Normen
Markenschutzgesetz 1953 §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Markenschutzgesetz 1953 §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Spruch:
Im Inland genießt lediglich die im Inland registrierte Marke Schutz, nicht aber die im Ausland registrierte, es wäre denn, daß die ausländische Marke im Inlande bereits vor der Registrierung für das inländische Unternehmen für das ausländische Unternehmen als Unternehmenskennzeichen Verkehrsgeltung erlangt hätte.
Entscheidung vom 4. September 1957, 3 Ob 356/57.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Untergerichte nahmen folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Die gefährdete Partei ist Inhaberin zweier beim Internationalen Büro in Bern hinterlegter Marken für Schallplatten "B.", nämlich der Wortmarke Nr. 190.654 mit der Priorität vom 2. März 1936 und der Wortbildmarke Nr. 183.117 mit der Priorität für Österreich vom 4. März 1955. Im Geschäftslokal der Antragsgegnerin wurden Schallplatten unter der Marke "B." verkauft, die von der Decca-Records Inc. New York unter Mitwirkung von Louis Armstrong hergestellte Aufnahmen näher bezeichneter Musikstücke enthalten. An den Aufnahmen dieser Musikstücke mit Louis Armstrong auf Schallträgern hat die Decca Records Inc. New York das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht. Die gefährdete Partei hat dieses Recht für Österreich erworben. Für Großbritannien besitzt dieses Recht "The Decca Records Company Ltd. London". Die von der Antragsgegnerin in ihrem Geschäftslokal verkauften Schallplatten werden von der genannten Londoner Firma erzeugt, in Großbritannien unter der Marke "B" vertrieben und von dort nach Österreich eingeführt.
Die gefährdete Partei beantragte in ihrer gleichzeitig eingebrachten Klage die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin verboten wird, a) Schallplatten, die weder von der gefährdeten Partei noch von der P.-Schallplattengesellschaft m. b. H. stammen, unter der Marke "B." in Verkehr zu bringen, b) Schallplatten, auf denen von der Decca Records Inc. New York unter Mitwirkung von Louis Armstrong hergestellte Aufnahmen der näher bezeichneten Musikstücke festgehalten sind, zu verbreiten, es sei denn, sie stammten von der gefährdeten Partei oder ihrer Tochtergesellschaft der P.-Schallplattengesellschaft m. b. H.
Das Erstgericht gab dem Antrag vollinhaltlich statt. Die gefährdete Partei sei ausschließlich befugt, die Marke "B." für Schallplatten zu benützen, und daher berechtigt, die Unterlassung zu begehren, solche Schallplatten, die weder von ihr noch von ihrer Tochtergesellschaft stammen, in den Verkehr zu bringen. Die Antragsgegnerin sei auch passiv legitimiert, und zwar nicht nur deshalb, weil sie die nach ihrer Meinung allein legitimierte E.- Verlags AG. als ihre kaufmännische Organisation bezeichne, sondern auch deshalb, weil die in Rede stehende Langspielplatte in ihrem Geschäftslokal schlechthin verkauft worden sei. Die gefährdete Partei sei aber auch auf Grund des ihr für Österreich ausschließlich zustehenden Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechtes berechtigt, die Unterlassung der Verbreitung der von der Decca Records Inc. New York unter Mitwirkung von Louis Armstrong hergestellten Aufnahmen der angeführten Musikstücke gemäß §§ 76, 81 Abs. 1 UrhG. zu begehren.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung hinsichtlich des Punktes b), wies jedoch den Antrag zu a) ab. Auch das Rekursgericht nahm die Passivlegitimation der Antragsgegnerin als bescheinigt an. Das Verbot zu b) sei durch § 76 Abs. 1 UrhG. gedeckt. Hingegen sei der Rekurs im übrigen begrundet. Das Markenrecht gebe nur das Recht, jeden anderen daran zu hindern, die Marke zur unbefugten Bezeichnung einer Ware zu verwenden. Ein solches Verhalten sei nicht behauptet worden. Von einem unrechtmäßigen Gebrauch könne dann nicht gesprochen werden, wenn eine Ware, die rechtmäßig mit einer Marke versehen wurde, möge dies auch im Ausland geschehen sein, in das Inland eingeführt und hier in den geschäftlichen Verkehr gebracht werde. Jede andere Auslegung würde dazu führen, daß auf dem Umweg über das Markenrecht ein Verkaufsmonopol für den Markeninhaber errichtet würde. Dies sei nicht der Zweck des Markenschutzgesetzes. Die Handlung der Antragsgegnerin verstoße aber auch nicht gegen § 9 UWG., weil keine mißbräuchliche, verwechslungsfähige Verwendung der Marke vorliege. Auch ein Verstoß gegen § 1 UWG. liege nicht vor. Abgesehen davon, daß die gefährdete Partei nicht einmal ein Alleinvertriebsrecht der Schallplattenmarke "B." in Österreich behaupte, läge in der Verletzung eines solchen Rechtes keine unlautere Wettbewerbshandlung, wenn sich die Antragsgegnerin die Schallplatten nicht auf einem Wege verschafft hätte, der an sich als ein Verhalten gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr angesehen werden müßte. Auch dies sei nicht behauptet worden. Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rekursgericht scheint zu übersehen, daß das Begehren keineswegs auf das Markenschutzgesetz gestützt wird, das nach der herrschenden Rechtsprechung überhaupt keine zivilrechtliche Unterlassungsklage gegen Markeneingriffe gibt (SZ. XI 141). Der Anspruch grundet sich ausschließlich auf § 9 UWG. Diese Gesetzesstelle gibt aber einen Unterlassungsanspruch nicht nur gegen denjenigen, der die Ware unbefugt mit der Marke versieht, sondern gewährt einen Unterlassungsanspruch - und bei verschuldetem Mißbrauch auch einen Schadenersatzanspruch - gegen jede Verwendung der Marke, die geeignet ist, eine Verwechslung mit dem Unternehmen hervorzurufen, für das die Marke eingetragen ist.
Die Marke gibt also ein ausschließliches Gebrauchs- und Untersagungsrecht. Es entsteht durch die Registrierung und ist beschränkt auf jenen Staat, in dem die Marke registriert ist. Diese Registrierung hindert nicht, daß einem Unternehmer in einem anderen Staat oder, wenn es sich um eine internationale Marke handelt, in einem Nichtvertragsstaat für die gleiche Ware die gleiche Marke registriert wird und dort der ausländische Markeninhaber jedermann vom Gebrauche seiner Marke auszuschließen vermag. Es ist zwar richtig, daß durch das Inverkehrsetzen das Markenrecht erschöpft ist. Ist die mit der Marke versehene Ware einmal in Verkehr gesetzt, so verletzt der Abnehmer der Ware das Markenrecht nicht, wenn er die vom Markeninhaber gekennzeichnete Ware weiter gewerblich verwendet und veräußert. Allein dies gilt wegen des Territorialprinzips nur für das Inverkehrsetzen im Inland, nicht aber dann, wenn aus dem Ausland eine Ware, die befugterweise vom ausländischen Markeninhaber mit der Marke versehen wird, in das Inland eingeführt wird und im Inlande die gleiche Marke für die gleiche Ware, aber für ein anderes Unternehmen registriert ist. Im Inland genießt lediglich die im Inland registrierte Marke Schutz, nicht auch die im Ausland registrierte, es wäre denn, daß diese ausländische Marke im Inlande bereits vor der Registrierung für das inländische Unternehmen für das ausländische Unternehmen als Unternehmenskennzeichen Verkehrsgeltung erlangt hätte. Die in einigen anderen Staaten, insbesondere in Italien, verbreitete gegenteilige Meinung lehnt der Oberste Gerichtshof ab.
Im vorliegenden Fall besitzt The Decca Records Ltd. London die Marke "B.". Diese ist für sie in Großbritannien registriert, so daß diese Firma das ausschließliche Gebrauchsrecht für diese Marke in diesem Lande hat. Die befugterweise mit der Marke "B." in England versehenen Schallplatten wurden nach Österreich eingeführt. Hier ist die Marke "B." für die gefährdete Partei registriert. Hier besitzt somit die gefährdete Partei das alleinige Gebrauchsrecht für diese Marke. Das Inverkehrsetzen der in England mit der ausländischen Marke versehenen Schallplatte ist geeignet, Verwechslungen mit den Erzeugnissen der gefährdeten Partei herbeizuführen. Der Gebrauch verstößt somit gegen § 9 UWG.
Dieses Verbot des § 9 UWG. richtet sich natürlich nicht gegen die Erzeugnisse der britischen Schallplattenfirma an sich - von Bindungen nach dem Urheberrechtsgesetz sei hier abgesehen -, sondern nur gegen den Vertrieb der Schallplatte unter der Marke "B.". Lediglich der Verkauf unter dieser Marke ist monopolisiert, nicht aber der Vertrieb der Ware an sich. Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb dieser Schutz dem Kartellgesetz widersprechen sollte. Die Beklagte kann ohne weiteres die gleiche Ware aus England beziehen, wenn an der Platte keine Marke angebracht ist, ohne gegen das UWG. zu verstoßen. Ob dann ein Verstoß gegen ein anderes Gesetz vorliegt, ist diesmal nicht zu entscheiden.
Nach diesen Darlegungen ist der Unterlassungsanspruch bescheinigt, so daß der erstgerichtliche Beschluß wieder herzustellen war.
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