Normen
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §2 Abs2 litb
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §14
Kraftfahrgesetz 1955 §70
ZPO §228
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §2 Abs2 litb
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §14
Kraftfahrgesetz 1955 §70
ZPO §228
Spruch:
Zulässigkeit einer Feststellungsklage, wenn der Autokaskoversicherer den Anspruch dem Gründe nach bestreitet und ein Sachverständigenverfahren nach § 14 AKB. noch nicht stattgefunden hat.
Zur Frage der Berechtigung zur vorübergehenden Führung eines Kraftfahrzeuges nach Abschnitt VIII KFG. 1955.
Entscheidung vom 22. November 1961, 3 Ob 397/61.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er hatte mit seinem Kraftwagen am 26. März 1960 bei A. einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden an seinem Wagen. Er besaß zur Unfallszeit einen deutschen und einen deutschen zwischenstaatlichen Führerschein und war bei der beklagten Partei vollkaskoversichert.
Der Kläger brachte in seiner am 7. Oktober 1960 eingebrachten Klage vor, die beklagte Partei habe mit Schreiben vom 19. August 1960 die Schadensdeckung mit der Begründung abgelehnt, der Kläger besitze in Österreich keine gültige Fahrberechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeuges. Der Kläger habe aber in der Deutschen Bundesrepublik, nämlich in München, und in Wien ein Geschäft und fahre ständig in Deutschland und Österreich mit Fahrzeugen. Die beklagte Partei habe unter gleichen Verhältnissen einen am 4. September 1958 an einem Wagen des Klägers entstandenen
Schaden anstandslos liquidiert, so daß der Kläger der Meinung habe sein müssen, daß er mit seinen Fahrausweisen zur Fahrzeuglenkung in Österreich berechtigt sei und aus seinem Versicherungsvertrag Deckung habe. Der Kläger stellte den Urteilsantrag, es werde festgestellt, daß der Anspruch der klagenden Partei aus dem Versicherungsvertrag zur Polizze Nr. 166/77453 nach dem Verkehrsunfall vom 26. März 1960 gegenüber der beklagten Partei dem Gründe nach zu Recht bestehe.
Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, der Kläger habe seinen ordentlichen Wohnsitz in Wien und fahre nur vorübergehend zur Aufrechterhaltung geschäftlicher Kontakte nach Deutschland. Nach einer Auskunft der Polizeidirektion W. vom 25. Juli 1960 dürfe ein deutscher Staatsangehöriger auf Grund eines deutschen Führerscheines nur während eines vorübergehenden Aufenthaltes ein Kraftfahrzeug in Österreich lenken. Weil der Kläger bei Eintritt des Versicherungsfalles die vorgeschriebene Fahrerlaubnis, nämlich einen österreichischen Führerschein, nicht gehabt habe, sei die beklagte Partei gemäß § 2 Abs. 2 lit. b AKB. leistungsfrei.
Der Erstrichter gab der Klage statt. Er nahm als erwiesen an, daß der Kläger seit 1953 in Wien gemeldet ist, hier wohnt und auch ein Geschäft für Autozubehör betreibt, daß aber der Kläger daneben auch in der Deutschen Bundesrepublik eine Wohnung hatte und daß er in München als technischer Berater tätig ist. Jährlich ist der Kläger, verteilt auf das ganze Jahr, durchschnittlich drei bis vier Monate in der Deutschen Bundesrepublik tätig. Bei Abschluß des vorliegenden Versicherungsvertrages wußte der Versicherungsagent A., daß der Kläger nur, einen deutschen und einen deutschen internationalen Führerschein besitzt. Im Jahre 1958 liquidierte die beklagte Partei als Versicherer dem Kläger als Versicherungsnehmer einen Unfallschaden bei einem Kraftwagen, obgleich die Führerscheindaten des Klägers in der Schadensmeldung angegeben waren. Der Kläger erhielt nunmehr am 23. September 1960 einen österreichischen Führerschein. In rechtlicher Hinsicht hätte zwar der Kläger einen österreichischen Führerschein erwerben müssen, weil er sich nicht mehr vorübergehend in Österreich aufhielt. Da aber zwischen dem Erwerb des österreichischen Führerscheines und der Fahrkunst des Klägers nach dem gegebenen Sachverhalt kein Zusammenhang bestehe, sei zwischen dem Unfall und dem Mangel eines österreichischen Führerscheines keine Kausalität gegeben (§ 6 Abs. 2 VersVG.). Hätte der Kläger seinen Aufenthalt in Österreich für längere Zeit unterbrochen, dann wäre ein deutscher Führerschein bei der neuerlichen Einreise ausreichend gewesen. Dem Kläger sei auch nicht bescheidmäßig der deutsche Führerschein entzogen worden. Auch sei der Ausdruck "vorübergehend" in den maßgebenden Vorschriften so unbestimmt, daß die Obliegenheitsverletzung des Klägers im Sinn des § 6 Abs. 1 VersVG. unverschuldet sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Zwar stelle die Führerscheinklausel nach herrschender Ansicht mit Rücksicht auf die Fassung des § 2 Abs. 2 AKB. nur eine Obliegenheit im Sinn des § 6 Abs. 2 VersVG. dar, doch sei die vorgeschriebene Fahrerlaubnis auch für einen deutschen Staatsbürger, der seinen dauernden Aufenthalt in Österreich nehme, der österreichische Führerschein (§ 57 KfG. 1955). Der Besitz des vorgeschriebenen Führerscheines könne durch den Nachweis des tatsächlichen Fahrenkönnens nicht ersetzt werden. Belanglos sei der Ersatz eines früheren Schadens durch die beklagte Partei gegenüber dem Kläger. Der Versicherer sei auch nicht verpflichtet, auf die Notwendigkeit eines österreichischen Führerscheines hinzuweisen, zumal nicht eine bestimmte Person nach dem Versicherungsvertrag Führer des Fahrzeuges sein müsse. Das Verhalten der inländischen Behörden zum Besitz des Klägers an Führerscheinen sei für die Leistungspflicht der beklagten Partei unerheblich. Zur Kündigung des Versicherungsvertrages im Sinn des § 6 Abs. 1 VersVG. sei die beklagte Partei mangels Kenntnis der Obliegenheitsverletzung nicht verpflichtet gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das Ersturteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst war das rechtliche Interesse an der erhobenen Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO. von Amts wegen zu prüfen (SZ. XXVI 116, SZ. XXIV 267). Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung VersR. 1958 S. 228 ausgesprochen, daß bei der Autokaskoversicherung der Versicherungsnehmer, wenn der Versicherer den Anspruch dem Gründe nach bestreitet, auf Leistung klagen müsse, wenn er, wie im vorliegenden Fall, die Höhe des eingetretenen Schadens bereits kennt. Diese Entscheidung wird nicht aufrechterhalten, weil sie auf die Sonderbestimmung des § 14 AKB. nicht Bedacht nimmt. Auf die Autokaskoversicherung finden allgemein die AKB., insbesondere auch deren § 14, Anwendung. Nach § 14 AKB., der in § 64 VersVG. seine gesetzliche Verankerung hat, entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens oder den Umfang der Wiederherstellung ein bestimmter Sachverständigenausschuß. Daraus folgt, daß ein Leistungsanspruch erst dann geltend gemacht werden kann, wenn entweder die Höhe des Schadens außer Streit steht oder das Schadensfeststellungsverfahren durchgeführt ist. Vor dem Abschluß oder dein endgültigen Scheitern dieses Verfahrens tritt keine Fälligkeit des Leistungsanspruches ein, so daß eine Leistungsklage abzuweisen wäre. Doch ist eine Feststellungsklage zuzulassen, und zwar auch dann, wenn der Versicherer die Leistungspflicht dem Gründe nach bestreitet, ohne daß ein Sachverständigenverfahren stattgefunden hat.
In der Sache selbst geht der Oberste Gerichtshof zunächst von folgenden rechtlichen Erwägungen aus: Der zwischenstaatliche Kraftfahrzeugverkehr zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland war bis zum Inkrafttreten des Kraftfahrgesetzes 1955, BGBl. Nr. 223, durch § 89 Abs. 2 KfV. 1947, BGBl. Nr. 83, und die besondere Anordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau, nämlich den Erlaß Z. 175.236-VI-29/50 vom 17. Oktober 1950, Amtliche Nachrichten 1950 Nr. 10 S. 10 Nr. 15, geregelt, wonach den Inhabern deutscher Führerscheine der vorübergehende Verkehr in Österreich auf Grund der heimatlichen Urkunde unter Verzicht auf das Erfordernis eines zwischenstaatlichen Führerscheines gestattet war. Nach dem Inkrafttreten des Kraftfahrgesetzes 1955 wurde die Gültigkeit der vorstehenden Anordnung gemäß §§ 66 Abs. 3, 70 KfG. 1955 durch die Anordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau, Erlaß Z. 82.935-I/7- 57 vom 20. Mai 1957, Amtliche Nachrichten 1957 Nr. 6 S. 48 Nr. 11, ausdrücklich aufrechterhalten. Es kommt daher entgegen den Ausführungen in der Revision auf die Frage des zwischenstaatlichen Führerscheines des Klägers im vorliegenden Fall nicht an, sondern nur darauf, ob der Kläger auf Grund seines unbestrittenen Besitzes eines deutschen Führerscheines im Unfallszeitpunkt die in Österreich vorgeschriebene Fahrerlaubnis im Sinn des § 2 Abs. 2 lit. b AKB. hatte. Im übrigen berechtigt gemäß § 70 KfG. 1955 auch ein zwischenstaatlicher ausländischer Führerschein nur zum vorübergehenden Verkehr in Österreich.
Die Frage der Berechtigung zur vorübergehenden Führung von Kraftfahrzeugen nach Abschnitt VIII KfG. 1955 über den zwischenstaatlichen Kraftfahrverkehr und den entsprechenden Anordnungen ist mangels gesetzlicher Regelung nach den Tatumständen des einzelnen Falles zu entscheiden (so auch Schreiben des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 2. Juli 1957, ZVR. 1957 S. 163).
Es handelt sich dabei um eine Tat- und eine Rechtsfrage, die hier als Vorfrage zu lösen ist. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, daß der Kläger zur Unfallszeit in seinem Heimatstaat und in Österreich je eine Wohnung hatte, sich in beiden Staaten geschäftlich betätigte und erst im Jahre 1953 auf diese Weise in Österreich Aufenthalt genommen hat. Ferner steht fest, daß er, verteilt auf ein ganzes Jahr, durchschnittlich drei bis vier Monate in seinem Heimatstaat und die übrige Zeit in Österreich weilt, daß er also immer wieder aus seinem Heimatstaat nach Österreich kommt und in seinen Heimatstaat zurückkehrt. Er hält sich daher als Ausländer in Österreich tatsächlich immer wieder nur vorübergehend auf, wobei es belanglos ist, daß in Summe der jährliche Aufenthalt in Österreich länger dauert als in seinem Heimatstaat. Entscheidend ist vielmehr, daß er immer wieder zum Zweck der geschäftlichen Betätigung, also regelmäßig, in seinen Heimatstaat zurückkehrt und von dort sich zwischenweilig wieder nach Österreich begibt. Die Behauptung der beklagten Partei, daß der Kläger seinen ordentlichen Wohnsitz in Wien habe und nur vorübergehend nach Deutschland fahre, um dort bloß geschäftliche Kontakte aufrechtzuhalten, ist in tatsächlicher Hinsicht widerlegt. Es kann daher die rechtliche Beurteilung eines solchen Tatbestandes dahingestellt bleiben. Die von der beklagten Partei auf Grund ihrer Anfrage von der Bundespolizeidirektion W. erteilte Auskunft vom 25. Juli 1960, die hinsichtlich ihrer Richtigkeit von der klagenden Partei bestritten wurde, ist kein Bescheid im Sinn des § 56 AVG. und daher unverbindlich.
Es ist vielmehr in rechtlicher Hinsicht zu sagen, daß der Kläger nach den vorliegenden Feststellungen auf Grund der oben bezogenen Bestimmungen im Unfallszeitpunkt berechtigt war, auf Grund seines deutschen Führerscheines den Unfallswagen zu führen. Der Kläger war somit im Sinn des § 2 Abs. 2 lit. b AKB.im Besitz der vorgeschriebenen Fahrerlaubnis. Die von der beklagten Partei in Anspruch genommene Leistungsfreiheit ist daher nicht gegeben.
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