Spruch:
Die Überlassung einer Liegenschaft gegen eine Leibrente ist ein Kaufvertrag, bei dem die Liegenschaft den Kaufgegenstand, die Rente den Preis bildet.
§ 1418 ABGB. gilt nicht für Leibrenten.
Entscheidung vom 18. Dezember 1952, 3 Ob 453, 454/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Begründung:
Die beiden Streitteile schlossen am 22. März 1940 einen Leibrentenvertrag, wonach die Klägerin ihr Haus an die Beklagten übertrug und sich die Beklagten zur Bezahlung einer monatlichen im vornhinein zu entrichtenden Leibrente von 350 RM ab 15. März 1940 auf Lebensdauer der Klägerin bzw. auf Lebensdauer des Gatten, falls dieser seine Frau überleben sollte, verpflichteten. Außerdem wurde ein Wohnungsrecht eingeräumt und Vereinbarungen wegen Übernahme einer Hypothek getroffen. Im Punkt II des Vertrages ist festgesetzt, daß die vereinbarte Leibrente wertbeständig auszuzahlen ist. Der objektive Maßstab für den Wert der Leibrente sollten die Lebenshaltungskosten, so wie sie vom statistischen Reichsamt in Berlin errechnet und verlautbart werden, sein. Schwankungen bis zu 10% der Lebenshaltungskosten gegenüber den am Tage des Vertragsabschlusses sollten unberücksichtigt bleiben.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin auf Grund der Wertsicherungsklausel die Erhöhung der Leibrente ab 1. August 1947, und zwar für August 1947 und September 1947 um je 217 S, Oktober und Dezember 1947 um je 350, vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1948 um je 700 S und ab 1. Jänner 1949 um je 1050, somit für die Zeit bis zur Klagseinbringung (14. Feber 1949) um 11.984 S samt stufenweisen Zinsen und ab 1. März 1949 um je 1050 S monatlich. Letzterer Betrag wurde mit Rücksicht auf das Anerkenntnis der Beklagten auf Erhöhung um je 350 S monatlich auf 750 S monatlich eingeschränkt.
Die Beklagten wenden ein, daß die Wertsicherungsklausel gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoße, insbesondere gegen die Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen im Lande Österreich vom 29. März 1938. Der Lebensstandard habe sich seit Vertragsabschluß auf etwa ein Drittel gesenkt. Das Vermögen der Beklagten habe sich seit Vertragsabschluß vermindert, das Einkommen sei gleich geblieben. Auch die Wertsteigerung des Hauses betrage nur 50%. Die Erfüllung des Vertrages sei bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen unerschwinglich, die Leistung daher unmöglich.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Die Wertsicherungsklausel sei zulässig. Sie gehöre zu den Warenklauseln, die bei allen Rechtsgeschäften, ausgenommen Versicherungsverträge, gültig vereinbart werden könnten. Die vereinbarte Wertsicherungsklausel könne schon mit Rücksicht auf den damit verfolgten Zweck, den inneren Wert einer Geldleistung zu sichern, nicht als Verstoß gegen den Preisstopp angesehen werden. Solche Wertsicherungsklauseln hätten mit der Preiserstellung nichts zu tun und konnten daher der Preisstoppverordnung nicht widersprechen. Die der Preisstoppverordnung nachfolgende Verordnung über wertbeständige Rechte verbiete ausdrücklich nur die grundbücherliche Sicherstellung solcher Klauseln. Dies wäre überflüssig gewesen, wenn solche Klauseln ohnehin schon durch die vorangegangene Preisstoppverordnung unzulässig und nichtig gewesen wären. Die Preisregelungsvorschriften seien bedeutungslos, weil die gesicherte Forderung nicht als Preis oder Entgelt für eine den Preisregelungsvorschriften unterliegende Ware oder Leistung anzusehen sei. Die Erhöhung habe auch rückwirkend begehrt werden können, weil es sich um keinen Unterhaltsbetrag, sondern um einen Glücksvertrag handle. Überdies seien die Beklagten infolge unbestrittener vorangegangener Mahnung in Verzug geraten. Auch eine Unmöglichkeit der Leistung liege nicht vor.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, soweit es die Erhöhung für die Zukunft zugesprochen hatte, hob jedoch das Urteil insoweit auf, als eine Erhöhung vom 1. August 1947 bis 1. März 1949 zugesprochen wurde. Die Wertsicherungsklausel sei zulässig. Diese Ansicht entspräche der ständigen Rechtsprechung. Es habe keine gesetzliche Vorschrift bestanden, die eine derartige Wertsicherungsklausel verboten hätte, noch sei eine solche Klausel nachträglich durch gesetzliche Vorschrift außer Kraft getreten. Es sei auch zu billigen, daß die Indexzahlen des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung herangezogen wurden, da diese Zahlen die österreichischen Verhältnisse berücksichtigen und auch nur von den amtlichen Preisen und nicht von den Schwarzmarktpreisen ausgehen. Hingegen sei für die Vergangenheit wegen des Unterhaltscharakters der Leibrente erforderlich, daß eine Mahnung vorausgegangen wäre. Die Klägerin müsse die Verletzung ihres Anspruches erkennbar zum Ausdruck gebracht haben, da ein Schweigen nach Treu und Glauben von den Beklagten dahin aufgefaßt werden konnte und mußte, daß die Klägerin mit der Leistung der bisher bezahlten Rente einverstanden sei. Dagegen müßte schon eine ausdrückliche oder durch schlüssiges Verhalten erkennbar erklärte Unzufriedenheit mit einer den Lebenshaltungskosten nicht entsprechenden Rente die Wirkung einer Mahnung beigemessen werden, die sodann die Leistungspflicht der Beklagten bewirke und den Anspruch, wenn auch nicht auf Erfüllung im engeren Sinne, so zweifellos auf den der Erfüllung gleichkommenden Schadenersatz begrunden. Ob und wann eine solche Erklärung erfolgt sei, sei im Gegensatz zur Annahme des Erstgerichtes nicht unbestritten. Die bezüglichen Feststellungen fehlen, so daß der Ausspruch für die Vergangenheit aufgehoben werden müßte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten keine, hingegen dem Rekurs der Beklagten Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem aufhebenden Teile auf und verwies in diesem Umfange die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Es ist der Revision insoferne zuzustimmen, als sie den Verkauf eines Grundstückes gegen Einräumung einer Leibrente als Kaufvertrag bezeichnet. Der Umstand, daß das Gesetz den Leibrentenvertrag unter den Glücksverträgen behandelt, schließt nicht aus, daß der Leibrentenvertrag zugleich ein Kaufvertrag sein kann. Unter Leibrentenvertrag versteht das Gesetz jeden Vertrag, durch den eine Leibrente zugesichert wird. Ob dieser Vertrag überdies als Kauf, Schenkung usw. zu charakterisieren ist, hängt von dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis ab.
Die Überlassung einer Liegenschaft gegen eine Leibrente ist ein Kaufvertrag, bei dem die Liegenschaft den Kaufgegenstand, die Rente den Preis bildet. Daß dieser Preis im vorhinein nicht feststeht, weil er von der Lebensdauer des Rentenbeziehers abhängt, macht den Preis nicht unbestimmt, weil Bestimmbarkeit des Preises genügt. Für die Bestimmbarkeit ist aber nicht erforderlich, daß er bereits im Zeitpunkt des Abschlusses bestimmbar war. Das unsichere Moment, das darin gelegen ist, daß der Preis bei Abschluß noch unbestimmt ist, hat nur die Folge, daß der Vertrag den Regeln der Glücksverträge unterliegt, nicht aber, daß ihm deswegen die Eigenschaft eines Kaufvertrages aberkannt werden könnte. Auch wenn der maßgebende Preis als noch in der Zukunft liegend unbekannt ist, handelt es sich um einen Kaufvertrag. Das unsichere Moment besteht im Gegensatz zum Verkauf gegen eine Leibrente nur darin, daß im ersten Fall der maßgebende Preis als noch in der Zukunft liegend unbekannt ist, während im letztangeführten Fall die Unbestimmtheit in der Dauer der Rentenzahlungen liegt. Die Bestimmbarkeit, die das Gesetz verlangt, ist in beiden Fällen gegeben, im ersten Fall durch den Marktpreis am Zahlungstag, im zweiten durch die Zahl der Renten, die bis zum Tode fällig geworden sind. Die Revision ist also vollkommen im Recht, wenn sie den vorliegenden Leibrentenvertrag den Regeln des Kaufvertrages unterstellen will.
Damit ist aber im Ergebnis für den Standpunkt der Revisionswerber nichts gewonnen.
Nach § 3 Preisstoppverordnung können, soweit aus volkswirtschaftlichen Gründen oder zur Vermeidung von Härten eine Ausnahme dringend erforderlich erscheint, Ausnahmen vom Stoppreis zugelassen werden. Daraus folgt, daß eine Nichtigkeit eines Veräußerungsvertrages, weil er angeblich den Stoppreisvorschriften widerspricht, nicht ohne weiteres angenommen werden kann, sondern erst dann, wenn der Preis von der Behörde beanständet worden ist. Auch in den beiden vom Reichsgericht entschiedenen Fällen (Entscheidung vom 30. Jänner 1941, DJ. 1941 S. 408, und vom 29. November 1941, DJ. 1942 S. 20) wurde die Nichtigkeit der Verträge nur deshalb ausgesprochen, weil der Preis von den Behörden beanständet worden ist.
Daran hat die Verordnung vom 7. Juli 1942, DRGBl. I, S. 451, nichts geändert. § 2 erklärt den Vertrag nur dann für nichtig, wenn die Preisbehörde den Vertrag beanständet. Das Neue dieser Verordnung liegt nur darin, daß nunmehr jeder Vertrag erst dann verbüchert werden durfte, wenn eine Unbedenklichkeitserklärung der Preisbehörde vorgelegt wurde und daß die Behörde überdies für berechtigt erklärt wurde, die Aufrechterhaltung des beanstandeten Vertrages unter gewissen Voraussetzungen zu einem von der Behörde festgesetzten Preis anzuordnen.
Wurde der Erwerber bereits vor dem 20. Juli 1941 im Grundbuch eingetragen - davon muß ausgegangen werden, da der Vertrag bereits im März 1940 abgeschlossen worden ist und das Gegenteil gar nicht behauptet wird - so darf das Gericht den Vertrag nur dann als nichtig behandeln, wenn ein Ablehnungsbescheid ergangen ist. Im Fall der Einklagung des angeblichen Überpreises - also diesmal der aufgewerteten Rente - müßte das Gericht die Preisbehörde um eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Preises, diesmal der Aufwertungsklausel, ersuchen. Die Preisbehörde könnte nur entweder den Vertrag durch eine Ausnahmegenehmigung heilen oder die Genehmigung versagen und so dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, den Vertrag für nichtig zu erklären.
Da derzeit städtische Liegenschaften nicht mehr preisgebunden sind, so kann ein Ablehnungsbescheid nicht mehr ergehen. Eine Nichtigerklärung des Vertrages durch das Gericht ist daher ausgeschlossen. Die Gerichte haben infolgedessen den Vertrag ihrer Entscheidung zugrunde zu legen, ohne weiter überprüfen zu dürfen, ob der Vertrag im Zeitpunkt des Abschlusses preisbehördlich zulässig war oder nicht.
In den angeführten Punkten kommt daher weder der Revision noch dem Rekurse Berechtigung zu. Da aber der Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht wurde, ist die Entscheidung in jeder Hinsicht rechtlich zu würdigen, damit auch in der Richtung, ob tatsächlich das Begehren für die Vergangenheit von einer Mahnung durch die Klägerin abhängig ist. Diese Frage ist zu verneinen. Wohl sind Leibrenten nach dem Plenarbeschluß vom 8. März 1923, SZ. V/53, als Unterhaltsforderungen im weiteren Sinne anzusehen, bei denen die vereinbarte Geldzahlung nach Absicht der Parteien nur ein Mittel zur Beschaffung des Lebensunterhaltes ist und die Geldbeträge bloß bestimmte Quantitäten von Lebensmitteln und Bedarfsartikeln repräsentieren. Trotzdem kann auf Leibrentenforderungen § 1418 ABGB., aus welcher Bestimmung der Satz "nemo pro praeterito alitur" abgeleitet wird, nicht angewendet werden, da sich diese Vorschrift nur auf Unterhaltsforderungen im engeren Sinne bezieht. Demnach kann eine Aufwertung einer Leibrente auch für die Vergangenheit verlangt werden (1 Ob 821/51). Es ist aber auch unrichtig, daß die Klägerin diese Erhöhung erst ab Mahnung oder doch einer "erkennbaren Unzufriedenheit" mit der bisherigen Rente fordern könnte. § 1417 ABGB. wird vom Berufungsgerichte hier rechtsirrig angewendet. Es handelt sich im vorliegenden Falle um eine Schuld mit einem bestimmten Fälligkeitstag. Die Höhe der Forderung wird bestimmt durch die im Vertrag festgesetzte Leibrente in Verbindung mit dem jeweiligen Lebenshaltungskostenindex. Die Schuld in dieser vertraglichen Höhe ist daher an dem im Vertrag festgesetzten Tag ohne vorherige Mahnung fällig. Das bloße Stillschweigen der Klägerin zur Bezahlung einer dem Vertrage nicht entsprechenden Rente bedeutet noch nicht Zustimmung oder gar Verzicht auf eine Erhöhung. Ein Rechtssatz, wonach Stillschweigen Zustimmung bedeutet, besteht in dieser Allgemeinheit nicht. Es müßten vielmehr irgendwelche Umstände hinzukommen, aus denen bei Stillschweigen auf Zustimmung oder Verzicht geschlossen werden könnte. Solche Umstände wurden aber nicht dargetan. Die Klägerin kann diesen Erhöhungsanspruch vielmehr während der ganzen Verjährungszeit erheben.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht bedarf es keiner weiteren Erhebungen, ob und zu welchem Zeitpunkt die Klägerin eine höhere Rente eingemahnt hat. Die Rechtssache ist vielmehr auch hinsichtlich des Anspruches für die Vergangenheit spruchreif.
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