Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §810
Außerstreitgesetz §145
Zivilprozeßordnung §6
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §810
Außerstreitgesetz §145
Zivilprozeßordnung §6
Spruch:
Wenn einer der Miterben selbst eine Klage gegen den Nachlaß eingebracht hat, so sind die übrigen Miterben berechtigt, den Nachlaß allein zu vertreten.
Entscheidung vom 17. September 1953, 3 Ob 484/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Maria M., Miterbin nach Katharina S., klagte im Verfahren 20 Cg 447/48 des Landesgerichtes für ZRS. Wien die Verlassenschaft nach Katharina S. auf Überlassung von Grundstücken. Die Verlassenschaft wurde im Prozesse von den Miterben Hermine P. und Rudolf S. vertreten, die den jetzigen Kläger bevollmächtigten, den Prozeß namens der Verlassenschaft zu führen.
Die damalige Klägerin drang nur teilweise durch, weshalb die Prozeßkosten gegenseitig aufgehoben wurden.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Verurteilung der Verlassenschaft zur Zahlung der Anwaltskosten. Da noch keine Einantwortung erfolgt ist, wurde zu Handen der Miterben Maria M., Hermine P. und Rudolf S. geklagt. In der ersten Tagsatzung haben Hermine P. und Rudolf S. den Klagsanspruch anerkannt, wogegen Maria M. mit der Begründung die Klagsabweisung beantragte, daß nur ihre Miterben den Kläger bevollmächtigt hätten und daß daher nur die Miterben, nicht aber die Verlassenschaft zur Zahlung der Vertretungskosten verbunden seien.
Die beklagte Partei hat auch die Höhe des Anspruches bestritten.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, daß der Kläger den Nachlaß vertreten habe und daher seinen Anspruch gegen den Nachlaß geltend machen könne.
Das Berufungsgericht pflichtete dem Erstrichter bei, daß der Anspruch begrundet sei. Es führte hiezu aus, Maria M. habe im Verfahren 20 Cg 447/48 des Landesgerichtes für ZRS. Wien zuerst die beiden Miterben als Vertreter des Nachlasses geklagt und am 3. Juli 1944 zutreffend die Bezeichnung der beklagten Partei dahin richtiggestellt, daß die Klage gegen die Verlassenschaft nach Katharina S., vertreten durch die erbserklärten Erben Hermine P. und Rudolf S., gerichtet wird. Daher habe der Kläger den Nachlaß vertreten. Wenn der Prozeß schon zu Lebzeiten der Erblasserin geführt worden wäre, hätten die Kosten auch den Nachlaß vermindert. Das Innenverhältnis zwischen den Miterben sei für den Kostenanspruch des Klägers gegen die Verlassenschaft nicht von Belang. Gleichwohl hob das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz auf. Es erachtet die Sache nicht für spruchreif, da in erster Instanz zur Höhe des Anspruches keine ausreichende Erörterung stattgefunden habe.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der beiden Streitteile nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zum Rekurse der beklagten Partei:
Darin wird unter Hinweis auf die Entscheidung GlUNF. Nr. 2237 ausgeführt, daß im Falle eines Streites zwischen zwei Erbengruppen die Prozeßkosten den Nachlaß nicht belasten könnten. Dies ergebe sich auch daraus, daß sonst Miterben und Nachlaßgläubiger durch eine unnötige Prozeßführung schwer geschädigt werden könnten. Der Anwalt der über Auftrag eines Miterben namens der Verlassenschaft einen Prozeß führt, bleibe Beauftragter des Miterben und könne gegen die Verlassenschaft keinen Anspruch geltend machen. Die Kosten des Vorprozesses hätten das Vermögen der Erblasserin nie belasten können, da die Erblasserin den Prozeß nicht geführt hätte. Die Verlassenschaft hatte gar keinen Anlaß, den Prozeß zu führen, da sie im Falle des Obsiegens die strittige Liegenschaft an den Legatar Alfred G. herausgegeben hatte. Der Prozeß sei daher nur im Interesse des Genannten geführt worden. Der Klagsanspruch sei auch nicht fällig, da der Kläger der Verlassenschaft nicht Rechnung gelegt habe.
Diesen Ausführungen vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizutreten.
Die Frage, ob der Vorprozeß hätte vermieden oder wenigstens abgekürzt werden können und wessen Erbteil durch die Zahlung der Vertretungskosten geschmälert werden wird, kann im vorliegenden Verfahren auf sich beruhen.
Es ist dem Rekurs zuzugeben, daß vor der Einantwortung, solange ein Beschluß gemäß § 810 ABGB., § 145 AußstrG. nicht ergangen ist, der Nachlaß nur zu Handen aller erbserklärten Erben geklagt werden kann. Die von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes gemachte Ausnahme, daß die Klage gegen einen bestimmten Miterben nicht erhoben werden muß, der den Klagsanspruch anerkennt, kam im Prozesse der Maria M. gegen die Verlassenschaft nicht in Betracht. Wird aber erwogen, daß die Miterben im Prozesse gegen die Verlassenschaft nur als deren Vertreter und nicht persönlich beklagt sind, wird man ihre Vertretungsbefugnis dann verneinen müssen, wenn sie selbst eine Klage gegen den Nachlaß eingebracht haben. Wegen der bestehenden Interessenkollision muß man in Fällen dieser Art den übrigen Miterben das Recht einräumen, den Nachlaß allein zu vertreten. Die beklagte Verlassenschaft war daher durch die Miterben Hermine P. und Rudolf S. in dem von der Miterbin Maria M. gegen die Verlassenschaft eingeleiteten Prozesse ordnungsmäßig vertreten. Die genannten Miterben konnten aber auch dem Kläger die Vollmacht für die Verlassenschaft erteilen und diese ist folgerichtig verpflichtet, dem Kläger die Anwaltskosten zu bezahlen.
Ob die Erben die Prozeßführung für nötig erachteten und wann sie sich zur Beendigung des Prozesses entschlossen, war ihre Sache.
Der Kostenanspruch des Klägers stand damit in keinem Zusammenhange.
Daher haben die Untergerichte den Klagsanspruch mit Recht als gegeben angesehen.
Der Hinweis der beklagten Partei auf die oben zitierte Entscheidung GlUNF. Nr. 2237 kann die Rechtslage nicht ändern, da diese Entscheidung nur ausspricht, daß jeder einzelne Miterbe berechtigt ist, einen Dritten auf Herausgabe von Erbschaftssachen zu klagen.
Die Fälligkeit des Anspruches ist jedenfalls durch die Klagszustellung eingetreten. Einer weiteren Rechnungslegung bedurfte es zur Fälligstellung nicht, da die beklagte Partei auf Grund der Klagsangaben in der Lage war zu Grund und Höhe des Begehrens Stellung zu nehmen.
Zum Rekurse des Klägers:
Wenn auch das Klagsvorbringen im Sinne der obigen Ausführungen nicht unbedingt einer Ergänzung bedürfte, ist doch dem Berufungsgerichte beizupflichten, daß in der mündlichen Streitverhandlung die strittige Höhe des Anspruches nicht genügend erörtert worden ist. Die Errechnung der Klagssumme kann nur auf Grund von Verweisungen auf verschiedene Aktenstücke des Voraktes erfolgen, wodurch das Klagsvorbringen unpräzise erscheint. Ein solches durfte aber der Richter im Falle einer Bestreitung der Entscheidung nicht zugrunde legen; es wäre vielmehr die Höhe der einzelnen Posten zu erörtern gewesen.
Aus diesem Gründe war der angefochtene Beschluß zu bestätigen.
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