Spruch:
Ein Versicherungsvertrag kommt durch verspätete Zusendung einer Polizze nach Ablauf der Bindungsfrist nicht zustande, auch wenn die verspätete Zusendung unbeanstandet bleibt. Zur Frage der Anwendbarkeit der §§ 38, 39 VersVG. bei Ersatzpolizzen.
Entscheidung vom 6. November 1957, 3 Ob 459/57.
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Beklagte ist Eigentümer eines Lastkraftwagens Klöckner - Humboldt - Deutz. Dieser Wagen war bei der Klägerin haftpflicht- und teilweise gegen Brand und Entwendung versichert. Zur Vermeidung einer Unterversicherung mußte der Beklagte wiederholt einer Erhöhung der Prämie zustimmen. Die Zahlung der erhöhten Prämien wurde dem Beklagten beschwerlich. Die Tochter des Beklagten, Dr. Leopoldine K., die die Versicherungsangelegenheiten für den Beklagten erledigte, brachte dies gelegentlich in der Filiale der klagenden Partei zur Sprache. Die Beamtin der Klägerin Seraphine Kl. machte ihr daraufhin den Vorschlag, die Versicherung gegen Entwendung aufzulassen und nur eine Haftpflicht- und Feuerversicherung abzuschließen. Sie trug der Tochter des Beklagten auf, bei ihrer nächsten Vorsprache die alte Polizze mitzubringen. Am 22. Mai 1951 wurde für den klagsgegenständlichen Lastkraftwagen eine Haftpflicht- und Feuerversicherung mit Versicherungsbeginn am 22. August 1951 vom Beklagten durch seine Tochter beantragt. Die Tochter des Beklagten unterfertigte aus diesem Anlasse zwei Antragsformulare in Vertretung ihres Vaters.
Am 22. August 1951 lief die Versicherungsperiode 1950/51 der mit Beginn am 12. März 1947 auf 10 Jahre abgeschlossenen Versicherung ab. Es wurde die Halbjahrsprämie für die Versicherungsperiode 1951/52 fällig. Anläßlich der Unterfertigung der Antragsformulare machte Seraphine Kl. als Bevollmächtigte der Klägerin die Tochter des Beklagten darauf aufmerksam, daß die alte Versicherung mit Wirkung vom 22. August 1951 aufgelöst sei und der neue Versicherungsschein unverzüglich durch Zahlung der Prämien eingelöst werden müsse, da sonst keine Deckung bestunde. Eine besondere schriftliche Zusage, daß der Versicherungsschutz schon vor Einlösung der neuen Polizze beginnen sollte, wurde nicht gemacht. Mundliche Abmachungen sollten nach dem neuen Vertrag keine Gültigkeit haben. Eine Vereinbarung des Inhaltes, daß die alte Versicherung, ungeachtet des Beginnes der Haftung aus dem neuen Vertrage, aufgelöst sei, wurde nicht ausdrücklich getroffen. Die Klägerin übersandte dem Beklagten die neue Polizze erst am 21. August 1951, also lange nach Ablauf der Monatsfrist, innerhalb welcher der Beklagte an seinen Antrag gebunden sein sollte. Zugleich mit der Polizze übersandte sie dem Beklagten einen Erlagschein und gab ihm bekannt, daß die Haftung erst nach Zahlung der Prämien eintrete. Nochmals, und zwar am 5. September 1951, übersandte die Klägerin dem Beklagten einen Erlagschein mit der gleichen Bemerkung. Der Beklagte bezahlte die Halbjahrsprämie für die neue Polizze erst am 19. November 1951, also erst nach dem Verkehrsunfall vom 10. September 1951, bei welchem der der S.-Kraftfahrbetriebsgesellschaft m. b. H. in O. gehörige Omnibus beschädigt wurde. Der Beklagte und dessen Kraftfahrer Friedrich P. wurden wegen dieses Unfalles von der geschädigten Gesellschaft in Anspruch genommen. Die Klägerin zahlte im Vergleichswege an die geschädigte Gesellschaft, an deren Anwalt und an den Anwalt des Beklagten den Betrag von zusammen 10.239 S 45 g, der der Höhe nach unbestritten ist.
Die Klägerin begehrt, gestützt auf diesen Sachverhalt, vom Beklagten gemäß § 158f VersVG. den Ersatz dieser Auslagen mit der Behauptung, daß der Beklagte im Zeitpunkte des Unfalles mit seiner Prämienzahlung im Rückstande gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß auf Grund des neuen Vertrages Ansprüche wohl nicht erhoben werden könnten. Es sei aber bei Abschluß des neuen Vertrages der alte Vertrag nicht ausdrücklich aufgehoben worden; das alte Versicherungsverhältnis laufe daher weiter, der Versicherer könne sich von der Haftung aus dem alten Vertrage nur nach den Bestimmungen des § 39 VersVG. befreien. Es könne nicht Vertragsabsicht gewesen sein, daß der Versicherungsnehmer bis zur Zahlung der Anfangsprämie für den neuen Vertrag ohne Deckung bleiben solle. Das wäre aber der Fall gewesen, da eine Zusage, daß der Versicherungsschutz schon vor Einlösung des Versicherungsscheines beginnen solle, nicht in verbindlicher, nämlich schriftlicher, Form getroffen worden sei (§ 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung und Antrag vom 22. Mai 1951 im neuen Polizzenakt).
Das Berufungsgericht erkannte in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils im Sinne des Klagebegehrens. Es ging von den erstgerichtlichen Feststellungen aus und schloß daraus, daß der Wille der Parteien dahin gegangen sei, die alte Versicherung durch eine neue mit dem Versicherungsbeginn 22. August 1951 zu ersetzen. Der Beklagte müsse das Handeln seiner Tochter gegen sich gelten lassen, weil sie in seiner Vertretung und in seinem Vollmachtsnamen gehandelt und er es unterlassen habe, bei Annahme der neuen Versicherungspolizze die Klägerin sofort davon zu benachrichtigen, daß seine Tochter zur Antragstellung bezüglich eines neuen Versicherungsvertrages nicht ermächtigt gewesen sei. Gehe man von dem Parteiwillen aus, dann sei es nicht notwendig gewesen, daß der alte Versicherungsvertrag durch eine schriftliche Vereinbarung ausdrücklich aufgehoben wurde.
Die entscheidende Frage sei, ob zwischen den Parteien ein neuer Versicherungsvertrag überhaupt zustande gekommen sei. Hier sei nun davon auszugehen, daß der Beklagte nach seinem Antrag vom 22. Mai 1951 nur einen Monat an seinen Antrag gebunden sein sollte. Die Klägerin habe nicht innerhalb dieser Frist die Annahme erklärt, sondern offenbar erst durch Übersendung der Versicherungspolizze am 21. August 1951. Es stelle dies ein neuerliches Anbot der Klägerin dar - das Anbot des Beklagten habe infolge Überschreitung der Bindungsfrist als abgelehnt zu gelten -; fraglich sei demnach nur, ob der Beklagte dieses Anbot der Klägerin in der Folge angenommen habe. Diese Frage sei im Hinblick auf das Stillschweigen des Beklagten und die tatsächliche Zahlung der Versicherungsprämien am 19. November 1951 zu bejahen.
Das Stillschweigen des Beklagten müsse im gegenständlichen Falle als Annahme des neuen Antrages der Versicherungsgesellschaft gewertet werden, weil der Beklagte nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte hätte reden müssen. Der Beklagte habe aber weder auf die Übersendung der Versicherungspolizze noch auf die Übersendung des zweiten Erlagscheines, je mit beigefügten Belehrungen, reagiert, vielmehr am 19. November 1951 die Halbjahresprämie für die neue Versicherung gezahlt. Er habe also zu erkennen gegeben, daß er sich an seinen ursprünglichen Antrag noch immer gebunden fühle, jedenfalls aber, daß er das neue Anbot der Versicherungsgesellschaft annehme. Der neue Versicherungsvertrag sei demnach, wenn auch nicht am 22. Mai 1951, so doch in der Folge durch die Annahme des neuen Offertes der Versicherungsgesellschaft, gestellt durch Übersendung der neuen Versicherungspolizze im August 1951, zustande gekommen. Hiedurch sei gleichzeitig der alte Versicherungsvertrag nach dem Willen der Parteien aufgelöst worden.
Da der Beklagte im Zeitpunkte des Eintrittes des Versicherungsfalles (10. September 1951) die erste Prämie für die neue Versicherung noch nicht gezahlt habe, sei die Klägerin gemäß § 38 VersVG. für diesen Schadensfall von der Verpflichtung zur Leistung frei. Gemäß § 158c VersVG. habe sie aber der "S." gegenüber die Schadensliquidation vornehmen müssen. Gemäß § 158f VersVG. sei die Forderung der "S."
gegen den Beklagten auf sie übergegangen; es sei daher nach dem Klagebegehren zu erkennen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es kann dem Berufungsgerichte darin gefolgt werden, daß nach den Feststellungen des Erstgerichtes als der bei Stellung des Antrages vom 22. Mai 1951 maßgebende Wille der Parteien angesehen werden muß, daß die alte Versicherung durch eine neue mit dem Versicherungsbeginn 22. August 1951 ersetzt werden sollte. Der Beklagte wollte - was der Klägerin bekannt sein mußte, da die Anregung von ihr ausging - den alten Versicherungsvertrag novieren (§§ 1376 ff. ABGB.). Die erste Frage, die zu lösen ist, ist daher, ob und wann dieser Neuerungsvertrag zustande gekommen ist, da jedenfalls erst dann die vorige Hauptverbindlichkeit aufgehört und die neue zugleich ihren Anfang genommen hätte (§ 1377 ABGB.).
Es kann dem Berufungsgerichte auch darin gefolgt werden, daß die Übersendung der neuen Versicherungspolizze an den Beklagten am 21. August 1951 als eine verspätete Annahmeerklärung anzusehen ist, die aber infolge des Erlöschens des Antrages des Beklagten - die Klägerin hatte nicht innerhalb der Annahmefrist von einem Monat die Annahme erklärt - als die Stellung eines neuen Antrages seitens des Versicherers aufzufassen ist. Der in der Zusendung der Polizze gelegene neue Antrag konnte stillschweigend angenommen werden.
Die erste in diesem Rechtsstreite zu lösende Frage ist nun, wann eine solche Annahme erfolgt ist, und in diesem Zusammenhange, ob die unbeanstandet gebliebene Zusendung der Annahmeerklärung, die als neues Offert anzusehen ist, als Annahme angesehen werden kann. Hier hat nun das deutsche Reichsgericht in der Entscheidung HRR. 1929 Nr. 1559 den allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, daß bei einer kurzfristigen (sechstägigen) Überschreitung der Bindungsfrist die unbeanstandet gebliebene Zusendung einer solchen Erklärung als Annahme anzusehen ist, weil bei einem solchen nur formell neuen Angebot der (nunmehr) Antragende unter regelmäßigen Umständen nicht damit rechnen müsse, daß der nunmehrige Antragsgegner, der ihm den Vorschlag selbst kurz vorher unterbreitet habe, die gleichen Überlegungen anstelle wie gegenüber einem sachlich neuen Antrag. Der Antragende werde mit solchen Maßnahmen im allgemeinen nur dann zu rechnen haben, wenn seit der Stellung des ersten, von ihm zu spät angenommenen Vertragsantrages Umstände eingetreten seien, von denen eine Änderung der sachlichen Entschließungen des damaligen Antragstellers zu erwarten war, oder wenn wegen der Länge der seitdem verflossenen Zeit schon an sich die Möglichkeit solcher Entschlußänderungen nahe liege. Das westdeutsche Bundesgericht hat in seiner Entscheidung VR. 1951 S. 114 diesen Rechtssatz auch auf Versicherungsverträge angewendet.
Es mag dahingestellt bleiben, ob dieser allgemeine Rechtssatz auch für das österreichische Versicherungsrecht - er ist auch im deutschen Rechtsgebiet von Professor Ebel, VR. 1951 S. 116, bestritten worden - vertretbar ist, das von dem Grundsatz ausgeht, daß eine stillschweigende Erklärung nur dort anzunehmen ist, wo ein rechtserheblicher Wille in schlüssiger Weise zum Ausdruck gebrachtwird, wo also das Verhalten des Annehmenden mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund übrig läßt, an seinem Willen zu zweifeln (§ 863 Abs. 1 ABGB.). Ein solcher Schluß kann nicht gezogen werden, wenn der nunmehrige Antragsgegner einfach geschwiegen und auf mehrere Mahnungen in keiner Weise reagiert hat, dies in der Erwägung, daß es eine Vertragssitte weder im bürgerlichen noch im Handelsrechte gibt - § 362 HGB. und ähnliche Fälle ausgenommen -, in der dem Schweigen schlechthin bereits die Bedeutung der Zustimmung zu einem Vertragsanbot beigelegt wird (OG. Brünn, Slg. 5409).
Aber auch wenn man sich der in der Entscheidung des deutschen Reichsgerichtes und des westdeutschen Bundesgerichtes vertretenen Auffassung anschließen wollte, könnte man im konkreten Falle eine stillschweigende Zustimmung nicht annehmen, richtiger fingieren, weil die Verhältnisse anders liegen. Im Falle der letzterwähnten deutschen Versicherungsentscheidung lag eine nur viertägige Überschreitung der Bindungsfrist vor, im vorliegenden Falle ist es aber eine zweimonatige. Es kann bei einer solchen Überschreitung keineswegs ohne weiteres ausgeschlossen werden, daß der Versicherungsnehmer in diesem langen Zeitraum nicht seine Auffassung geändert hat und nach neuerlicher Überlegung zur Überzeugung gekommen ist, daß es für ihn doch vorteilhafter ist, wieder eine etwas höhere Prämie zu zahlen und dafür auch weiterhin gegen Einbruch versichert zu sein.
Ferner handelte es sich im deutschen Fall um eine Erstversicherung, bei der der Versicherungsnehmer die erste Versicherungsprämie schon vor Abschluß des Versicherungsvertrages und vor dem festgesetzten Versicherungsbeginn gezahlt hatte; diesmal aber handelt es sich nur um eine Ersatzpolizze. Das Interesse des Versicherungsnehmers am Abschluß der Versicherung ist bei einer Ersatzversicherung weit geringer als bei einer Erstversicherung; im ersteren Falle ist der Versicherungsnehmer versichert, auch wenn die Ersatzversicherung nicht zustande kommt, während bei der Erstversicherung der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz erst durch den Vertragsabschluß gewinnt.
Dazu kommt noch, daß im deutschen Fall das Bundesgericht als weiteres Argument anführen konnte, daß der Versicherungsnehmer zwar die Einlösung der Polizze unterlassen, aber auch nicht die vorausgezahlte Prämie zurückgefordert hatte, woraus der Fortbestand seines Versicherungswillens zu entnehmen sei. Im vorliegenden Falle hat aber der Versicherungsnehmer überhaupt nichts unternommen; er hat weder auf die Zusendung der Polizze noch auf eine weitere Mahnung reagiert. Erst nach dem Unfall, also nach Monaten, erinnerte sich der Versicherungsnehmer an den Versicherungsvertrag und übersandte die Prämie. Bei diesem Sachverhalt kann man nicht annehmen, daß der Ersatzversicherungsvertrag durch die unbeanstandete Annahme der verspätet übersandten Versicherungspolizze rechtswirksam abgeschlossen worden ist, da eine Verkehrssitte im Versicherungsgewerbe nicht besteht, wonach ein Versicherungsvertrag durch verspätete Zusendung der Polizze nach Ablauf der Bindungsfrist zustande kommt, wenn die verspätete Zusendung unbeanstandet bleibt. Ein solcher Standpunkt ist auch in der deutschen Rechtsprechung und in der deutschen Lehre niemals vertreten worden.
Im gegenständlichen Falle ist demnach der neue Versicherungsvertrag erst am 19. November 1951 durch Zahlung und unbeanstandete Annahme der vereinbarten Versicherungsprämie für die neue Versicherung zustande gekommen. Im Zeitpunkte des Eintrittes des Versicherungsfalles war also die am 12. März 1947 auf zehn Jahre abgeschlossene Versicherung zur ursprünglichen Polizze noch in Kraft, der Versicherer konnte sich von der Haftung aus dem alten Vertrage nur nach den Bestimmungen des § 39 VersVG. befreien, was er unbestrittenermaßen unterlassen hat. Er kann demnach nicht im Sinne des § 158f VersVG. vom Versicherten Ersatz begehren.
Aber auch abgesehen von der verspäteten Zusendung der Ersatzpolizze ist die Klage abzuweisen.
Mit der Frage der Anwendbarkeit des § 38 bzw. des § 39 VersVG. (bzw. der analogen Paragraphen des alten österreichischen Rechtes) bei Ersatzpolizzen hat sich die Judikatur mehrmals beschäftigt. Die älteste Entscheidung stammt vom Brünner Obersten Gerichtshofe (Slg. 7730), aus einer Zeit, da in der Tschechoslowakei die Verzugsfolgen der nicht rechtzeitigen Zahlung der Prämie noch nicht gesetzlich, sondern nur durch Versicherungsbedingungen geregelt waren. In dem zur Entscheidung gelangten Falle handelte es sich um die einverständliche Übertragung einer Unfallversicherungspolizze auf den Erwerber eines versicherten Lastkraftwagens, wobei der Erwerber gleichzeitig die Versicherungssumme erhöhte. Das Brünner Oberste Gericht verurteilte den Versicherer zur Zahlung der erhöhten Versicherungssumme, obwohl die erste Zusatzprämie noch nicht gezahlt worden war. Es führte zur Begründung aus, die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung sei nicht durch einen selbständigen neuen Vertrag begrundet worden, sondern, durch den Eintritt des nunmehrigen Versicherungsnehmers in den laufenden Vertrag, der nur rücksichtlich der Prämienhöhe abgeändert worden sei; das ergebe sich klar aus der Zusatzpolizze, in der es heiße, daß der neue Versicherungsnehmer im gleichen Umfang und unter den gleichen Bedingungen in den Vertrag eintrete und alle aus dem Versicherungsvertrage hervorgehenden Rechte und Pflichten auf ihn übergehen. Es sei offenbar nicht die Absicht der Parteien gewesen, einen neuen Vertrag abzuschließen, sondern nur den weiter geltenden Vertrag in einem Punkte zu ändern. Da nun aber der Rechtsvorgänger des Klägers (= des neuen Versicherungsnehmers) die erste Prämie längst bezahlt habe, so kämen die für den Folgeverzug vereinbarten Grundsätze zur Anwendung. Die Erhöhung der bisherigen Prämie könne nicht als Erstprämie, sondern nur als ein neuer Zuschlag zur ursprünglichen Prämie angesehen werden, der durch die Änderung in der Bestimmung des Autos bedingt gewesen sei.
Der erste analoge Fall der deutschen Judikatur stammt, soweit dem Obersten Gerichtshofe bekannt ist, aus dem Jahre 1930. Ein Versicherungsnehmer hatte nach Zahlung der ersten Jahresprämie für eine Autototalschadenversicherung für den Wagen beim selben Versicherer eine auch Teilschäden umfassende Versicherung begehrt. Nach den Vereinbarungen sollte nunmehr der Versicherer nur vier Fünftel des Schadens ersetzen, während er bisher den vollen Schaden ohne Selbstbehalt zu decken hatte. Der Antrag enthielt den Satz, daß der alte Versicherungsschein erlösche; die unverbrauchte Prämie für die Zeit vom 21. Dezember 1927 bis 25. November 1928 werde in Anrechnung gebracht. Der Versicherungsnehmer übergab für den Prämienrestbetrag ein Akzept. Noch vor Fälligkeit des Wechsels trat ein Totalschaden ein.
Das Oberlandesgericht Köln verurteilte den Versicherer (JW. 1930 S. 3648). Die Versicherungsanstalt hafte wohl aus der neuen Versicherung nicht, weil die erste Prämie noch nicht gezahlt sei. Sie könne aber die Inanspruchnahme aus der alten Versicherung nicht mit der Begründung ablehnen, daß die Anrechnung von elf Zwölfteln der für die alte Versicherung gezahlten Prämie mit einem vollkommenen Stornieren dieser Versicherung gleichbedeutend sei. Wirtschaftlich betrachtet bezwecke der Antrag nur eine Erweiterung des bestehenden Versicherungsschutzes. Der Unterschiedsbetrag zwischen neuer und alter Prämie sei nur eine Zusatzprämie gewesen, von deren Zahlung lediglich der Eintritt des erweiterten neuen, aber nicht der Fortbestand des engeren alten Versicherungsschutzes abhängig gewesen sei. Die aus dem alten Versicherungsscheine fällige Prämie sei voll gezahlt gewesen, hieran habe sich durch die Anrechnungsvereinbarung nichts geändert.
Das Erlöschen der ursprünglichen Versicherung könne auch nicht aus der Vereinbarung des Erlöschens des alten Versicherungsscheines abgeleitet werden. Denn der Satz "hiergegen erlischt Versicherungsschein Nr. ..." könne - wörtlich ausgelegt - entweder heißen "mit dem Abschluß des neuen Versicherungsvertrages" oder "mit dem Inkrafttreten des Versicherungsschutzes aus ihm" erlösche der alte Versicherungsvertrag. Mit dem Wortlaute der Bestimmung seien beide Auslegungen gleich gut vereinbar. Welche von ihnen richtig sei, müsse gemäß § 157 BGB. nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte ermittelt werden. Hiebei sei wiederum von ausschlaggebender Bedeutung der schon erwähnte wirtschaftliche Zweck des Versicherungsantrages vom 1. Februar 1928, mit dem der Kläger in für die Beklagte erkennbarer Weise bloß eine Erweiterung des bereits eingetretenen Versicherungsschutzes von Ganzschäden auch auf Teilschäden erstrebt habe. Es sei dem Kläger ersichtlicherweise völlig fern gelegen, seit dem 1. Februar 1928 bis zur Zahlung der neuen höheren Prämie ein Zwischenstadium Platz greifen zu lassen, in dem er überhaupt keinen Versicherungsschutz genoß. Die Worte "hiergegen erlischt Versicherungsschein Nr. ..." bedeuteten folglich, daß mit dem Inkrafttreten des erweiterten Versicherungsschutzes - und nicht etwa mit dem 1. oder 10. Februar 1928 - die alte Versicherung erlösche. Das entspreche auch einer allgemeinen Übung der Versicherungsgesellschaften in gleichartigen Fällen.
Das Oberlandesgericht Köln verwies hiebei auf die eigenartige Folge, daß der Kläger durch seinen Zahlungsverzug und das hiedurch veranlaßte Nichtinkrafttreten des Schutzes aus der neuen Versicherung günstiger gestellt gewesen sei, als wenn er den Vertrag erfüllt hätte. Er habe für den erlittenen Totalschaden vollen Schadenersatz statt eines solchen in Höhe von nur vier Fünfteln des Schadens verlangen können. Denn im ursprünglichen Versicherungsschein sei im Gegensatz zum neuen Versicherungsschein die Bestimmung gestrichen gewesen, daß der Versicherte ein Fünftel des Feuerschadens selbst zu tragen habe.
Dieses Urteil wurde von Mühsam - Werther dahin glossiert daß man dem Urteil vielleicht im Ergebnis, aber nicht der Begründung werde folgen können. Der Versicherungsgegenstand sei geändert, die Prämie erhöht, ein neuer Versicherungsschein ausgeschrieben gewesen. In einer so gespaltenen Nachversicherung liege der Abschluß eines aus sich selbst heraus zu beurteilenden neuen Vertrages. Vom neuen Abschluß ab interessiere die frühere Versicherung nur noch historisch. Die rechtliche Leistung dulde kein Nebeneinander. Die neu vereinbarte Prämie sei Erstprämie mit der Rechtswirkung des § 38 VersVG.
Sei aber von der alsbaldigen und vollständigen Rechtswirksamkeit des neuen Vertrages auszugehen, so komme man zu einem dem Versicherungsnehmer günstigen Ergebnis allenfalls nur bei Unterstellung einer besonderen Nebenabrede auf Erstreckung des ursprünglichen Schutzes bis zum Zeitpunkt des neuen Schutzes. An sich wäre eine Abrede dieser Art rechtswirksam, da § 38 VersVG. Abreden nicht entgegenstehe, durch welche der Versicherungsnehmer besser gestellt werde. Man müßte dann allerdings geradezu typisch und ein für allemal derartigen Nachversicherungen den erkennbaren Willen unterstellen, es bis zur Prämienzahlung nun zunächst einmal beim ursprünglichen Schutz zu belassen, eine Auffassung, für welche die Erwägung sprechen könnte, daß der die Versicherung erweitern wollende Versicherungsnehmer in der Versicherung keine ganz leere Pause wünsche.
Von gleichen Erwägungen wie das Oberlandesgericht Köln ging das Oberlandesgericht Breslau bei seiner Entscheidung JW. 1932 S. 2552 aus. Es handelte sich damals um eine Kraftfahrversicherung. Der Kläger war seit 1927 bei der beklagten Versicherungsgesellschaft versichert, die Versicherung wurde mehrfach geändert. Nachdem der Kläger die damals laufende Versicherung zum 4. Juni 1931 gekundigt hatte, stellte er am 9. Februar 1931 einen neuen Versicherungsantrag. Versicherungsbeginn sollte der 4. Juni 1931 sein. Die beklagte Versicherungsgesellschaft stellte unter dem 1. Juni 1931 einen neuen Versicherungsschein aus, den sie am 9. Juni 1931 dem Kläger aushändigte. Nach den angeschlossenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen sollte der Versicherungsschutz mit Einlösung des Versicherungsscheines durch Zahlung der Prämie samt Nebengebühren beginnen. Der Kraftwagen erlitt am 11. Juni 1931 einen Unfall. Am 12. Juni 1931 zahlte der Kläger die Prämie und begehrte Versicherungsschutz.
Das Oberlandesgericht Breslau gab diesem Begehren statt, obwohl der Versicherungsschein erst nach dem Schadensfall eingelöst worden war.
In den Gründen führte es aus:
Der Kläger habe das Fahrzeug-, Unfall- und Haftpflichtschadensinteresse in Ansehung seines Kraftwagens schon seit Jahren fortgesetzt bei der Beklagten versichert, und zwar im wesentlichen immer in gleicher Weise, trotz der in dieser Zeit mehrfach vorgenommenen Änderungen der Versicherungsbedingungen. Wenn die Beklagte nunmehr unter Hinweis auf § 2 der Versicherungsbedingungen geltend mache, daß der Versicherungsschutz erst mit Einlösung des letzten Versicherungsscheines durch Zahlung einer Erstprämie im Sinne der §§ 35, 38 VersVG. begonnen habe, könne dies nicht gebilligt werden. Die Beklagte tue dem Gesamtsachverhalt Zwang an, wenn sie unter den gegebenen Umständen nach langjährigem Bezuge der Versicherungsbeiträge die im Juni 1931 fällig gewordene Prämie nicht als Folgeprämie im Sinne des § 39 VersVG., sondern als Erstprämie gelten lasse und sich mit dieser formalen Begründung der Verpflichtung zur Schadenserstattung entschlagen wolle. Es handle sich um ein fortgesetztes, einheitliches Versicherungsverhältnis.
Schon bei der Abänderungsvereinbarung im Jahre 1928 sei die weitere Versicherung so abgeschlossen worden, daß sie zeitlich an die vorher genommene Versicherung anschloß. So sei das auch bei der Vereinbarung vom Jahre 1931 geschehen. In beiden Fällen habe die Versicherung bis zum 4. Juni laufen, bzw. mit 4. Juni beginnen sollen. Das Interesse des Klägers an ununterbrochenem Versicherungsschutz und danach sein Wille, so abzuschließen, daß der Versicherungsschutz gewährt werde, sei für die Beklagte erkennbar gewesen. Die im Jahre 1931 vereinbarten Änderungen seien entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht wesentlicher Art gewesen. Das gesicherte Interesse sei immer dasselbe geblieben. Es sei nur eine gewisse Einschränkung der Fahrzeugversicherung und eine Herabsetzung der Unfallversicherungsleistungen, und zwar unter Verringerung der dafür zu zahlenden Prämie, ausbedungen worden. Bei der Haftpflichtversicherung sei nur eine geringe Erhöhung der Prämie eingetreten. Die Gesamtprämien seien herabgesetzt worden. Das sei kein Neuaufbau des Versicherungsverhältnisses auf neuer Grundlage gewesen, es habe vielmehr für den unbefangenen Beurteiler nur als Fortsetzung des bisherigen Versicherungsverhältnisses mit gewissen Änderungen seines Inhaltes gelten können.
Die Beklagte habe bei der Vereinbarung im Jahre 1931 eine abweichende Auffassung nicht deutlich genug zu erkennen gegeben. Die Beklagte habe allerdings, wie auch schon bei der die Prämie ändernden Vereinbarung vom Jahre 1928, auch am 1. Juni 1931 statt etwa eines bloßen Nachtrages einen neuen Versicherungsschein ausgestellt. Das habe aber lediglich als bloße Abweichung in der Form erscheinen können, die aus Gründen äußerer Zweckmäßigkeit gewählt sein konnte und welcher sachliche Bedeutung nicht ohne weiteres beigemessen zu werden brauchte, wie denn im Verkehr häufig aus äußeren technischen Gründen Vordrucke für Fälle verwendet würden, für die sie zunächst nicht bestimmt seien und die nicht ohne weiteres überall zuträfen. Spreche nach dem obigen alles dagegen, daß ein neues Versicherungsverhältnis begrundet werden sollte, so sei die Form der Ausstellung eines neuen Versicherungsscheines nicht geeignet gewesen, den Kläger auf einen abweichenden Willen der Beklagten deutlich genug hinzuweisen. Es müsse dann auch die bei Ausstellung eines vollständigen Versicherungsscheines übliche Beifügung des gesamten umfangreichen Vordruckes der Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht notwendig besagen, daß alles, was darin nur für den Fall des Beginnes einer neuen Versicherung enthalten war, nunmehr auch hier, insbesondere für die im Juni 1931 zu zahlende Prämie, zu gelten habe. Dazu gehöre vor allem § 2 der Bedingungen, welcher den Beginn des Versicherungsschutzes von der Einlösung der Prämie abhängig mache. Wenn die Beklagte diese Bestimmungen nach allem Vorausgegangenen gleichwohl für sich in Anspruch nehmen wolle, dann hätte sie den Kläger darauf aufmerksam machen müssen, statt sogar die Vorlegung des Versicherungsscheines und damit nach Auslegung der Beklagten den Beginn des Versicherungsschutzes über den Vertragsbeginn und über die Beendigung der früheren Versicherung hinauszuschieben. Der Kläger habe wohl annehmen dürfen, daß diejenigen Bestimmungen des Vordruckes, welche den Beginn einer neuen Versicherung voraussetzten, in Wahrheit nicht zu gelten hätten. Der Verkehr sei auch sonst geneigt, Ungenauigkeiten der Willenserklärung, besonders bei umfangreichen Vordrucken, hinzunehmen, in der Erwartung, daß der wahre Wille trotz des abweichenden Buchstabens vom Richter schon anerkannt würde. Danach könne sich die Beklagte auf § 2 Nr. 1 der Bedingungen und auf § 38 VersVG. nicht berufen, habe vielmehr die Prämie im Juni 1931 als Folgeprämie im Sinne des § 39 VersVG. gelten zu lassen.
Der Oberste Gerichtshof hat sich bisher nur ein einziges Mal mit dem Problem der Erstprämie bei Ersatzpolizzen befaßt, nämlich in der Entscheidung Rspr. 1933 Nr. 84. Der Sachverhalt lag ähnlich wie bei der vorhin erwähnten Entscheidung des Brünner Obersten Gerichtes. Der Kläger hatte eine bei zwei Versicherungsgesellschaften gegen Feuer versicherte Wirtschaft erworben und war gemäß § 64 VersVG. in die Versicherungsverträge eingetreten. Er kundigte den einen Versicherungsvertrag und schloß mit der anderen Gesellschaft eine als "Ersatzpolizze" bezeichnete Versicherung ab. Noch bevor die erste Prämie dieser neuen Versicherung gezahlt worden war, trat ein Schaden ein, dessen Deckung der Kläger von der beklagten Versicherungsgesellschaft mit der Begründung verlangte, daß die Beklagte auf Grund der neuen Versicherung auch dann hafte, wenn die Prämie noch nicht gezahlt sei. Sämtliche Instanzen wiesen die Klage ab.
Das Berufungsgericht führte unter anderem aus: es lasse sich nicht nach allgemeinen Regeln, sondern nur unter Berücksichtigung der in jedem einzelnen Falle eigentümlichen Umstände entscheiden, ob eine Vereinbarung, wie sie der Kläger bezüglich der als "Ersatzpolizze" bezeichneten Versicherung geschlossen habe, zu einem neuen Vertrage geführt habe oder ob nur Bestimmungen des kraft Gesetzes übergegangenen Vertrages geändert worden seien. Die besonderen Umstände des Falles sprächen für eine neue Versicherung. Der vom Kläger an die beklagte Gesellschaft gerichtete Antrag zeige geänderte versicherte Gegenstände, eine geänderte Versicherungsprämie, eine geänderte Versicherungszeit, mit einem Wort, der Inhalt des auf ihn übergegangenen Versicherungsvertrages und des seinem Antrag zufolge zu schließenden hätten grundlegende Änderungen aufgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte. Der wirtschaftliche und rechtliche Inhalt der der Versicherung zugrunde zu legenden Abrede, wie er im Berufungsurteil beschrieben sei, zwinge zu der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung. Demgegenüber sei es nicht entscheidend, daß eine förmliche Kündigung des zwischen der beklagten Partei und der Besitzvorgängerin des Klägers vorhanden gewesenen Vertragsverhältnisse nach § 65 Abs. 2 VersVG. nicht erfolgt sei. Dadurch erscheine nicht ausgeschlossen, daß das frühere Vertragsverhältnis durch ein neues ersetzt worden sei. Der Oberste Gerichtshof erklärte es auch gleich dem Berufungsgerichte für rechtlich bedeutungslos, daß in dem neuen Vertrage das Wort "Ersatzpolizze" gebraucht worden sei.
Albert Ehrenzweig, der die Entscheidung glossiert hat, meinte, daß die Entscheidung richtig sei, weil der Kläger nur die Haftung aus der neuen Versicherung geltend gemacht habe. Er erörterte aber auch die Frage der Haftung nach dem alten Vertrage und führte in dieser Beziehung aus:
Der Versicherer sei bei Abschluß der "Neuversicherung" noch in Haftung gestanden. Im Zeitpunkte dieses Vertragsabschlusses sei die Haftung des Versicherers nach § 29 Abs. 3 VersVG. nicht aufgehoben gewesen. Der Oberste Gerichtshof nehme freilich an, daß "das frühere Vertragsverhältnis" durch ein neues ersetzt worden sei. Das würde bedeuten, daß durch den Vertragsabschluß die laufende Haftung aus dem "früheren Vertragsverhältnis" mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden sei. Der Neuabschluß habe aber den Versicherer nicht sogleich in Haftung gesetzt. Der Haftungsbeginn sei vielmehr an die Zahlung der ersten neuen Prämie gebunden gewesen. Wenn aber mit dem Neuabschluß das alte Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden sei, dann wäre der Versicherungsnehmer bis zur Zahlung der Prämie der "Neuversicherung" ohne alle Deckung gewesen. Nun könne man aber - lediglich aus dem Abschluß einer neuen Versicherung, die bestimmt gewesen sei, die alte in sich aufzunehmen - unmöglich auf den Vertragswillen schließen, daß der Versicherungsnehmer bis zur Zahlung der neu vereinbarten Prämie und bis zum Beginn der neuen (erweiterten oder eingeschränkten) Haftung auf die ihm bis auf weiteres gesichert laufende Haftung des Versicherers aus der alten Versicherung verzichte.
Der Vertrag habe augenscheinlich das Schicksal der laufenden Haftung aus der alten Versicherung nicht geklärt. Wenn aber die Vertragsteile nicht ausdrücklich vereinbart hätten, daß mit der Abschließung des neuen Vertrages der alte Vertrag und mit ihm die laufende Haftung erlösche, dann bestehe diese eben fort, und es habe dem Versicherungsnehmer der Zahlungsverzug in Ansehung der Neuprämie die Haftung aus dem alten Versicherungsverhältnis nicht nehmen können. Die Aufhebung dieser Haftung habe nur mit dem Beginn der Haftung aus dem neuen Vertrage erfolgen können, der dazu bestimmt gewesen sei, den alten Vertrag abzulösen.
Es ist ersichtlich, daß Ehrenzweig in seiner Glosse von ähnlichen Erwägungen ausgegangen ist wie die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln und Breslau.
Die aus den angeführten Entscheidungen hervorleuchtenden Rechtsgedanken führen zu dem Ergebnis, daß es nicht streitentscheidend ist, ob der Ersatzvertrag als ein neuer Vertrag anzusehen ist, weil die Klage auch dann nicht begrundet wäre, wenn man mit dem Berufungsgerichte annehmen wollte, daß ein neuer Versicherungsvertrag noch vor dem Eintritt des Versicherungsfalles abgeschlossen wurde. Die Parteien haben bei Abschluß der Ersatzpolizze die alte Versicherung nicht ausdrücklich aufgehoben. Es ist also eine Frage der rechtlichen Auslegung des vorliegenden Tatbestandes, in welchem Zeitpunkte die alte Polizze (Versicherung) als erloschen anzusehen ist. Zieht man in Betracht, daß die neue Polizze an Stelle der alten treten sollte und daß bei einer Ersatzpolizze, die, wenn auch mit teilweise geändertem Inhalt, an die Stelle einer früheren Polizze treten soll, angenommen werden muß, daß die Annahme eines versicherungsfreien Zeitraumes dem Zweck widersprechen würde, dem die Ersatzpolizze zu dienen hat, so muß der vorliegende Sachverhalt dahin ausgelegt werden, daß die Haftung aus der alten Polizze nicht früher erloschen ist, als die Klägerin aus der Ersatzpolizze in Haftung getreten ist.
Daß eine solche Auslegung des vorliegenden Sachverhaltes durchaus zulässig ist, ergibt die Überlegung, daß § 38 VersVG. nur relativ zwingend ist (§ 42 VersVG.).
Zusammenfassend ergibt sich demnach, daß die Haftung der klagenden Partei sowohl aus der Tatsache folgt, daß die alte Versicherung frühestens erst am 19. November 1951 erloschen sein kann, als auch daraus, daß im konkreten Falle im Hinblick auf den von den Parteien verfolgten Zweck als Vertragswille angenommen werden muß, daß die Haftung aus der alten Polizze nicht vor dem Eintritt der Klägerin in die neue Haftung erlöschen sollte.
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