OGH 3Ob503/60

OGH3Ob503/607.3.1961

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hildegard M*****, 2.) Anna H*****, Realitätenvermittlerin, ***** vertreten durch Dr. Eduard Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helene F*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Viktor Franz Patzner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Oktober 1960, GZ 43 R 652/60, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 29. Juni 1960, GZ 4 C 218/60-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Gerichte erster und zweiter Instanz werden aufgehoben und die Rechtssache an das Prozessgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.

Auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens wird als weitere Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen sein.

Text

Begründung

Die Klägerinnen brachten als Miteigentümerinnen (je zur Hälfte) des Hauses ***** P*****straße 7, das sie nach ihrem Vorbringen im Akt 4 C 288/58 des Erstgerichtes im Frühjahr 1957 gekauft hatten, gegen die Beklagte am 13. 5. 1960 die Aufkündigung für 31. 8. 1960 ein und machten als Kündigungsgründe § 19 Abs 2 Z. 5 und § 19 Abs. 1 MietG. geltend. Das Haus sei im Jahre 1937 erbaut worden. Der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. wurde damit begründet, dass die Erstklägerin derzeit eine Wohnung in ***** K*****gasse Nr. 8, bestehend aus zwei Zimmern und Nebenräumen bewohne. Es handle sich um eine Schlauchwohnung, da die beiden Zimmer ineinandergehen. Mit ihr wohnen ihre beiden Söhne im Alter von sechzehn und neun Jahren. Der ältere Sohn studiere. Die Schulstunden der beiden Jungen seien verschieden. Sie selbst sei ganztägig im dritten Bezirk berufstätig, sei nicht Autofahrerin, so dass sie gezwungen sei, zur Betreuung der beiden Söhne und insbesondere zur Beaufsichtigung des jüngeren Sohnes eine in der Wohnung wohnende Kraft zu verwenden, was jedoch wegen der beengten Raumverhältnisse in ihrer derzeitigen Wohnung nicht möglich sei. Dadurch sei eine schwere Beeinträchtigung der Erziehung und Fortbildung ihrer Söhne und überhaupt des Familienlebens bedingt. Zum Beweis hiefür beriefen sich die Klägerinnen auf Lokalaugenschein und auf Parteienvernehmung. Obwohl die Stellung einer Ersatzwohnung zur Geltendmachung des Kündigungsgrundes wegen Eigenbedarfs nicht erforderlich sei, bieten sie der Beklagten, auch im Zusammenhang mit der Kündigung wegen Eigenbedarfs, zum Zwecke der Bestimmung der Interessenabwägung ihre oben bezeichnete Wohnung Zug um Zug gegen Räumung der aufgekündigten Wohnung und der Beschaffung der Hauptmietrechte daran als Ersatz an. Die Wohnung stehe sofort zur Verfügung, ebenso sei die Einräumung der Hauptmietrechte ohne Verzug möglich.

Die Kündigung sei jedoch für den Fall, dass die Dringlichkeit des Eigenbedarfes verneint werden sollte, im Sinne des § 19 Abs 1 MietG. gerechtfertigt. Nach der mit der Beklagten schon vor Ankauf des Hauses getroffenen Vereinbarung sei diese verpflichtet, ihre Wohnung gegen eine entsprechende Ersatzwohnung zu tauschen. Die angebotene und zur Verfügung stehende Ersatzwohnung sei als vollwertiger Ersatz anzusehen. Die Beklagte könnte daher auf Einhaltung des Tauschvertrages geklagt werden. Es seien ihr bereits achtzehn Ersatzwohnungen namhaft gemacht worden, die sie jeweils mit unstichhältigen Vorwänden nicht als entsprechend anzuerkennen erklärte. Dort, wo eine Räumungsklage möglich sei, könne auch nach der Rechtsprechung die Kündigung als der für den Mieter schonendere Rechtsbehelf gewählt werden. Da auch die Kündigung ebenso wie die Räumungsklage im Falle des Erfolges zur Räumung der Wohnung Zug um Zug gegen Zurverfügungstellung der Ersatzwohnung führen soll, sei die Kündigung auch aus diesem Grund, also selbst ohne Beweis eines dringenden Eigenbedarfes zulässig.

Die Beklagte bestritt in ihren Einwendungen das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes im Sinne des Mietengesetzes. Es sei zwischen der Beklagten und den Klägern ausdrücklich vereinbart worden, dass die Beklagte das von ihr bewohnte Haus, das nunmehr aufgekündigt ist, nur gegen Zurverfügungstellung einer gleichwertigen Ersatzwohnung im XVIII. oder XIX. Bezirk aufzugeben hätte. Es seien der Beklagten zwar eine große Zahl von Wohnungen in verschiedenen Stadtbezirken angeboten worden, die sie auch besichtigte, jedoch habe keine dieser Wohnungen den getroffenen Vereinbarungen entsprochen. Der geltend gemachte Eigenbedarf werde bestritten; sollte er bestehen, sei er selbst verschuldet. Hiezu wurde von der Beklagten im Verfahren noch ausgeführt, dass nur ein konstruierter Eigenbedarf vorliege. Es wäre ohneweiteres möglich gewesen, dass die kündigenden Parteien, richtig wohl die Erstklägerin mit ihrer Familie, eine der angebotenen Tauschwohnungen, insbesondere in Wien I., Schottenring 17, selbst beziehen. Es sei auch unrichtig, dass die Erstklägerin mit ihrer Familie die "Schlauchwohnung" bewohnen müsse. Sie sei vielmehr in ***** S*****gasse 19, (richtig S*****gasse 36/4) gemeldet und wohne auch dort. Die Beklagte bot für ihre Behauptungen auch Beweise in der Form eines Vertreters der Realitätenvermittlung Anna H***** und Parteienvernehmung an.

Die Klägerinnen bestritten ein Selbstverschulden, die Aufrechterhaltung der Wohnung am Schottenring konnte der Erstklägerin auf Grund dringender ärztlicher Empfehlungen nicht zugemutet werden; dass sich diese ärztlichen Empfehlungen betreffend ihren Sohn Andreas M***** als richtig erwiesen hätten, ergebe sich daraus, dass sich der Gesundheitszustand dieses Kindes seit der Übersiedlung aus dem Stadtgebiet wesentlich gebessert habe. Auch hiefür wurden Beweise angeboten.

Nach den vom Erstgericht vorgenommenen Lokalaugenscheinen steht Folgendes fest:

Das Haus in ***** P*****straße 7, wird von der Beklagten und ihrem Lebensgefährten bewohnt. Es ist ein einstöckiges Haus (Einfamilienhaus), bestehend aus einem großen Wohnzimmer, Küche, Speisekammer, Diele und Vorzimmer im Erdgeschoß, aus zwei Schlafzimmern, Kabinett, Bad und WC. sowie Vorraum im ersten Stock und aus einem Mansardenkabinett. Es besteht daher aus fünf Wohnräumen mit einem Ausmaß von 70 m2, dazu kommen Nebenräume mit ca 58 m2 und ein Dachboden mit ca 40 m2 Fläche. Das Haus hat Zentralheizung und mit Ausnahme des Mansardenraumes, der einen weichen Holzboden hat, Parkettboden. Das im Parterre gelegene große Zimmer hat eine doppelflügelige Glastür, die in den rückwärtigen Gartenteil führt. Der unverbaute Teil des Grundstückes sowohl vor wie hinter dem Haus, ebenso von der Straße aus links gesehen, ist als Garten angelegt. Die P*****straße ist durchwegs aufgelockert verbaut und weist beiderseits eine Allee auf. Der Zins für das aufgekündigte Objekt einschließlich aller Nebengebühren beträgt monatlich 410 S.

Die Wohnung der Erstklägerin in ***** K*****gasse 23 - 25, Tür 8, die als Ersatzwohnung angeboten wird, liegt im dritten Stock. Ein Lift ist nicht vorhanden. Das Haus ist eines von mehreren im Rahmen einer neuen Wohnhausanlage. Die Bauweise ist aufgelockert. Die Wohnung besteht aus zwei Zimmern, Küche, Bad, WC., Abstellraum, Vorzimmer und einer großen Terrasse. Die Raumhöhe der Wohnung beträgt ungefähr 2,55

m. Die Fußböden sind Weichholzschiffbretterböden; das Vorzimmer ist mit einem Gummifußbodenbelag versehen. Die monatlich zu bezahlende Benützungsgebühr beträgt 480 S. Diese Wohnung hat zwei Wohnräume mit ca 36 m2, wobei der eine nur durch den anderen erreichbar ist, und ca 18 m2 an Nebenräumen. Dazu kommt eine 33 m2 große Terrasse. Das Erstgericht hob, ohne Beweise über den behaupteten Eigenbedarf, über das Selbstverschulden an dem Eigenbedarf, über den Inhalt der zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarung (Räumungsverpflichtung der Beklagten gegen Leistung einer entsprechenden Ersatzwohnung oder gegen Leistung einer gleichwertigen Ersatzwohnung im XVIII. oder XIX. Bezirk) aufzunehmen, die Aufkündigung auf. Es stellte zwar fest, dass die Erstklägerin mit ihren beiden Söhnen im Alter von sechzehn und neun Jahren die Wohnung in ***** K*****gasse 23 - 25, Tür 8, die auch als Tausch- oder Ersatzwohnung angeboten wurde, bewohne, nahm aber den geltend gemachten Eigenbedarf nicht an. Wenn die Erstklägerin genötigt sei, eine Kraft zur Betreuung und Beaufsichtigung ihrer beiden Söhne anzustellen, so sei noch nicht einzusehen, warum diese auch ausgerechnet in der Wohnung wohnen müsse. Die Söhne der Erstklägerin seien schulpflichtig, der Ältere sogar schon sechzehn Jahre alt, so dass eine solche Aufsichtsperson ohnehin nicht voll ausgelastet würde. Es sei daher viel naheliegender anzunehmen, eine solche Kraft werde nur tagsüber beschäftigt werden, ohne in der Wohnung auch zu schlafen. Abends stünden die Söhne ja ohnehin, wie bisher, unter Aufsicht der Erstklägerin. Abgesehen davon wäre der Eigenbedarf, wenn er vorliegen würde, selbst verschuldet. Die Erstklägerin habe eine weitaus größere Wohnung in der inneren Stadt aufgegeben und sei in die gegenständliche Wohnung gezogen. Im Verfahren 4 C 288/58 sei ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt worden, der ausdrücklich erklärt habe, der Gesundheitszustand des neunjährigen Sohnes der Erstklägerin würde keineswegs eine solche Verlegung des Wohnsitzes an den Stadtrand erfordern. Wenn die Erstklägerin trotzdem ihre Stadtwohnung aufgegeben habe und in die gegenständliche Wohnung gezogen sei, so könne sie daraus keinen Eigenbedarf konstruieren. Darüber hinaus habe die Erstklägerin selbst zugegeben, sie hätte für ihre derzeitige Wohnung 100.000 S ausgeben müssen. Man könne ihr daher mit Recht vorhalten, dass sie um diesen Betrag zweifellos eine größere, ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung hätte beschaffen können. Zum Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 1 MietG. (Tauschvereinbarung) führte das Erstgericht aus: Die von den Klägerinnen angebotene Tauschwohnung sei kein im Sinne der Vereinbarung entsprechender Ersatz. Die Ersatzwohnung entspreche weder in ihrer Lage noch räumlich dem aufgekündigten Objekt. Während die aufgekündigte Einfamilienvilla inmitten eines Gartens liege, handle es sich beim angebotenen Ersatzobjekt um eine im dritten Stock gelegene Wohnung eines im Rahmen einer neuen Wohnhausanlage erbauten großen Wohnhauses. Vergleicht man aber noch die räumlichen Verhältnisse der beiden Objekte, so könne man auf keinen Fall die angebotene Wohnung als entsprechend und schon gar nicht als auch nur annähernd gleichwertig bezeichnen. Das aufgekündigte Objekt sei schon flächenmäßig und in ihrer räumlichen Einteilung fast doppelt so groß wie die angebotene Ersatzwohnung. Selbst wenn man von der Behauptung der klagenden Parteien ausgehen wollte, sie hätten sich verpflichtet, nicht eine gleichwertige, sondern eine entsprechende Ersatzwohnung zur Verfügung zu stellen, wäre ihr Anspruch abzuweisen, da bei Vergleich der beiden Objekte die angebotene Wohnung nicht einmal als entsprechend bezeichnet werden könne, wobei jedoch zu berücksichtigen sei, dass es sich hier um einen Titel aus einem Tauschvertrag handle und daher die Qualifikation "entsprechend" strenger beurteilt werden müsste, als dies etwa bei Vorliegen eines Eigenbedarfs zu geschehen hätte. Wenn die Parteien daher im fraglichen Tauschvertrag von einer entsprechenden Ersatzwohnung gesprochen haben, wie die Klägerinnen dies behaupten, so sei auch bei diesem Vertrag nach dem Parteiwillen zu fragen. Die Beklage habe aber, wie sich auch aus dem Vorprozess 4

C 288/58 ergab, unter einer entsprechenden Ersatzwohnung offensichtlich nicht eine um die Hälfte kleinere Wohnung verstanden. Dem Vorbringen der klagenden Parteien, sie hätten der Beklagten schon achtzehn Ersatzwohnungen namhaft gemacht, die sie jeweils als nicht entsprechend ablehnte, könnte mit Recht entgegengehalten werden, es komme nicht auf die Quantität der angebotenen Tauschwohnungen, sondern auf die Qualität an.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen nicht Folge, erklärte aber die Revision für zulässig. Es hielt eine Feststellung darüber, ob zwischen den Parteien eine Räumungsverpflichtung der Beklagten gegen Zurverfügungstellung einer entsprechenden Ersatzwohnung oder einer gleichwertigen Ersatzwohnung (im XVIII. oder XIX. Bezirk) vereinbart wurde, nicht für notwendig. Es verneinte gleich dem Erstgericht, dass die angebotene Tausch- (Ersatz-)wohnung entsprechend im Sinne des § 19 Abs 2 Z 6 MietG sei; ein strengerer Maßstab sei jedoch nicht anzuwenden. Als entsprechend sei eine Ersatzwohnung dann anzusehen, wenn sie ungefähr der aufgekündigten Wohnung entspricht. Gewiss müsse weder die Anzahl der Räume noch die Bodenfläche vollkommen gleich sein, doch müsse eine annähernde Gleichwertigkeit bestehen. Der Mieter müsse zwar gewisse zumutbare Nachteile in Kauf, doch brauche er keine einschneidenden Veränderungen auf sich nehmen. Im konkreten Fall bestehe die aufgekündigte Wohnung aus fünf Räumen mit einem Ausmaß von 70 m2, dazu kommen Nebenräume mit ca 58 m2 und ein Dachboden von ca 40 m2 Fläche. Die angebotene Ersatzwohnung habe dagegen nur zwei Wohnräume mit ca 36 m2, wobei der eine nur durch den anderen erreichbar sei, und ca 18 m2 an Nebenräumen. Dazu komme eine 33 m2 große Terrasse. Das aufgekündigte Bestandobjekt sei somit um ca die Hälfte größer als die Ersatzwohnung, habe fünf und nicht nur zwei Wohnräume, habe einen Garten und weise eine günstigere Verteilung der Räume auf. Dies bedeute einen derartigen Unterschied im Wohnaufwand, dass von einer Entsprechung der beiden Räume nicht die Rede sein könne. Da eine entsprechende Ersatzwohnung nicht angeboten wurde, konnte die behauptete Vereinbarung nicht wirksam sein. Zur Frage des Eigenbedarfs nahm das Berufungsgericht nicht unmittelbar Stellung. Wegen Eigenbedarfs könne ein Bestandverhältnis nur dann aufgekündigt werden, wenn den Vermieter an seinem Wohnungsbedarf kein Verschulden treffe. Verschuldet sei der Eigenbedarf aber nicht nur dann, wenn der Vermieter schuldhaft eine Sachlage schaffe, die ihn zwingt, zur Deckung seines Bedarfs auf die Wohnung seines Mieters zu greifen, sondern auch dann, wenn er eine Gelegenheit versäume, die es ihm ermöglicht hätte, seinen Bedarf anders als durch Kündigung zu decken. Im vorliegenden Fall hätten die Klägerinnen vorgebracht, dass sie für die Ersatzwohnung in ***** K*****gasse 23 - 25, einen Betrag von etwa 100.000 S ausgelegt haben. Die Nutzungsgebühr betrage monatlich 480 S. Da diese Wohnung jedoch den Bedürfnissen der Erstklägerin und ihrer beiden Kinder nicht entspreche, seien die Klägerinnen zur Kündigung genötigt. Dem sei entgegenzuhalten, dass es der Erstklägerin, einer Geschäftsfrau, ohne Zweifel möglich gewesen wäre, um diese Beträge eine Wohnung zu finden, die ihren behaupteten Bedürfnissen und denen ihrer beiden Kinder entspricht, dies um so mehr, wenn man noch in Betracht zieht, dass die Erstklägerin auch für den Erwerb des Hauses einen entsprechenden Betrag aufwenden musste, welchen sie zur Beschaffung einer ihr zusagenden Wohnung ohne Berücksichtigung der Mietrechte der Beklagten hätte verwenden können. Wenn sie dies unterlassen habe, so sei ihr Eigenbedarf als verschuldet anzusehen. Es erübrige sich somit, darauf einzugehen, ob der Eigenbedarf überhaupt gegeben, auch aus anderen Gründen verschuldet sei oder noch weitere Umstände zur Aufhebung der Kündigung führen müssten.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerinnen aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Weder die Ausführungen des Erstgerichtes zur Frage des Eigenbedarfs der Erstklägerin und zur Frage des Selbstverschuldens noch die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Frage des Selbstverschuldens halten einer Überprüfung stand. Wenn das Erstgericht meint, dem behaupteten Eigenbedarf der Erstklägerin könne schon dadurch abgeholfen werden, dass zur Betreuung und Beaufsichtigung der beiden mj. Söhne eine Kraft aufgenommen werde, die nicht in der Wohnung wohnen müsse, kann ihm nicht gefolgt werden. Es kann keineswegs als gerichtsbekannt angenommen werden, dass eine solche Kraft überhaupt zu finden ist. In der Revision wird auch mit Recht darauf verwiesen, dass diese Hilfskraft zumindest noch abends, wenn die Erstklägerin nach Hause kommt, anwesend sein müsse, um ihr persönlich die notwendigen Anordnungen für den nächsten Tag mitteilen zu können, ein Umstand, der es noch unwahrscheinlicher macht, dass eine solche Hilfskraft gefunden werden kann. Das Erstgericht hat es auch unterlassen, Erörterungen in dieser Hinsicht im Verfahren anzustellen. Es kann nicht gesagt werden, dass schon nach dem Vorbringen der Klägerinnen in der Aufkündigung der Eigenbedarf nicht gegeben ist. Es hätten darüber Beweise aufgenommen werden müssen. Das Verfahren vor dem Erstgericht, das von einer unrichtigen Rechtsansicht ausging, leidet daher an wesentlichen Feststellungsmängeln, so dass eine Beurteilung, ob Eigenbedarf tatsächlich vorliegt oder nicht, noch nicht möglich ist. Bei der in diesem Zusammenhang für den Fall der Bejahung des Eigenbedarfs notwendigen Interessenabwägung wird auch auf die angebotene Ersatzwohnung Rücksicht zu nehmen sein, auch wenn sie nicht entsprechend oder gar gleichwertig wäre (vgl Entscheidungen des OGH vom 27. 4. 1960, 5 Ob 151/60, ferner MietSlg 4630 ua). Auch die Ausführungen des Erstgerichtes und des Berufungsgerichtes zur Frage des Selbstverschuldens an dem behaupteten Eigenbedarf der Erstklägerin sind nicht stichhältig. Aus dem Umstand, dass die Klägerinnen der Beklagten verschiedene Ersatzwohnungen angeboten haben und für die jetzt von der Erstklägerin bewohnte Wohnung in der K*****gasse 23 - 25, Nr 8, 100.000 S ausgegeben werden mussten, kann nicht geschlossen werden, dass unter den angebotenen Wohnungen eine Wohnung gewesen wäre, die das Wohnungsbedürfnis der Erstklägerin und ihrer beiden Söhne unter Berücksichtigung, dass der neunjährige Sohn an Asthma leidet, befriedigen konnte, oder dass um 100.000 S eine geeignetere Wohnung hätte gefunden werden können. Wenn das Berufungsgericht darauf verweist, dass es der Erstklägerin, einer Geschäftsfrau, ohne Zweifel möglich gewesen wäre, eine Wohnung zu finden, die ihren behaupteten Bedürfnissen und denen ihrer beiden Kinder entspricht, so handelt es sich um eine Annahme, für die jede reale Grundlage im Verfahren fehlt. Dass die Klägerinnen das Haus P*****straße Nr 7 gekauft und dafür Geld ausgegeben haben, muss überhaupt außer Betracht bleiben, da sie sich unbestrittenermaßen bereits vor dem Ankauf mit der Beklagten über die Bedingung einer Räumung des Hauses durch die Beklagte in Verbindung gesetzt und mit dieser auch eine Vereinbarung getroffen haben, deren Inhalt allerdings bisher nicht feststeht. In dieser Vereinbarung kann auch nicht ein Verzicht auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen im Sinne des Mietengesetzes nach § 863 ABGB erblickt werden. Die Beweispflicht dafür, dass die Erstklägerin ein Selbstverschulden an dem Eigenbedarf trifft, das eine Kündigung wegen Eigenbedarfes ausschließt, trifft die Beklagte (vgl E des OGH MietSlg 7503 ua). Die Beklagte hat hiefür auch Beweise, die Klägerinnen haben Gegenbeweise angeboten. Da diese Beweise nicht aufgenommen und in dieser Hinsicht keine Feststellungen getroffen wurden, weil die Untergerichte von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgingen, leidet dieses Verfahren auch aus diesem Grunde an wesentlichen Feststellungsmängeln, die auch eine Stellungnahme zum verschuldeten oder nichtverschuldeten Eigenbedarf unmöglich machen. Ein entsprechender Ersatz erfordert die Beistellung dessen, was der Mieter unter Berücksichtigung seiner Verhältnisse bei der gegenwärtigen Wohnungsnot billigerweise fordern kann. Eine Gleichwertigkeit der Ersatzwohnung kann nicht verlangt werden. Es ist dabei nicht die geringere Wohnfläche oder Raumanzahl, die Unmöglichkeit der Unterbringung aller Möbel in der Ersatzwohnung, der Wegfall des Gartens entscheidend, es muss sich jedoch im Wesentlichen um eine Wohnung gleicher Kategorie handeln (vgl Entscheidungen des OGH ÖJZ 1948 EvBl Nr 620, ÖJZ 1951 EvBl Nr 288 und MietSlg 5860 ua). Berücksichtigt man, dass die Erstklägerin eine Wohnung für sich und zwei Kinder im Alter von sechzehn und neun Jahren, von denen das jüngere Kind an Asthma leidet, und sie möglicherweise für eine Aufsichtsperson, die im Wohnungsverband wohnen soll, benötigt, während die Beklagte allein ist und einen Lebensgefährten hat, kann nicht gesagt werden, dass der Beklagten die angebotene Ersatzwohnung nicht billigerweise bei der noch immer bestehenden Wohnungsnot zugemutet werden kann. Auch die verhältnismäßig geringe Mietzinsdifferenz fällt dabei nicht ins Gewicht. Nach der derzeitigen Aktenlage ist jedoch auch damit für die Klägerinnen noch nichts gewonnen. Es fehlt an einer Feststellung, ob nach der Vereinbarung zwischen den Parteien die Ersatzwohnung entsprechend, wie die Klägerinnen behaupten, oder gleichwertig und im XVIII. oder XIX. Bezirk gelegen sein muss, wie die Beklagte behauptet. Falls festgestellt würde, dass die Ersatz- oder Tauschwohnung gleichwertig sein muss, könnte der Aufkündigung aus dem Kündigungsgrund des § 19 Abs 1 MietG gegen Beistellung der angeführten Ersatzwohnung nicht Folge gegeben werden. Es werden daher auch darüber noch Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen sein.

Da das Berufungsgericht und auch das Erstgericht von einer anderen Rechtsansicht ausgingen, leidet das Verfahren an wesentlichen Feststellungsmängeln, die zur Aufhebung der Urteile beider Untergerichte und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung führen mussten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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