. Der klagenden Partei gebührt daher in Anwendung der §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO für alle drei Instanzen voller Kostenersatz auf der Basis des Streitwertes für den ersiegten Teil des Klagebegehrens. Nach der Klarstellung der Bewertung im Berufungsverfahren beträgt der Streitwert in diesem Umfange zweimal 40.000 S für die Beendigung des neuen Mietverhältnisses durch beide beklagten Parteien zuzüglich etwa 25.000 S für die um die Wohnung verringerte Räumungsverpflichtung der Zweitbeklagten, d.s. zusammen 105.000 S, d. i. dieselbe Gebührenstufe, die auch das Berufungsgericht für die Kosten erster und zweiter Instanz zugrundelegte. Die Aufteilung der Kosten auf die beiden Beklagten erfolgt gemäß § 46 Abs 1 auch für das Revisionsverfahren; für die erste Instanz bleibt es aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen bei der Solidarhaftung.

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