OGH 3Ob337/99a

OGH3Ob337/99a12.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine M*****, vertreten durch Dr. Eva Roland und Dr. Manfred Roland, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Christian M*****, vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 199.400 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Mai 1999, GZ 45 R 234/99s-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 19. Jänner 1999, GZ 2 C 17/98w-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichtes vom 16. 12. 1993 geschieden. Dieser Ehe entstammen zwei minderjährige Kinder.

Die Klägerin brachte in der am 2. 3. 1998 eingebrachten Klage vor, der Beklagte komme zwar an sich seiner Unterhaltspflicht für die Kinder durchaus nach, übe jedoch keinerlei Besuchsrecht aus. Durch dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten seien ihr in den letzten drei Jahren Mehraufwendungen für Aufsichtspersonen und Urlaube von insgesamt S 199.400 erwachsen, deren Bezahlung sie vom Beklagten begehre.

Der Beklagte wendete ein, es treffe ihn keine familienrechtliche Verpflichtung zum Besuch und zur Betreuung der in Pflege und Erziehung der Klägerin befindlichen Kinder. Weiters sei die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs rechtsmissbräuchlich, weil die Klägerin die Ausübung des Besuchsrechts vom Beginn an erschwert habe. Auf § 137 Abs 2 ABGB könne eine Schadenersatzpflicht nicht gestützt werden; eine Beistandspflicht im Sinn des § 137 Abs 2 ABGB, deren Verletzung zu einer Schadenersatzpflicht führen könne, bestehe zwischen geschiedenen Ehegatten nicht.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Klägerin dieses Urteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die Klägerin brachte einen Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO, verbunden mit einer ordentlichen Revision, ein.

Das Berufungsgericht wies diesen Abänderungsantrag mit Beschluss vom 6. 10. 1999 als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, gemäß § 502 Abs 3 ZPO sei die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar S 52.000, nicht aber insgesamt S 260.000 übersteige und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt habe. Diese Bestimmung gelte jedoch gemäß § 502 Abs 5 ZPO unter anderem nicht für die im § 49 Abs 2 Z 1, 2, 2a, 2b und 2c JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten. Aus dem Klagsvorbringen ergebe sich aber, dass es sich hier um eine familienrechtliche Streitigkeit nach § 49 Abs 2 Z 2c JN handle, und zwar um eine andere aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten oder aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringende Streitigkeit. Daraus folge wiederum, dass ein Zulässigkeitsausspruch im Sinn des § 502 Abs 3 ZPO gemäß § 502 Abs 5 ZPO nicht erforderlich sei, sondern die außerordentliche Revision gegen die nun angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes erhoben werden könne. Aus all diesen Gründen sei der Abänderungsantrag als unzulässig zurückzuweisen. Das Erstgericht werde in weiterer Folge - nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens im Hinblick auf die Bezeichnung "ordentliche Revision" - das Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof als außerordentliche Revision vorzulegen haben.

Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Das Erstgericht legt nun die von der Revisionswerberin verbesserte außerordentliche Revision dem Obersten Gerichtshof vor.

Diese außerordentliche Revision ist nach § 502 Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Entscheidungsgegenstand übersteigt zwar 52.000 S, nicht jedoch S 260.000. Die Klägerin geht nunmehr - dem Beschluss des Berufungsgerichtes, mit dem ihr Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zurückgewiesen wurde, folgend - davon aus, dass eine familienrechtliche Angelegenheit im Sinn des § 49 Abs 2 Z 2c JN vorliegt, für die gemäß § 502 Abs 5 Z 1 ZPO die Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 3 ZPO nicht gilt.

Die Zulässigkeit der Revision ist vom Obersten Gerichtshof ohne Bindung an den angeführten Beschluss des Berufungsgerichtes zu prüfen, den die Klägerin nicht angefochten hat. Dies wäre aber möglich gewesen. Der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 Satz 2 ZPO betrifft nämlich nur den Fall, dass das Berufungsgericht den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO "für nicht stichhältig" erachtet, mit anderen Worten, die Gründe des Rechtsmittelwerbers für nicht überzeugend findet (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 3 zu § 508). Hier hat jedoch das Berufungsgericht nur den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO, nicht jedoch die damit verbundene Revision deshalb zurückgewiesen, weil es der Meinung war, die außerordentliche Revision sei auch ohne einen Beschluss gemäß § 508 Abs 1, 3 ZPO nicht ausgeschlossen. Für diesen Fall gilt nicht der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 Satz 2 ZPO.

Tatsächlich liegt jedoch keine familienrechtliche Angelegenheit im Sinn des § 49 Abs 2 Z 2c JN vor. Diese Bestimmung erfasst die anderen - d. h. nicht unter § 49 Abs 2 Z 1 bis 2b JN fallenden - aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten oder aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringenden Streitigkeiten. Voraussetzung ist, dass die Streitigkeit im Familienrecht wurzelt und familienrechtlichen Charakter hat (Mayr in Rechberger, ZPO**2 Rz 7 zu § 49 JN; Simotta in BeitrZPR IV 247, jeweils mwN).

Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die Klägerin behauptet vielmehr einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, der nicht aus einem derartigen Verhältnis entspringt, sondern daraus, dass ihr geschiedener Ehegatte seinem nach der Scheidung festgelegten Besuchsrecht den Kindern gegenüber nicht nachkomme; sie macht einen Anspruch aus dem Titel des Schadenersatzes geltend, für den es ohne Bedeutung ist, dass die Streitteile verheiratet waren, der also auch ohne die (frühere) familienrechtliche Beziehung denkbar ist.

In einem solchen Fall liegt jedoch keine familienrechtliche Angelegenheit vor, weshalb die Revision nur dann zulässig wäre, wenn sie das Berufungsgericht als ordentliche Revision zulässig erklärt hätte. Da der darauf gemäß § 508 Abs 1 ZPO zielende Antrag der Klägerin vom Berufungsgericht bereits rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde, steht einem neuerlichen Antrag die Einmaligkeitswirkung dieses Beschlusses entgegen, weshalb die nun eingebrachte ordentliche Revision ohne vorheriges Verbesserungsverfahren als gemäß § 502 Abs 3 ZPO unzulässig zurückzuweisen ist.

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