Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Die Kosten des Revisionsrekurses von 1.592,62 EUR (= 21.915 S; darin
265,43 EUR = 3.652,50 S Umsatzsteuer) werden als weitere
Exekutionskosten der betreibenden Partei bestimmt.
Text
Begründung
Mit rechtskräftigem und vollstreckbarem Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. 6. 2000 wurde der verpflichteten Partei aufgetragen, ab sofort zu unterlassen,
"unentgeltliche Zugaben zur Zeitschrift 't*****' - insbesondere die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, bei welchem Preise nicht völlig unbedeutenden Werts zu gewinnen sind, eine CD mit kostenlosem Zugang zum Internet und Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel oder Einkaufsgutscheine, die zum unentgeltlichen oder verbilligten Bezug von Waren bei dritten Personen berechtigen - anzukündigen und/oder zu gewähren."
Wegen eines konkreten Zuwiderhandelns gegen diesen Titel am 3. 10. 2000 beantragte die betreibende Partei die Bewilligung der Unterlassungsexekution und die Verhängung einer Geldstrafe. Sie brachte vor, die verpflichtete Partei verstoße beharrlich gegen den Exekutionstitel. Diese habe Ende Juni/Anfang Juli 2000 ein Testabo der Zeitschrift "t*****" für zehn Wochen zum Preis von 50 S "ohne weitere Verpflichtung" angekündigt. Das Abonnement ende allerdings nicht "automatisch", den Bestellern werde vielmehr nach Ablauf des Testabos eine Zahlungsaufforderung über 345 S zugesandt. Um sie zum Weiterbezug von "t*****" im "normalen Abonnement" zu bestimmen, werde der Zahlungsaufforderung jeweils ein "einmaliges Verlängerungsangebot" mit einem Gutscheinheft "exclusiv für t*****-Abonnenten" - wie am 3. 10. 2000 im Verhältnis zu einer bestimmten Testabonnentin - angeschlossen. Darin werde ausgeführt:
"Das beiliegende Gutscheinheft im Wert von über öS 1.500 ist unser symbolisches Dankeschön für Ihre Treue, denn diese exclusiven Vorteile erhalten nur Sie als t*****-Abonnent:
.... ."
Da der Bezieher des Testabos (in diesem Zeitpunkt) nicht mehr Abonnent sei, müsse er das Abonnement verlängern, um von den Vorteilen im Gutscheinheft Gebrauch machen zu dürfen, sei doch diese titelwidrige Zugabe das "symbolische Dankeschön für die Treue". Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution wegen des behaupteten Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel am 3. 10. 2000 und verhängte über die verpflichtete Partei eine Geldstrafe von 80.000 S.
Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentlichen Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, das von der betreibenden Partei vorgelegte und im Exekutionsantrag auszugsweise zitierte Schreiben entfalte gegenüber Testabonnenten keinen "verpönten Anlockungseffekt" für eine Abonnementverlängerung, weil dem Wortlaut des Angebots nicht zu entnehmen sei, dass der Adressat von den Vorteilen des mitübersandten Gutscheinhefts nur dann Gebrauch machen dürfe, wenn er in das Angebot einwillige. Die betreibende Partei habe daher ein konkretes Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel nicht schlüssig behauptet. Somit sei aber der Exekutionsantrag abzuweisen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO abhänge.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Die betreibende Partei bringt zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels u. a. vor, ein anderer Rekurssenat der zweiten Instanz habe am 30. 3. 2001 (AZ 46 R 1220/00b bis 46 R 1246 [richtig 1247]/00y) einen weitgehend identischen, eine andere Zeitschrift betreffenden Sachverhalt "völlig zutreffend als Verstoß gegen das Zugabenverbot beurteilt". Damit habe "ein- und dasselbe Rekursgericht innerhalb weniger Tage denselben Sachverhalt unterschiedlich beurteilt". Der Revisionsrekurs sei schon wegen dieser "uneinheitlichen Rechtsprechung" zweier Spruchkörper desselben Rekursgerichts zulässig.
1. 1. Gemäß § 528 Abs 1 ZPO hängt die Entscheidung etwa dann von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab, wenn die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs uneinheitlich ist. Es kann aber auch die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung von Rekursgerichten oder auch der Rechtsprechung verschiedener Spruchkörper eines Rekursgerichts über eine bestimmte Frage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit aufwerfen. Es darf nämlich auf Dauer nicht von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung bzw der Geschäftsverteilung eines bestimmten Gerichts abhängen, ob ein- und dieselbe Rechtsfrage einheitlich oder unterschiedlich gelöst wird. Wenn jedoch die Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einen Beurteilungsspielraum eröffnen, sind auf deren Grundlage auch unterschiedliche Entscheidungen denkbar, ohne dass eine dieser Entscheidungen zwangsläufig auf einer erheblichen Verkennung der Rechtslage beruhen muss. Es kann zwar nur eine der Entscheidungen richtig sein, die jeweiligen Umstände des Einzelfalls können jedoch auch einer gegenteiligen Entscheidung in vertretbarer Weise als Stütze dienen, ohne die Grenzen des angesprochenen Beurteilungsspielraums zu überschreiten.
1. 2. Im Anlassfall ist unter Mitberücksichtigung der von der betreibenden Partei ins Treffen geführten weiteren Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Rekursgerichts über eine tatsächlich identische Rechtsfrage nicht erkennbar, dass die beiden Senate entweder eine durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch nicht geklärte Rechtsfrage im Grundsätzlichen unterschiedlich gelöst hätten oder einer der Senate von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen wäre. Beide Entscheidungen fußen vielmehr - im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe dazu Klicka in Angst, EO, § 355 Rz 11 mN aus der Rsp) - auf dem Grundsatz, dass für die Exekutionsbewilligung und Strafverhängung bereits die schlüssige Behauptung eines konkreten Zuwiderhandelns des Verpflichteten gegen den Exekutionstitel genügt. Unterschiedlich beurteilt wurde bloß, ob die den jeweiligen Verfahrensgegenstand bildenden Verstöße gegen den Exekutionstitel auch schlüssig behauptet wurden.
1. 3. Die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Parteivorbringens eröffnet naturgemäß einen Beurteilungsspielraum. Innerhalb dessen Grenzen kann eine Streitfrage vertretbar unterschiedlich gelöst werden. Deshalb judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, die Auslegung des Parteivorbringens werfe keine erhebliche Rechtsfrage auf (MietSlg 48.603; RZ 1994/45), sofern die zweite Instanz zu einem vertretbaren - mit dem Wortlaut nicht unvereinbaren (1 Ob 67/00k; RZ 1994/45) - Ergebnis gelangt sei (9 ObA 291/00k; SSV-NF 13/111), ihr also keine grobe Fehlbeurteilung unterlief (9 ObA 291/00k; 8 Ob 121/99y). Nach diesen Voraussetzungen hängt hier die Zulässigkeit, aber auch der Erfolg des Revisionsrekurses vor dem Hintergrund aller bisherigen Erwägungen nur davon ab, ob der angefochtene Beschluss auf einer gravierenden Fehlbeurteilung der erörterten Schlüssigkeitsfrage durch die zweite Instanz beruht.
2. Zunächst ist festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die zweitinstanzliche Beurteilung über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden ist.
Im Revisionsrekurs wird hervorgehoben: Wer die "Ankündigungen" im Verlängerungsangebot lese, müsse annehmen, er dürfe "die Gutscheine nur dann verwenden ..., wenn er vorher sein t*****-Abonnement" verlängert habe. Der erkennende Senat tritt dieser Beurteilung bei, suggeriert doch der Wortlaut des erörterten Angebots im textlichen Zusammenhang tatsächlich die unzweideutige Aussage, der Adressat dürfe nur dann vom Gutscheinheft "als symbolisches Dankeschön" für seine "Treue ... als t*****-Abonnent" Gebrauch machen, nachdem er in das ihm unterbreitete Angebot eingewilligt habe. Damit erweist sich aber die Beurteilung des Rekursgerichts, die Antragsbehauptungen der betreibenden Partei seien unschlüssig als gravierende Fehlbeurteilung, die nach den Erwägungen unter 1. 3. durch die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses zu korrigieren ist. In diesem Kontext ist allerdings noch das nachstehende Thema zu erörtern.
3. Die betreibende Partei behauptete ein konkretes Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel am 3. 10. 2000, legte jedoch auf den 27. 9. 2000 bezogene Urkunden als Bescheinigungsmittel vor. Auf dem Zahlschein findet sich zwar auch das mit Stampiglie (vermutlich nachträglich) beigefügte Datum "3. Okt. 2000". Diesem Datum kann jedoch nach dem sonstigen Inhalt der vorgelegten Urkunden ein bestimmtes Verhalten der verpflichteten Partei nicht verlässlich zugeordnet werden.
Antragsbehauptungen sind an sich auch durch Urkunden belegbar, die sich zwar auf einen anderen Tag beziehen, jedoch eine gewöhnlich eingehaltene Vorgangsweise beispielhaft dokumentieren. Demnach ließe sich eine Abweisung des Exekutionsantrags auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, die Antragsbehauptungen seien durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel widerlegt (siehe dazu Klicka aaO).
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses fußt auf § 74 EO. Es handelt sich um weitere, zur Rechtsverwirklichung notwendige Exekutionskosten. Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Die im Rechtsmittelverfahren schließlich unterlegene verpflichtete Partei hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.
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