OGH 3Ob41/12v

OGH3Ob41/12v15.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M*****, wegen Entziehung der Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers Land Oberösterreich, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 22. Dezember 2011, GZ 21 R 298/11i‑20, womit über Rekurse der Mutter L*****, und der Großmutter D*****, vertreten durch Mag. Alexander Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, der Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 5. Oktober 2011, GZ 20 PS 94/11y-8, teilweise bestätigt und ergänzt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die in Ansehung der Abweisung des Obsorgeantrags der Großmutter in Rechtskraft erwachsen sind, werden im übrigen Umfang aufgehoben.

Die Pflegschaftssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Der Antrag der Mutter auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 28. April 2011 geborene M***** ist die uneheliche Tochter von L*****, und M*****.

Schon während der Schwangerschaft der Mutter kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern. Die Mutter erstattete am 14. November 2010 gegen den Vater Anzeige, weil er sie durch Versetzen von Schlägen und Tritten gegen den Ober- und Unterkörper sowie durch gewaltsames Drücken der Finger der rechten Hand vorsätzlich am Körper verletzt habe. Aufgrund dieses Vorfalls übersiedelte die Mutter sodann in das Haus ihrer Mutter (im Weiteren: mGM). Nachdem sich die Mutter in der Hauptverhandlung vor dem Erstgericht der Aussage entschlug, wurde der Vater hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Körperverletzung freigesprochen. Die Eltern beendeten ihre Beziehung aufgrund dieses Vorfalles nicht, lebten allerdings (auch nach der Geburt des Kindes) nicht mehr zusammen. Nach der räumlichen Trennung der Eltern während der Schwangerschaft der Mutter war mit dem JWT vereinbart, dass die Mutter bis zur Beendigung ihrer Lehrzeit (November/Dezember 2011) im Elternhaus wohnen solle.

Die Mutter betreute ihre Tochter vom ersten Tag an mit einer natürlichen Gelassenheit und Selbständigkeit und bedurfte dabei keiner Hilfe durch die mGM. Sie wurde gut in den Familienverband der mGM und ihres Ehegatten integriert, die gemeinsam mit dessen Eltern und dessen Großmutter sowie den drei eigenen Kindern im Alter zwischen fünf und acht Jahren auf einem großen Bauernhof leben. Allerdings kam es wegen schon lange bestehender Spannungen zwischen der Mutter und der mGM, aber auch der mütterlichen Urgroßmutter immer wieder zu heftigen Streitereien, Beschimpfungen und Beschuldigungen zwischen den Genannten. Stabilität und klare Verhältnisse waren in der Familie selten. So war auch die mGM froh, als die Mutter am 18. August 2011 in eine eigene Wohnung zog, weil die häufigen Streitereien auch ihre eigene Familie belasteten.

Die Mutter erstattete am 16. August 2011 gemeinsam mit ihrem damaligen Freund und der mGM neuerlich Anzeige gegen den Vater wegen gegen sie ausgesprochener gefährlicher Drohungen am 7. und 14. August 2011, worauf der Vater in Untersuchungshaft genommen wurde.

Über den deshalb gestellten Antrag der Mutter wurde gegen den Vater eine einstweilige Verfügung rechtskräftig erlassen, mit der ihm der Aufenthalt am neuen Wohnort der Mutter und dessen unmittelbarer Umgebung verboten und ihm für die Dauer von 12 Monaten aufgetragen wurde, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der Mutter zu vermeiden.

Während der Untersuchungshaft des Vaters besuchte ihn die Mutter in der Justizanstalt im Zeitraum vom 22. August bis 14. September 2011 insgesamt achtmal jeweils für die Dauer einer halben Stunde. Nachdem der Vater bei diesen Besuchen gegenüber der Mutter zum Ausdruck gebracht hatte, dass er sein Leben nun völlig ändern werde, wollte die Mutter auch die Beziehung mit ihm wieder aufnehmen. Bereits am 8. September 2011 beantragte die Mutter die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 18. August 2011 mit der Begründung, dass sie den Antrag unter dem Druck der mGM, der sie dazu veranlasst habe, falsche Behauptungen gegen den Vater aufzustellen, gestellt habe und ihre Behauptungen, der Vater habe ihnen gedroht und sie selbst geschlagen, jedenfalls falsch seien. Über Vorhalt, dass ein solches Verhalten strafbar sei, erklärte die Mutter, dass ihr dies bewusst sei und sie eine Bestrafung bewusst in Kauf nehme. Mit einem gleichlautenden Vorbringen beantragte die Mutter an diesem Tag auch die Abweisung des vom zuständigen Jugendwohlfahrtsträger (im Weiteren: JWT) als Vertreter des Kindes gemäß § 215 Abs 2 ABGB am 31. August 2011 gestellten Antrags auf Erlassung eines Betretungsverbots gegen den Vater für die Wohnung der Mutter.

Mit Beschlüssen je vom 9. September 2011 wies das Erstgericht einerseits den Antrag der Mutter ab und erließ andererseits eine einstweilige Verfügung gemäß § 382e EO, mit welcher es dem Vater für die Dauer von 12 Monaten den Aufenthalt am Wohnort des Kindes und dessen unmittelbarer Umgebung verbot und diesem weiters auftrug, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit dem Kind zu vermeiden. Das Erstgericht ging dabei davon aus, dass der dreifach vorbestrafte Vater (wegen zweier Vermögensdelikte und eines Suchtgiftdelikts) seit vielen Jahren immer wieder mit der Drogenszene in Berührung stehe und Suchtmittel konsumiere. Nach der Geburt des Mädchens habe er wenig Interesse an seiner Tochter gezeigt. Die Mutter habe er per SMS und durch laufende Anrufe beschimpft und weiterhin Konflikte mit ihr gesucht. Die Mutter habe den Vater schützen wollen und deswegen ihre ‑ tatsächlich nicht unwahren ‑ Anschuldigungen gegen den Vater zurückgenommen.

Bereits am 20. September 2011 fuhr die zuständige Sozialarbeiterin der Jugendwohlfahrt gemeinsam mit der Mutter in ein Mutter-Kind-Heim nach Linz, um dieses zu besichtigen. Die Mutter war jedoch nicht bereit, einen freien Platz dort in Anspruch zu nehmen.

Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 21. September 2011, AZ 12 Hv 117/11v, wurde der Vater der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2, fünfter Fall StGB bzw § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Aufgrund des Ansinnens der Mutter, den Vater nach Ende der Haft in ihrer Wohnung aufnehmen zu wollen, und der Weigerung der Mutter, der Forderung des JWT, zur Sicherstellung des Wohls des Kindes gemeinsam mit ihrer Tochter in eine bestimmte betreute Mutter-Kind-Einrichtung in Linz zu gehen, nachzukommen, verfügte der JWT am 21. September 2011 wegen Gefahr im Verzug gemäß § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB die Fremdunterbringung des Mädchens, und zwar zunächst bis 6. Oktober 2011 in der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde des LKH Vöcklabruck und sodann auf einem Krisenpflegeplatz.

In der Nacht vom 23. auf den 24. September 2011 wurde die Mutter vom Vater in einer Diskothek gewalttätig attackiert, indem er sie zu Boden warf und mit Füßen und Fäusten auf sie einschlug. Die Mutter war dadurch mehrere Minuten lang bewusstlos. Der Vater bedrohte bei diesem Vorfall auch Zeugen mit einer Eisenstange drohte allen Anwesenden, vor allem der Mutter, mit dem Umbringen. Gegenüber dem JWT bestritt er diese Attacken und beteuerte, sich um Hilfe wegen seiner Suchtproblematik zu wenden; er werde alles tun, um dem Mädchen ein guter Vater und der Mutter ein guter Partner zu sein. Die Mutter weigerte sich zunächst, eine Anzeige gegen den Vater einzubringen, und holte dies erst nach einigen Tagen nach.

Am 27. September 2011 drohte der Vater damit, sich das Leben zu nehmen, bedrohte neuerlich die Mutter und verfasste einen Abschiedsbrief. Er wurde daraufhin in der geschlossenen Abteilung für Psychiatrie des LKH Vöcklabruck untergebracht.

Die Mutter ist keinesfalls bereit, in eine betreute Mutter-Kind-Einrichtung zu ziehen, sondern möchte in ihrer Wohnung bleiben.

Schon am 21. September 2011 wurde vom JWT beim Erstgericht der Antrag gestellt, ihn gemäß § 176 ABGB mit der Obsorge für das Kind zur Gänze zu betrauen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, die Eltern befänden sich seit mehr als drei Jahren in einer von vielen Konflikten und Trennungen gekennzeichneten Beziehung und mit laufenden Schwierigkeiten auch während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Das gemeinsame Wohnen der Eltern sei bereits zweimal versucht worden, aber jedes Mal aufgrund heftiger Konflikte gescheitert. Der Vater gelte seit mehreren Jahren als Konsument von Suchtmitteln und sei dadurch auch die Mutter immer wieder mit dem Konsum von Suchtmitteln in Berührung gekommen, wobei ihr aber bei den Drogentests während der Schwangerschaft kein Suchtmittelkonsum mehr nachgewiesen habe werden können. Von der Jugendwohlfahrt sei bereits Mitte März 2011 zur Absicherung des Wohls des Kindes die Maßnahme der Unterstützung der Erziehung durch sozialpädagogische Betreuung durch eine Familienhebamme gewährt worden. Am 30. Juni 2011 habe die Mutter angegeben, vorerst weiterhin in ihrem Elternhaus wohnen zu bleiben. Am 18. August 2011 habe die mGM dann den JWT informiert, dass die Mutter bei ihr ausgezogen sei. Nach Erklärung der Bereitschaft, den Vater nach seiner Haftentlassung in ihrer Wohnung aufzunehmen, sei die Mutter in mehreren Gesprächen damit konfrontiert worden, dass ein gemeinsames Wohnen und auch nur ein kürzerer Aufenthalt des Vaters besuchsweise in ihrer neuen Wohnung aus Sicht des JWT eine Kindeswohlgefährdung darstelle. Aus diesem Grund sei der Mutter angeboten worden, in eine betreute Mutter-Kind-Einrichtung zum Schutz ihrer Tochter zu ziehen, womit der Verbleib der Minderjährigen bei ihr sichergestellt gewesen wäre. Trotz eingehender Besichtigung der entsprechenden Einrichtung und Information über die ansonsten bevorstehende Abnahme des Kindes, habe sich die Mutter nicht zum Einzug in diese Einrichtung entschließen können. Es sei davon auszugehen, dass sie den Vater aufgrund ihrer von Abhängigkeit gekennzeichneten Beziehung zu ihm in ihre Wohnung aufnehmen werde. Da eine Kontrolle darüber praktisch nicht möglich sei, werde daher zum Schutz des Wohls der Minderjährigen eine Übertragung der gesamten Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger beantragt.

Am 27. September 2011 stellte die mGM den Antrag, ihr für den Fall, dass der Mutter die Obsorge entzogen werden sollte, die Obsorge zumindest im Teilbereich Pflege und Erziehung für ihre Enkelin zu übertragen.

Die Mutter sprach sich gegen die Übertragung der Obsorge an den JWT aus und wendete ua ein, dass es dem Kind gut bei ihr gehe und sie den Vater auch in Zukunft nicht mehr zu sich lasse. Sie gehe keinesfalls in eine betreute Einrichtung, weil sie sich mühsam eine Wohnung und eine Berufsausbildung aufgebaut habe.

Das Erstgericht entzog der Mutter antragsgemäß die Obsorge und übertrug sie auf den JWT; den (bedingten) Obsorgeantrag der mGM wies es (mittlerweile rechtskräftig) ab. Es ging dabei im Wesentlichen von dem eingangs dargestellten Sachverhalt aus. Rechtlich folgerte es, die Entziehung der Obsorge wegen Gefährdung des Kindeswohls sei - ungeachtet des Umstands, dass der Mutter in der (auch alleinigen) Betreuung ihrer (damals) ca sechsmonatigen Tochter nichts vorzuwerfen sei ‑ notwendig. Begründet wurde dies sowohl mit der äußerst konflikthaften und von Gewalt gegen die Mutter geprägten Beziehung zum Vater, vor dem sie das Kind nicht schützen werde können/wollen; aber auch mit der Weigerung, in ein Mutter-Kind-Heim zu ziehen, was zeige, dass sie nicht in der Lage sei zu erkennen, dass für das Kind eine konfliktfreie und stabile Umgebung notwendig sei.

In ihrem Rekurs erklärte sich die Mutter („wenn es sein muss“) erstmals damit einverstanden, in eine betreute Mutter-Kind-Einrichtung gemeinsam mit dem Kind zu ziehen, weil sie nunmehr (Mitte Dezember 2011) ihre Berufsschule absolviert habe. Im Rekurs findet sich auch der Hinweis, dass der JWT vorhabe, das Kind ab 21. Dezember 2011 von Krisenpflegeeltern (bei denen es die Mutter einmal in der Woche sehen könne) zu einem „endgültigen“ Pflegeelternpaar zu geben (was der JWT in der Rekursbeantwortung ON 17 bestätigte) und das Besuchsrecht auf einmal pro Monat zu reduzieren.

Gegenüber dem Rekursgericht gab die Mutter eine schriftliche Erklärung ab, in der sie die Bereitschaft zum „betreuten Wohnen“ mit dem Kind wiederholte und zusicherte, die Beziehung zum Vater beendet zu haben und zu lassen (siehe AS 183 und 175). Weiters erhielt das Rekursgericht vom JWT die Mitteilung, dass die Überstellung des Kindes auf einen Dauerpflegeplatz gestoppt wurde (siehe AS 181). Es klärte auch ab, dass in einer bestimmten Einrichtung Platz für die Unterbringung von Mutter und Kind vorhanden ist (siehe AS 183).

Mit der Rekursentscheidung bestätigte das Rekursgericht die Abweisung des Obsorgeantrags der mGM und gab dem Rekurs der Mutter dahin Folge, dass es die Obsorgeübertragung an den JWT durch einen Auftrag an diesen einschränkte, zur Vorbereitung der Rückführung des Kindes zur Mutter die Aufnahme der Mutter in eine ganz bestimmte Einrichtung zu veranlassen und das Kind der Mutter nach der Aufnahme wieder zu übergeben. Dieser Anordnung erkannte es vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit gemäß § 44 AußStrG zu und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen für nicht zulässig.

Es sei zwar von einer nach wie vor gegebenen, erheblichen emotionalen Abhängigkeit der Mutter vom Vater auszugehen, die eine Wiederaufnahme der Beziehung zum gewaltbereiten Vater nicht ausschließen lasse; demgegenüber spreche das bisherige Verhalten der Mutter zu ihrer Tochter dafür, möglichst rasch eine Rückführung vorzubereiten und das Kind jedenfalls nicht auf einem Dauerpflegeplatz unterzubringen. Unter den gegebenen Umständen (gewaltbereiter und süchtiger Vater, Beziehungsproblematik, Beendigung der Unterstützung der Mutter) sei aber an eine sofortige Rückkehr des Kindes zur Mutter nicht zu denken, sondern bedürfe dies einer Vorbereitung. Dafür biete sich ein „betreutes Wohnen“ an, das ein geschütztes Zusammenleben von Mutter und Tochter in deren Interesse ermögliche. Durch die Aufrechterhaltung der Obsorge des JWT könne dieser die weitere Entwicklung beobachten und allenfalls eingreifen. In der gegebenen Situation entspreche es daher dem Wohl des Kindes am besten, die Obsorge beim JWT zu belassen und diesem die Vorbereitung der Zusammenführung vorläufig verbindlich aufzutragen.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des JWT wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, der die ersatzlose Behebung nur des Auftrags mit den Argumenten anstrebt. Es fehle an der Gefährdung des Kindeswohls durch den JWT als Voraussetzung für einen solchen Auftrag und ein solcher stelle einen gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung verstoßenden Eingriff des Gerichts in die Kompetenz des JWT dar. Gleichzeitig wurde angeregt, den Ausspruch nach § 44 AußStrG umgehend aufzuheben.

Die Mutter beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel des JWT zurück‑ oder abzuweisen. Sie legte damit einen „Betreuungsplan ‑ Eintrittsphase“ der vom Rekursgericht in seinem Auftrag an den JWT bezeichneten Einrichtung vom 13. April 2012 vor. Dem ist ua zu entnehmen, die Mutter sei am 27. Jänner 2012 in diese Wohngemeinschaft aufgenommen worden und am 3. Februar 2012 sei es nach einwöchiger, intensiver Anbahnung zur erfolgreichen Rückführung des Mädchens zu seiner Mutter gekommen; die Mutter sei ihrer Tochter eine liebevolle Mutter, die sie vorbildlich versorge; es bestehe eine sehr gute Bindung; mit einem Freund führe die Mutter eine harmonische Beziehung; zum Vater bestehe kein Kontakt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidung über die Entziehung und Übertragung der Obsorge samt Auftragserteilung an den JWT auch berechtigt, weil das Rekursgericht von der dazu bestehenden Judikatur abgewichen ist:

1. Dem Rekursgericht ist zuzugestehen, eine vom Ergebnis her durchaus sinnvolle Entscheidung getroffen zu haben, weil auf die Änderung der Tatsachengrundlage Bedacht genommen und die rasche Zusammenführung von Mutter und Kind in einem betreuten und geschützten Bereich angestrebt wurde, dennoch aber Unsicherheiten zum zukünftigen Verhalten der Mutter nicht unberücksichtigt blieben. Allerdings lässt sich damit allein eine Auftragserteilung an den Obsorgeberechtigten nach der Judikatur nicht rechtfertigen.

2. Ohne Gefährdung des Kindeswohls und eine dadurch bedingte Notwendigkeit der Änderung eines bestehenden Zustands kommt eine Verfügung nach § 176 Abs 1 ABGB ‑ und zwar unabhängig davon, ob sie eine (Teil‑)Entziehung der Obsorge oder eine „Auflage“ mit inhaltlichen Vorgaben für die Ausübung des Obsorgerechts ausspricht, jedenfalls nicht in Betracht, auch wenn sie zweckmäßig oder sinnvoll wäre (RIS-Justiz RS0127207; RS0127247; vgl auch RS0085167). Das Argument des JWT, ein Auftrag an ihn (gleichzeitig mit der Übertragung der Obsorge) hätte erfordert, dass er durch Maßnahmen oder Versäumnisse das Kindeswohl gefährde, trifft daher zu.

Eine solche hat das Rekursgericht aber gar nicht angenommen, weil es nur damit argumentierte, der Auftrag an den JWT entspreche dem Kindeswohl am besten. Nach der (erkennbar durch die nachträglich erklärte Bereitschaft der Mutter zur Aufnahme in eine betreute Wohngemeinschaft bedingten) Aufgabe des (doch etwas voreilig erscheinenden) Plans des JWT, das Mädchen schon etwa zwei Monate nach seiner Abnahme, jedoch noch vor dem Vorliegen einer Rechtsmittelentscheidung auf einem Dauerpflegeplatz unterzubringen, kann auch nach der Aktenlage eine solche nicht erkannt werden. Somit ist aber eine Aufrechterhaltung der Rekursentscheidung im bekämpften Umfang nicht möglich, weil es an der Voraussetzung für die Erteilung des Auftrags fehlte.

Das erübrigt eine Auseinandersetzung mit der weiters vom JWT aufgeworfenen Rechtsfrage zu einem allfälligen Verstoß gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung.

3. Als Folge der unzutreffenden Rechtsansicht des Rekursgerichts kommt es aber nicht (nur) zu einer ersatzlosen Beseitigung des rekursgerichtlichen Auftrags unter Aufrechterhaltung der Obsorgeentziehung und -übertragung. Die unter einem vorgenommene teilweise Bestätigung der Obsorgeentscheidung des Erstgerichts in Verbindung mit der ergänzenden Anordnung einer die Ausübung der Obsorge gravierend einschränkenden Maßnahme stehen nämlich in einem untrennbaren Sachzusammenhang, der ‑ ungeachtet der unterbliebenen Anfechtung der Rekursentscheidung durch die Mutter ‑ eine voneinander losgelöste Beurteilung der beiden Komplexe ausschließt.

Dabei bedarf es der Berücksichtigung der nach der Entscheidung des Erstgerichts und auch des Rekursgerichts aktenkundig gewordenen Entwicklungen, die nicht nur in der nachträglich erklärten (bloßen) Bereitschaft der Mutter zur Aufnahme in eine betreute Wohngemeinschaft bestehen, sondern auch ‑ als Folge des Ausspruchs des Rekursgerichts nach § 44 AußStrG ‑ in deren Umsetzung einschließlich der Zusammenführung von Mutter und Kind seit mehreren Monaten (vgl den mit der Revisionsrekursbeantwortung vorgelegten Bericht). Das lässt eine wesentliche Veränderung der Tatsachengrundlage erkennen, die nach der Judikatur bei Obsorgeentscheidungen auch in letzter Instanz nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl RIS‑Justiz RS0106312; RS0106313; RS0048056; RS0006893).

Deshalb sind die Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit sie die Zuteilung der Obsorge zwischen der Mutter und dem JWT betreffen, aufzuheben; die Pflegschaftssache muss somit zur entsprechenden Verfahrensergänzung und Prüfung der neuen Situation an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird auf aktueller Grundlage zu erheben haben, ob die Voraussetzungen für den Antrag des JWT nach § 215 ABGB (noch) gegeben sind und sodann neuerlich darüber zu entscheiden haben.

4. Angesichts der (endgültigen) Aufhebung des rekursgerichtlichen Beschlusses durch den Obersten Gerichtshof bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Anregung des JWT im Revisionsrekurs, den somit hinfällig gewordenen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 44 AußStrG aufzuheben.

5. Schon die gesetzliche Anordnung in § 107 Abs 3 AußStrG, wonach in Verfahren über die Obsorge ein Kostenersatz nicht stattfindet, schließt es aus, der Mutter die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen. Ihr darauf gerichteter Antrag war daher jedenfalls zurückzuweisen.

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