Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1338
JN §1
ZPO §371
ZPO §496 Z2
ZPO §503 Z2
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1338
JN §1
ZPO §371
ZPO §496 Z2
ZPO §503 Z2
Spruch:
Ansprüche auf Aufwandersatz eines öffentlich-rechtlichen Beamten gegen seinen Dienstgeber gehören auf den ordentlichen Rechtsweg.
Unzulässigkeit der Aufhebung eines Urteiles durch das Berufungsgericht zur Vornahme der Parteienvernehmung.
Entscheidung vom 11. November 1953, 3 Ob 451/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger behauptet, er habe der beklagten Partei im Jahre 1946 im Einvernehmen mit dem Leiter der Landesforstinspektion Niederösterreich Ing. St., welcher der Vorgesetzte des Klägers war, neun Lastkraftwagen und acht Anhänger aus einem Beutelager verschafft und die Instandsetzung und Ausrüstung der Kraftwagen aus von ihm selbst beschafften Mitteln vorgeschossen. Die beklagte Partei habe die Kraftwagen in Kenntnis des Aufwandes des Klägers erworben und in der Folge weiterveräußert.
Da die beklagte Partei nur 5000 S ersetzt hat, begehrt der Kläger ihre Verurteilung zum Ersatze des restlichen Aufwandes.
Das Gericht erster Instanz hat die Unzulässigkeit des Rechtsweges verneint und ausgesprochen, daß die ordentlichen Gerichte zuständig seien. In der Sache selbst hat es das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, daß der Kläger auf Grund eines dienstlichen Auftrages gehandelt habe, der ihm in seiner Eigenschaft als Bundesbeamter erteilt worden sei (Art. 10 Z. 10 BVG.); daher erscheine das Land Niederösterreich nicht legitimiert. Die Klage sei auch deshalb abzuweisen, weil mangels eines vertragslosen Zustandes § 1041 ABGB. nicht Platz greife. Der Kläger habe seinen dienstlichen Auftrag überschritten und verliere daher den gemachten Aufwand. Auch sei der Kläger nicht imstande, über seine Aufwendungen Rechnung zu legen.
Das Berufungsgericht hat das Urteil der ersten Instanz unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und ausgeführt:
Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges sei es nicht entscheidend, ob der Kläger bei Beschaffung der Kraftwagen durch einen öffentlich-rechtlichen Auftrag gedeckt war.
Auch die Erfüllung eines solchen Auftrages durch die Abschließung eines Privatrechtsgeschäftes sei nach privatrechtlichen Grundsätzen über ein Erfüllungsgeschäft zu beurteilen. Ein Beamter der über öffentlich-rechtlichen Auftrag ein privatrechtliches Geschäft abschließt, sei weder verpflichtet noch berechtigt, auf der Ebene des öffentlichen Rechtes den Streit mit seinem Auftraggeber über seinen Aufwand auszutragen. Der Erstattungsaufwand eines Beamten in Erfüllung eines öffentlichen Auftrages durch Abschließung eines Privatrechtsgeschäftes sei laut Jellinek (1951) S. 50 nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Eine amtliche Tätigkeit schließe den Abschluß eines Privatrechtsgeschäftes im öffentlichen Auftrage nicht aus (Palandt 1951 Anm. 6 zu § 652 DBGB.). Es sei daher nicht entscheidend, ob ein öffentlich-rechtlicher Auftrag vorlag und ob dieser allenfalls überschritten wurde.
In der Sache selbst hat das Berufungsgericht das erstrichterliche Urteilaufgehoben, wobei es sich von nachstehenden Erwägungen leiten ließ. Die Beweisrüge der Berufung sei berechtigt, weil das Erstgericht, ohne auch nur einen Gegenbeweis zuzulassen und ohne den Kläger selbst als Partei vernommen zu haben, ausschließlich die Aussage des Zeugen St. seinen Feststellungen zugrunde gelegt habe. Beweise könnten aber auf ihre Richtigkeit nur dann überprüft werden, wenn die beantragten Beweise des Gegenteils wenigstens einer Erörterung unterzogen worden sind. Bis zu diesem Zeitpunkt könne trotz des besten persönlichen Eindruckes eines Zeugen nicht gesagt werden, ob seine Angaben objektiv richtig seien, zumal die Vermittlung eines Fahrzeuges für persönliche Zwecke dieses Zeugen durch den Kläger immerhin zu gewissen Bedenken Anlaß gebe. Es sei daher aus Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens noch nicht möglich, in eine Sacherörterung über die Beweisrüge einzugehen.
Die gesamten einschlägigen Akte des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, Landesforstinspektion, und nicht nur ein Teil derselben, seien einer Erörterung zu unterziehen. Auch der Inhalt des Strafaktes 23 a Vr 15.537/48 sei von Bedeutung. Aus diesen Akten lasse sich allenfalls feststellen, ob ein auftragsloses Verhältnis oder ein Auftragsverhältnis zwischen den Streitteilen in bezug auf die Kraftfahrzeuge bestanden habe. Sei die Darstellung der beklagten Partei richtig, so werde der Aufwand des Klägers nach den Grundsätzen über den Bevollmächtigtenvertrag zu beurteilen sein. Auch werde festzustellen sein, ob die Beziehungen der Streitteile durch einen Vergleich gewandelt worden seien und ob dieser Vergleich noch Rechtsverbindlichkeit besitze. Ohne Einvernahme des Klägers als Partei werde es ebenfalls nicht möglich sein, die in Frage stehenden Rechtsbeziehungen zu klären.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie das Reichsgericht im Erkenntnis vom 13. Jänner 1911, Hye 1839 ausgeführt hat, bezieht sich das Hofdekret vom 16. August 1841 nur auf Ansprüche, die auf der öffentlich-rechtlichen Stellung eines Beamten zum Staat beruhen; andere Ansprüche gehören auf den Rechtsweg, daher auch der Anspruch auf Aufwandersatz. Auch die Arbeitsgerichte sind im vorliegenden Fall nicht zuständig, weil nach § 2 Abs. 2 ArbGerG. öffentliche Beamte in dieser Eigenschaft nicht als Beschäftigte anzusehen sind. Da Kläger gar nicht behauptet, daß ein Beschäftigungsverhältnis auf Grund eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses vorgelegen sei, sind die ordentlichen Gerichte auch dann zuständig, wenn man annehmen wollte, daß der geltend gemachte Anspruch nicht auf einem besonderen Auftrag, sondern auf dem Dienstverhältnis beruht, in dem Kläger zur Beklagten gestanden ist.
Dagegen ist der Rekurs der Sache nach berechtigt.
Ein Mangel des angefochtenen Beschlusses liegt darin, daß er nicht im einzelnen anführt, welche Mängel dem erstgerichtlichen Verfahren anhaften, sondern sich auf allgemeine Erörterungen beschränkt, es seien keine Gegenbeweise zugelassen worden. Ein Aufhebungsbeschluß hat anzuführen, welche Gegenbeweise, die in erster Instanz beantragt wurden, hätten zugelassen werden sollen.
Die Erteilung des allgemeinen Auftrages, die gesamten einschlägigen Akte der Landesregierung zu erörtern, ist unzulässig. Die Beweismittel sind in der Zivilprozeßordnung taxativ aufgezählt. Die allgemeine Berufung auf Akten einer Behörde ist kein genügend substantiierter Beweisantrag. Akten können nur dann als Beweismittel herangezogen werden, wenn sich eine Partei auf einen bestimmten Inhalt der Akten beruft, z. B. darauf, daß in dem Akt ein Bescheid bestimmten Inhaltes erliege, oder daß ein Zeuge in diesem Akt das Gegenteil ausgesagt hat wie vor Gericht und daß ihm daher dieser Widerspruch vorzuhalten sei. Eine Aufhebung wegen Nichtheranziehung von Akten darf daher nur dann erfolgen, wenn das Berufungsgericht die Nichtberücksichtigung eines solchen Antrages rügen zu müssen glaubt.
Völlig im Widerspruch mit den Grundprinzipien des Prozeßrechtes steht esendlich, wenn das Berufungsgericht zur Vornahme der Parteienvernehmung aufhebt. Die Parteienvernehmung ist ein subsidiäres Beweismittel. Wenn der Erstrichter durch die aufgenommenen Zeugenbeweise einen Beweis als erbracht ansieht, so würde es das Gesetz verletzen, wenn er die Parteien vernimmt. Das Berufungsgericht darf daher niemals die Parteienvernehmung über einen Punkt auftragen, der nach Ansicht des Erstgerichtes bereits klargestellt ist. Das Berufungsgericht muß vielmehr, wenn es in einem solchen Fall Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes hat, Zeugenbeweise wiederholen. Hält es dann das Beweisergebnis noch immer für zweifelhaft, so hat es selbst die Parteienvernehmung durchzuführen.
Da demnach der Aufhebungsbeschluß an wesentlichen Mängeln leidet, so war dem Rekurs Folge zu geben und dem Berufungsgerichte eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
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