OGH 3Ob43/12p

OGH3Ob43/12p18.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in Tulln, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2011, GZ 7 R 72/11k-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 31. März 2011, GZ 3 C 12/10v-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision stellt die schon vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht, es sei im Dezember 2005 wegen Verzugs des Klägers schon mit der ersten Rate und ordnungsgemäßer qualifizierter Mahnung der Beklagten zum Wiederaufleben deren Forderung gekommen, die sie 2009 exekutiv betrieben hat, gar nicht in Zweifel. Der Kläger macht (auch unter dem Titel der Aktenwidrigkeit) im Wesentlichen nur als unrichtige rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen geltend, diese hätten das Verhalten der beklagten Gläubigerin nicht als schlüssigen Verzicht auf das Wiederaufleben der vom Zahlungsplan erfassten Forderung der Beklagten nach § 156 Abs 4 KO iVm § 193 Abs 1 Satz 2 KO und als schlüssige Zustimmung zur vom Kläger vorgeschlagenen Abänderung des Zahlungsplans qualifiziert. Damit vermag er keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision erweist sich deshalb - ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - aus folgenden, kurz darzulegenden Gründen (§ 510 Abs 3 ZPO) als nicht zulässig.

1. Die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf eine konkludente Willenserklärung hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung (vgl RIS-Justiz RS0043253 [T2]). Eine stillschweigende Erklärung kann in einer positiven Handlung oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Die Handlung oder Unterlassung muss nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0109021).

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht vorliegt, ist besondere Vorsicht geboten; er darf immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist; die bloße Untätigkeit des Berechtigten bildet für sich allein noch keinen Grund, Verzicht anzunehmen (RIS-Justiz RS0014190). Es entspricht ständiger Judikatur, dass die Annahme von Raten nach einer Stundung keinen Verlust des Rechts auf Geltendmachung eines vereinbarten Terminsverlusts nach sich zieht (RIS-Justiz RS0014251; RS0014244 = 4 Ob 510/81).

2. In diesem Sinn geht der Kläger (auch) in der Revision selbst mehrfach davon aus, dass eine vorbehaltlose Annahme weiterer Raten (hier: die Annahme von monatlichen 15 Raten von Jänner 2006 bis einschließlich März 2007 durch die Beklagte ohne Hinweis auf das Wiederaufleben, der erst mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 20. März 2007, ./K, erfolgte) für sich alleine nicht ausreicht, um einen schlüssigen Verzicht auf den schon geltend gemachten Terminsverlust zu begründen, vielmehr müssten noch weitere Umstände hinzutreten. Einen solchen erblickt der Kläger im Schreiben des Beklagtenvertreters vom 8. November 2006 (./J), in dem „um pünktliche Einhaltung der weiteren Quotenzahlungen“ ersucht wird.

In diesem Zusammenhang übersieht er aber die Bestimmung des § 35 Abs 3 EO, mit der die Eventualmaxime für das Oppositionsverfahren normiert wird, wonach der Oppositionskläger alle Einwendungen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage vorzubringen imstande war, bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend zu machen hat. In der Klage vom 18. Juni 2010 hat er sich aber nur darauf berufen, die Beklagte habe auf seinen Vorschlag zur Änderung des Zahlungsplans (Verlegung der Fälligkeit der ersten Rate um sechs Monate) nicht reagiert und alle folgenden, fristgerecht bezahlten Raten akzeptiert und angenommen. Eine Aufforderung der Beklagten, weitere Ratenzahlungen zu leisten, hat er damit aber nicht behauptet; das erfolgte erst in der (zweiten) Streitverhandlung vom 2. Dezember 2010 und somit verspätet.

Der Umstand, dass sich die Vorinstanzen dennoch mit dem Inhalt des Schreibens vom 8. November 2006 auseinandersetzten, ändert nichts an der vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmenden Unbeachtlichkeit dieses Vorbringens. Gingen die Vorinstanzen nämlich auf Vorbringen, das gegen die Eventualmaxime verstieß, sachlich ein, hielten aber das Oppositionsbegehren dennoch nicht für berechtigt, darf der Oberste Gerichtshof wegen des zwingenden Charakters der Vorschrift des § 35 Abs 3 EO nicht auf das ausgeschlossene Vorbringen Bedacht nehmen (RIS-Justiz RS0008666).

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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