OGH 3Ob502/93

OGH3Ob502/933.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Astrid M*****, ***** vertreten durch den Vater Dr.Klaus M*****, ***** und Gregor M*****, ***** vertreten durch das Amt für Jugend und Familie des Magistrats der Stadt Wien für den 2. Bezirk, Karmelitergasse 9, 1020 Wien, infolge Revisionsrekurses des Kindes Gregor M***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 20.Dezember 1991, GZ 3 b R 185/91-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 23.Oktober 1991, GZ P 47/90-1, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der im Punkt 4) des zwischen den Eltern zu Sch 8/90 des Bezirksgerichtes Telfs am 9.März 1990 geschlossenen Vergleiches enthaltenen Vereinbarung, daß die Eltern im Hinblick auf die über die Obsorge getroffene Regelung wechselseitig auf Unterhaltszahlung für das jeweils in der "Pflege und Erziehung" des anderen Ehegatten befindliche Kind verzichten, in Ansehung des Kindes Gregor M***** entfällt.

Text

Begründung

Der Vater und die Mutter der minderjährigen Kinder haben am 1. September 1976 die Ehe geschlossen. Im Verfahren zur Scheidung ihrer Ehe im Einvernehmen schlossen die Eltern vor Gericht eine Vereinbarung, wonach die "elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der Tochter dem Vater und hinsichtlich des Sohnes der Mutter übertragen werden", diese Regelung nur bis Schulschluß 1990 gelte und eine Unterhaltsregelung getroffen werde, wenn die "elterlichen Rechte für beide Kinder an einen Elternteil zugewiesen werden", die gegenseitige Besuchsregelung vorbehalten wird und im Hinblick auf die Obsorgevereinbarung die Kindeseltern wechselseitig auf Unterhaltszahlung für das jeweils in der Pflege und Erziehung des anderen Elternteils befindliche Kind verzichten. Diese Regelung sollte vorbehaltlich der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung gelten. Die übrigen Vereinbarungen der Eltern betreffen deren gegenseitige Unterhaltsansprüche, die nacheheliche Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse und einen Verzicht auf eine Antragstellung in einem Aufteilungsverfahren.

Die Ehe der Eltern wurde am 9.März 1990 nach § 55 a EheG geschieden. Der Scheidungsbeschluß ist rechtskräftig.

Das Pflegschaftsgericht genehmigte nach Anhörung des Jugendwohlfahrtsträgers zunächst am 10.Mai 1990 nur die Vereinbarung der Eltern, wem von ihnen künftig die Obsorge für die Kinder allein zukommen soll (§ 177 Abs 1 ABGB). Am 25.Oktober 1991 erteilte das Erstgericht dem Vergleich der Eltern die "pflegschaftsgerichtliche Genehmigung".

Gegen diesen Beschluß rekurrierte das Amt für Jugend und Familie des Magistrats der Stadt Wien als Sachwalter nach § 212 Abs 2 ABGB des Sohnes.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Vergleichspunkt, wonach die Eltern wechselseitig auf Unterhaltszahlung für das jeweils in der Pflege und Erziehung des anderen Ehegatten befindliche Kind verzichtet haben, stelle keinen Eingriff in die Rechte der Kinder dar. Der Anspruch der Kinder gegen den anderen Elternteil auf Leistung des gesetzlichen Unterhalts bleibe dadurch unberührt. Die Vereinbarung der Eltern sei im Sinne einer Erfüllungsübernahme wirksam, doch könne das Kind dennoch - unbeschadet der Regreßansprüche - Unterhalt vom unterhaltspflichtigen Elternteil verlangen.

Der gegen diese Rekursentscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Sohnes wurde erst am 15.Dezember 1992 dem Obersten Gerichtshofes vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.

Daraus, daß die über die Obsorge getroffene Vereinbarung der Eltern schon am 10.Mai 1990 genehmigt wurde (§ 177 Abs 1 ABGB idF nach Art I Z 20 KindRÄG BGBl 1989/162), ohne daß allerdings aus den Akten ersichtlich wäre, daß dieser Beschluß ausgefertigt wurde, ergibt sich, daß der Beschluß des Erstgerichtes vom 23.Oktober 1991, gegen den der Sohn Rekurs erhoben hat, eine weitere Genehmigung des gerichtlichen Vergleiches betraf, also den Vergleichspunkt 4) über den wechselseitigen Verzicht auf Unterhaltsansprüche, der nur vorbehaltlich der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung gelten sollte. Der Vater hat sich auch in der Folge, als gegen ihn Unterhaltsansprüche des Sohnes erhoben wurden, auf diese pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vereinbarung berufen.

Es kann nicht gesagt werden, daß der Beschluß des Erstgerichtes Rechte des Sohnes unberührt ließ. Es wurde vielmehr der Anschein geschaffen, das Pflegschaftsgericht billige den Verzicht auf Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den Elternteil, dem die Obsorge nicht zukommt.

Wäre klar, daß es sich um eine bloße die Ansprüche der Kinder nicht schmälernde Vereinbarung beider Elternteile handelt, so hätte eine Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes über die Genehmigung zu entfallen. Das Rekursgericht ist offenbar auch nicht davon ausgegangen, daß die vom Sohn angefochtene Entscheidung dessen Rechtssphäre nicht betrifft, weil sonst der Rekurs nicht abzuweisen, sondern mangels Beschwer zurückzuweisen gewesen wäre. Die Eltern haben im Vergleich den wechselseitigen Verzicht von einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung dieser Vereinbarung abhängig gemacht. Eine solche Genehmigung hat jedoch zu unterbleiben. Wird die Vereinbarung dahin verstanden, daß die nach dem Gesetz den Kindern gegen die Eltern zustehenden Ansprüche auf Unterhalt dadurch beschränkt oder ausgeschlossen werden sollten, so kann sie nicht genehmigt werden, weil sie gegen das Wohl der Kinder verstößt. Ein Verzicht des Kindes auf den nach dem Gesetz zustehenden Unterhalt ist auch dann nachteilig, wenn der andere Elternteil vertraglich die Verpflichtung übernimmt, für den Unterhalt aufzukommen, weil nicht immer sichergestellt sein wird, daß dadurch der gesetzliche Unterhaltsanspruch nicht beeinträchtigt wird. Sollte aber die Regelung lediglich eine Schad- und Klagloshaltung des jeweils anderen Elternteils festlegen, wie das Rekursgericht meinte, so überschreitet das Pflegschaftsgericht seine Befugnisse, wenn es über eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung abspricht. Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs unterliegen Vereinbarungen, die nicht von den Kindern geschlossen werden und daher deren Rechtsposition nicht berühren, keiner Entscheidungsgewalt des Pflegschaftsgerichtes. Ob solche Vereinbarungen Dritter wirksam sind, bestimmt sich allein nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Da die Eltern aber gerade diese ihre Vereinbarung nur gelten lassen wollten, wenn sie pflegschaftsgerichtlich genehmigt wird, eine solche Genehmigung aber für den Fall der Beeinträchtigung der Rechte des Kindes nicht zu erteilen ist, für den Fall der Unberührtheit der Rechte der Kinder aber ausgeschlossen ist, ist die erteilte Genehmigung jedenfalls verfehlt.

Der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht, die Eltern dürften auch sonst nicht etwa vertraglich im Innenverhältnis vereinbaren, dem anderen Teil die Beträge zu ersetzen, die dieser für den Unterhalt des Kindes aufbringt, weil dies wirtschaftlich zu einer Verminderung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel führe, kann nicht beigetreten werden. Denn die Vereinbarungen eigenberechtigter Personen, die nicht unmittelbar in Rechte der minderjährigen Kinder eingreifen, unterliegen nicht der Überprüfung durch das Pflegschaftsgericht.

Hier kommt es aber allein darauf an, daß das Erstgericht eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung erteilte, die, sollte damit der gesetzliche Unterhaltsanspruch des Kindes geschmälert werden, diesem zum Nachteil gereicht und damit abzulehnen ist, sollte aber ohne Eingriff in Rechte des Kindes nur ein Vertrag zwischen den Eltern genehmigt werden, wegen der Überschreitung der Kompetenz des Pflegschaftsgerichtes auszuschalten ist.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Kindes ist dahin stattzugeben, daß die erteilte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Vergleichspunktes 4) zu unterbleiben hat.

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