Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Beschlüsse des Erstgerichtes vom 30.9.1996 (ON 6) und vom 14.4.1997 (ON 14) wiederhergestellt werden; letzterer Beschluß mit der Maßgabe, daß "der Antrag der betreibenden Partei auf Vollzug der Exekution vom 3.10.1996 (ON 8) abgewiesen und die betreibende Partei verpflichtet wird, der verpflichteten Partei die mit S 13.222,80 (darin S 2.203,80 Umsatzsteuer) bestimmten Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen".
Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 22.455,-- (darin S 3.742,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der verpflichteten Partei ist auf Grund des vollstreckbaren Urteils des Handelsgerichtes Wien vom 18.8.1994, 37 Cg 183/93b-15 verboten, unentgeltliche Zugaben in der Form zu gewähren, daß in der N***** K*****-Zeitung die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel eingeräumt wird, wenn durch die tägliche oder doch wiederkehrende Veröffentlichung des Gewinnspiels ein Anreiz zum Kauf der N***** K*****-Zeitung ausgeübt wird, indem der Eindruck vermittelt wird, es würden auch in künftigen Ausgaben der N***** K*****-Zeitung Gewinnspiele veröffentlicht werden.
Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei mit Beschluß vom 16.8.1996, ON 1, auf Grund des genannten Urteiles die Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen und verhängte über die verpflichtete Partei eine Geldstrafe von S 60.000,-. Nach den Behauptungen der betreibenden Partei im Exekutionsantrag vom 7.8.1996 habe die verpflichtete Partei im März 1996 zweimal, im April 1996 viermal - hier seinen nur einige wenige von zahllosen Ankündigungen erwähnt worden -, im Mai 1996 zwölfmal, im Juni 1996 sechzehnmal, im Juli 1996 zehnmal und am 4.8.1996 dem Titel zuwidergehandelt. Auf Antrag der betreibenden Partei vom 28.8.1996 (ON 2) verhängte das Erstgericht wegen des behaupteten neuerlichen Zuwiderhandelns der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel am 25. und am 27.8.1996 mit Beschluß vom 11.9.1996 eine weitere Geldstrafe von S 60.000,-.
Die weiteren Strafanträge der betreibenden Partei vom 18.9.1996 (ON 3) bzw vom 3.10.1996 (ON 8) wegen weiterer Titelverstöße am 15.9.1996 bzw am 24.9. und am 2.10.1996 wies das Erstgericht mit den Beschlüssen ON 6 und ON 14 ab.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte infolge von Rekursen der verpflichteten Partei die Exekutionsbewilligung und den ersten Strafbeschluß des Erstgerichtes und verhängte infolge von Rekursen der betreibenden Partei in Abänderung der erstinstanzlichen Beschlüsse ON 6 und 14 über die verpflichtete Partei wegen der neuerlichen in den Strafanträgen ON 3 und 8 dargestellten Titelverstöße Geldstrafen von jeweils S 80.000,- und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die gegenständlich inkriminierten Aktionen als "wiederkehrende Veröffentlichung" eines Gewinnspiels zu qualifizieren seien, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Im Strafantrag ON 3 habe die betreibende Partei weiteres Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel ausreichend konkret und schlüssig dadurch zum Ausdruck gebracht, daß in der Sonntagsausgabe vom 15.9.1996 - in gleicher Art, wie schon in den "Sonntagsausgaben" vom 21. und 28.4., 12. und 19.5, 2., 9., 23. und 30.6., 28.7., 4. und 27. (Dienstag!)8.1996 - unter dem Logo "Krone Aktion" für vier Leser teuere Flugreisen nach London (Oxford oder Chambridge) veröffentlicht worden sei, wobei durch die zumindest wiederkehrende Veröffentlichung des Gewinnspieles ein Kaufanreiz ausgeübt werde, weil der Eindruck vermittelt werde, auch in künftigen (Sonntags-)Ausgaben der N***** K*****-Zeitung würden derartige Gewinnspiele veröffentlicht. Im Strafantrag ON 8 habe die betreibende Partei zutreffend neuerlich die Verstöße der verpflichteten Partei in den Ausgaben vom 24.9. und 2.10.1996 durch Ausspielung von Gewinnen in Form von Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen vorgebracht, weil auch in diesen beiden Fällen eine wiederkehrende Veröffentlichung eines Gewinnspiels vorgelegen sei, indem diese Ankündigungen in mehr oder weniger kurzen Abständen, aber doch so regelmäßig erfolgt seien, daß dadurch in den angesprochenen Leserkreisen der sichere Eindruck erweckt worden sei, auch in künftigen Ausgaben der N***** K*****-Zeitung werde wieder ein Gewinnspiel enthalten sein.
Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß dann, wenn der Wortsinn des Spruches nicht eindeutig ist, auch die Gründe zur Auslegung des Spruches heranzuziehen sind (ÖBl 1996, 194; SZ 64/177 uva). Auch nach der Entscheidung des verstärkten Senates vom 8.4.1997, 1 Ob 2173/96d = JBl 1997, 368 = ecolex 1997, 422 und andere Veröffentlichungen erfordert die Auslegung des Spruches oft die Heranziehung der ihn tragenden Gründe. Die materielle Rechtskraft innerhalb ihrer objektiven Grenzen muß sich dann auch auf die Entscheidungsgründe erstrecken, soweit diese der Individualisierung des Urteilsspruches dienen (so auch 1 Ob 200/97m). Hier geht es darum, ab wann durch wiederkehrende Veröffentlichungen der Eindruck vermittelt wird, es würden in künftigen Ausgaben Gewinnspiele veröffentlicht. Dazu führte in Wiederherstellung der im Titelverfahren erlassenen, mit dem späteren Urteil inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes der vierte Senat des Obersten Gerichthofs in seinem Beschluß vom 10.5.1994, 4 Ob 6/94 (= ÖBl 1994, 160) ua aus, dieselbe Wirkung wie durch die Ankündigung eines Gewinnspiels auf der Titelseite einer Zeitung könne auch dadurch erzielt werden, daß Gewinnspiele so regelmäßig veranstaltet werden, daß durch eine solche Aufeinanderfolge in den angesprochenen Leserkreisen der sichere Eindruck erweckt werde, daß auch in künftigen Ausgaben der Zeitung wieder ein (neues) Gewinnspiel oder die neue Fortsetzung einer begonnenen Gewinnspielserie enthalten sein werde. In all diesen Fällen werde sich das Lockmittel zwar nicht auf den Erwerb jener Ausgabe auswirken, in der die Ankündigung enthalten gewesen sei, sondern erst auf den Erwerb der folgenden Ausgabe, in der dann das angekündigte Gewinnspiel enthalten sei. Auch solche Ankündigungen böten ausreichenden Anreiz, die Hauptware zu erwerben, um in den Genuß der zusätzlichen Leistung (Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel) zu gelangen. Fänden hingegen solche Gewinnspiele ohne vorherige Ankündigung nur gelegentlich oder in größeren Abständen, wenn auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit statt, so werde das Publikum beim Erwerb eines Zeitungsexemplares eines bestimmten Ausgabetages noch nicht damit rechnen, an einem solchen Gewinnspiel teilnehmen zu können. Es liege dann kein psychischer Kaufzwang vor. Im entschiedenen Fall habe die Beklagte das Gewinnspiel in der Zeit vom 4.4. bis 19.4.1993 insgesamt achtmal an zwar nicht regelmäßig aufeinander folgenden Tagen durchgeführt, unter den Umständen der Veröffentlichungen habe aber das Publikum damit rechnen können, daß dieses Gewinnspiel fortgesetzt werde.
Im Hauptverfahren wurde das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22.8.1994, 37 Cg 183/93b-15 im Umfang der Stattgebung des Unterlassungsbegehrens vom OLG Wien mit Urteil vom 16.12.1994, 3 R 197/94-20 bestätigt. Nach den Entscheidungsgründen komme bloß unregelmäßigen Einschaltungen von Gewinnspielen bzw der Einschaltung solcher Spiele in nur größeren Zeitabständen kein verpönter Lockmittelcharakter zu; solches werde der Beklagten auch gar nicht untersagt. Eine außerordentliche Revision der verpflichteten (dort beklagten) Partei wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 28.3.1995, 4 Ob 1017/95, zurückgewiesen; hauptsächlich nahm dort der Oberste Gerichtshof zur Bestimmtheit des Exekutionstitels - die er für gegeben ansah - Stellung. Er führte aber erneut aus, es ginge um die Frage, ob die regelmäßige Wiederholung den sicheren Eindruck erwecken könne, daß künftige Ausgaben gleichartige Gewinnspiele (Preisrätsel) enthalten werden.
Eine titelwidrige Wiederholung der Gewinnspiele durch die der (sichere) Eindruck vermittelt wird, es würden auch in künftigen Ausgaben Gewinnspiele veröffentlicht werden liegt in den, den beiden Strafanträgen ON 3 und 8 zugrundeliegenden Anlaßfällen entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht vor. Abgesehen davon, daß vor den hier inkriminierten Titelverstößen am 15.9. (Sonntag), 24.9. (Dienstag) und 2.10.1996 (Mittwoch) auch nach den Behauptungen der betreibenden Partei längere Zeit hindurch (seit 27.8.1996) keine Gewinnspiele in der inkriminierten Form erfolgten, liegen auch die drei genannten Anlaßdaten zeitlich soweit voneinander entfernt, daß von einer sicheren Erwartung eines weiteren Gewinnspiels in einer der nächstfolgenden Zeitungsausgaben der verpflichteten Partei nicht mehr die Rede sein kann. Gerade diesen Fall hat auch das Oberlandesgericht Wien in seinen Entscheidungsgründen zu 3 R 197/94-20 Verbot ausgenommen; von gelegentlichen oder in größeren unregelmäßigen Abständen durchgeführten Gewinnspielen geht eben noch kein psychischer Kaufzwang aus; ein verpöntes Lockmittel liegt dann noch nicht vor.
Diese Erwägungen führen zur Wiederherstellung der Entscheidungen des Erstgerichtes, wobei dessen in Bewilligungsstampilienform auf den Äußerungsschriftsatz der verpflichteten Partei ON 14 verfaßter Beschluß vom 14.4.1997 mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen ist; eine Entscheidung über widerstreitende Anträge kann nicht in Stampiglienerledigung erfolgen (§ 428 ZPO, § 146 Abs 4 Geo).
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
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