Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil, das in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem das Mehrbegehren abweisenden Teil sowie in seiner Kostenentscheidung aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfange zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses wird auf die Kosten des Revisionsverfahren gleich weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens Bedacht zu nehmen haben.
Text
Begründung
Der Kläger hatte vom Beklagten folgende Darlehen erhalten:
Am 18. 4. 1958 S 39.000,-
am 23. 5. 1959 S 80.000,-
am 19. 6. 1969 S 50.000,-.
Hinsichtlich des am 23. 5. 1959 zugezählten Darlehens von S 80.000 samt Zinsen und Kosten erwirkte der Beklagte gegen den Kläger den Wechselzahlungsauftrag des Landesgerichtes Feldkirch vom 14. 7. 1960 (6 Cg 1801/60).
Auf Grund des Antrages des Klägers vom 31. 8. 1960 eröffnete das Landesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 7. 9. 1960 (Sa 16/60) über das Vermögen des Klägers das Ausgleichsverfahren. In diesem Verfahren meldeten der Beklagte auf Grund des Wechselzahlungsauftrages die Forderung von insgesamt S 83.648,65 (Nr 56 des Anmeldungsverzeichnisses) und dessen Ehefrau Rosina L***** die restliche Darlehenssumme samt Zinsen von S 98.578,04 (Nr 57 des Anmeldungsverzeichnisses) an. Beide Ansprüche blieben unbestritten. Am 19. 5. 1961 wurde der Ausgleich bestätigt, nach dem der Kläger die Forderungen der nichtbevorrechteten Gläubiger mit 80 % zu erfüllen hatte. Zum Sachwalter der Gläubiger wurde der bisherige Ausgleichsverwalter Rechtsanwalt Dr. Gurschler und mit 27. 1. 1964 zu dessen Nachfolger Rechtsanwalt Dr. Kurt Purtscher bestellt. Das Ausgleichsverfahren wurde gemäß § 55 Abs 2 AO am 25. 10. 1961 aufgehoben. Die Sachwalterschaft wurde am 28. 5. 1965 für beendet erklärt.
Zur Berichtigung der vom Beklagten und dessen Ehefrau angemeldeten
Forderungen zahlte der Kläger
am 13. 12. 1962 S 79.862,40
am 16. 4. 1965 S 65.918,32.
Auf Grund des eingangs erwähnten Wechselzahlungsauftrages vom 14. 7. 1960 beantragte der Beklagte zur Hereinbringung seiner Forderung von S 80.000 sA wider den Kläger die Fahrnisexekution. Die Exekution wurde antragsgemäß bewilligt und vollzogen. Am 1. 3. 1968 verwies das Exekutionsgericht den Kläger mit einem gemäß § 40 EO gestellten Einstellungsantrag auf den Rechtsweg.
In seinen Einwendungen gegen den im Exekutionswege geltend gemachten Anspruch behauptet der Kläger, er habe die Forderung des Beklagten nach Maßgabe des Ausgleichs voll befriedigt, der Anspruch aus dem Wechselzahlungsauftrag sei daher erloschen. Diesem Vorbringen hielt der Beklagte entgegen, der Kläger habe sich nach Aufhebung des Ausgleichs verpflichtet, dem Beklagten auch den Ausfall zu vergüten. Zu einer derartigen Verpflichtungserklärung, entgegnete der Kläger, sei er infolge der erst 1965 beendeten Sachwalterschaft nicht berechtigt gewesen.
Der Erstrichter erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Er stellte zusätzlich fest, daß am 18. 6. 1964 der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten im Beisein einer Zeugin, den Kläger an dessen frühere Zusage, die Darlehensschuld kontokorrentmäßig mit 10 % zu verzinsen, die Kosten und Spesen zu übernehmen und die Ansprüche grundbücherlich sicherzustellen, erinnert habe. Nach einigem Sträuben habe der Kläger ausdrücklich erklärt, seinen Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten ohne Rücksicht auf den inzwischen abgeschlossenen Ausgleich voll nachzukommen. Eine derartige nach rechtskräftig abgeschlossenem Ausgleich abgegebene Erklärung sei rechtswirksam. Dennoch sei dem Klagebegehren stattzugeben, weil ein nach § 53a AO zustandegekommener Exekutionstitel einen für dieselbe Forderung früher erlangten Titel zur Gänze beseitige.
Infolge Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das dem Klagebegehren stattgebende Ersturteil hinsichtlich eines Teilanspruches von S 64.000 samt 6 % Zinsen seit 4. 6. 1960, S 446,40 Protestspesen, S 351,29 Kosten und der Kosten der Exekutionsbewilligung von S 389,34, wies jedoch hinsichtlich des weiteren Betrages (S 16.000 samt 6 % Zinsen seit 4. 6. 1960, S 111,60 Protestspesen, S 87,82 Kosten und S 346,11 Exekutionskosten) das Klagebegehren in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung ab. Das Berufungsgericht ging hiebei von dem vom Erstrichter festgestellten Sachverhalt aus, da dieser vom Kläger in dessen Berufungsmitteilung weder schlüssig bekämpft noch auch sonst bemängelt worden sei. Das Berufungsgericht sei daher nicht in der Lage die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters über die Zusage des Klägers vom 18. 6. 1964 zu überprüfen. Diese Zusage sei für den Kläger rechtsverbindlich. Durch den nach § 53a AO gewonnenen Exekutionstitel sei jedoch der für dieselbe Forderung erlangte ältere Exekutionstitel so weit vernichtet worden, als durch die unbestrittene Eintragung der Forderung in das Anmeldungsverzeichnis gemäß § 53a AO ein Exekutionstitel geschaffen wurde. Die Revision des Klägers bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit, als das Klagebegehren abgewiesen wurde, aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Klage zur Gänze Folge gegeben werde, es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist begründet.
Mit Recht wendet sich der Kläger gegen die Rechtsansicht des
Berufungsgerichtes, es sei mangels einer Beweisrüge des
Berufungsgegners nicht in der Lage gewesen, die Richtigkeit der
Tatsachenfeststellungen des Erstrichters über die Zahlungszusage des
Klägers vom 18. 6. 1964 zu überprüfen, es sei vielmehr an diese
Tatsachenfeststellung gebunden. In wiederholten Entscheidungen hat
der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht vertreten, daß die im
Verfahren I. Instanz siegreiche Partei nicht genötigt ist, in der
Berufungsmitteilung oder in der Berufungsverhandlung die ihr
ungünstigen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils zu
bekämpfen, wenn sie diese Feststellungen im Revisionsverfahren
angreifen will (SZ XXVI 262 = JBl 1954 S 307, 3 Ob 156/65, 5 Ob
332/68). Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von
dieser Rechtsprechung abzugehen. Im vorliegenden Fall hat der
Erstrichter festgestellt, der Kläger habe ausdrücklich erklärt,
seinen Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten ohne Rücksicht auf den
inzwischen abgeschlossenen Ausgleich voll nachzukommen. Trotz dieser
Feststellung hat er aus rechtlichen Erwägungen im Sinne des
Klagebegehrens erkannt. Der Kläger war daher nicht verpflichtet, im
Berufungsverfahren die Richtigkeit dieser Feststellung zu bekämpfen.
Da jedoch das Berufungsgericht in seinem das Ersturteil zum Teil
abändernden Erkenntnis die Tatsachenfeststellung des Erstrichters
über dessen Verpflichtungserklärung seinem Spruche zugrunde gelegt
hat, steht dem Kläger die Möglichkeit offen, die erstrichterliche
Feststellung im Revisionsverfahren zu bekämpfen. Es handelt sich
hiebei um eine für die Entscheidung wesentliche
Tatsachenfeststellung, sodaß das Berufungsverfahren zufolge der
unrichtigen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es sei an die
Feststellung des Erstrichters gebunden, mangelhaft geblieben ist.
Schon diese Erwägungen müßten zu einer Aufhebung des Berufungsurteils führen.
Den Rechtsausführungen des Klägers in dessen Revision kann allerdings nicht gefolgt werden.
Die Rechtsansicht des Klägers, die unbestrittene Eintragung einer Forderung in das Anmeldungsverzeichnis beseitige einen vor dem Ausgleichsverfahren ersiegten Exekutionstitel auch hinsichtlich des die Ausgleichsquote übersteigenden Betrages, widerspricht Lehre und Rechtsprechung. Es genügt in diesem Zusammenhang ein Hinweis auf die vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen. Daraus, daß auch nach Erfüllung des Ausgleichs die die Ausgleichsquote übersteigende nichtbezahlte Forderung als natürliche Verbindlichkeit fortbesteht, kann nicht geschlossen werden, daß der gemäß § 53a AO neu geschaffene Exekutionstitel einen älteren auch hinsichtlich des die Ausgleichsquote übersteigenden Betrages unwirksam macht. Den Erwägungen des Klägers, daß ein der Wirksamkeit beraubter Exekutionstitel durch ein Anerkenntnis nicht wieder wirksam gemacht werden könnte, kommt im vorliegenden Fall daher keine rechtliche Bedeutung zu.
Der Kostenausspruch stützt sich auf § 52 ZPO.
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