OGH 3Ob2/96

OGH3Ob2/9610.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst, Dr. Graf, Dr. Pimmer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Agrarmarkt Austria, Wien 21, Dresdnerstraße 70, vertreten gemäß § 31a AMA-Gesetz 1992 BGBl 376 idF BGBl 1995/298 durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wider die verpflichtete Partei Dr. Christoph Brenner, Rechtsanwalt, Krems an der Donau, Utzstraße 7, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L*****, ***** wegen S 1,992.381,60, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 16. August 1995, GZ 1 R 119/95-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 8. Juni 1995, GZ E 1212/95t-5, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die Kosten der betreibenden Partei für den Revisionsrekurs werden mit S 25.425 (darin S 4.237,50 Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Die betreibende Partei ist die durch das AMA-Gesetz 1992 BGBl 736 geschaffene AMA (Agrarmarkt Austria). Sie beantragte, ihr auf Grund eines Bescheides gegen die verpflichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Hereinbringung der Forderung von S 1,992.381,60 sA die Fahrnisexekution zu bewilligen. Im Exekutionsantrag ist die betriebene Forderung nicht näher bezeichnet und es ist ihm auch nicht zu entnehmen, von wem der den Exekutionstitel bildende Bescheid stammt. Aus dem mit dem Exekutionsantrag vorgelegten Bescheid geht jedoch hervor, daß er von der betreibenden Partei erlassen wurde und daß darin Förderungsbeiträge gemäß den §§ 53 a ff des Marktordnungsgesetzes 1985 (MOG) BGBl 210 in der Höhe von S 1,660.318 zuzüglich eines Erhöhungsbetrages von S 332.063,60 vorgeschrieben wurden.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution in Form eines Bewilligungsvermerkes gemäß § 112 Abs 1 Geo. Die Exekution wurde am 3.4.1995 durch Pfändung zahlreicher Fahrnisse vollzogen.

Am 25.4.1995 wurde über das Vermögen der verpflichteten Gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet. Der im Konkursverfahren bestellte Masseverwalter stellte den Antrag, das Verwertungsverfahren gemäß § 12 Abs 2 KO einzustellen.

Die betreibende Partei sprach sich gegen die Einstellung aus und brachte hiezu vor, daß es sich "beim Exekutionstitel" um ausstehende Förderungsbeiträge auf Düngemittel gemäß den §§ 53a ff MOG und somit um öffentliche Abgaben im Sinn des § 12 Abs 1 KO handle.

Das Erstgericht wies den Einstellungsantrag mit der Begründung ab, daß öffentliche Abgaben im Sinn des § 12 Abs 1 KO betrieben würden.

Das Rekursgericht stellte infolge Rekurses des Masseverwalters das Verwertungsverfahren gemäß § 12 Abs 2 KO ein und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei den Förderungsbeiträgen nach den §§ 53a ff MOG handle es sich zwar um öffentliche Abgaben. Grundlage für die Entscheidung über den Einstellungsantrag sei jedoch der Exekutionsbewilligungsbeschluß; nur wenn sich aus diesem ergebe, daß die Exekution zur Hereinbringung öffentlicher Abgaben geführt wird, sei der Einstellungsantrag abzuweisen. Hier sei im Exekutionsantrag und damit auch im Exekutionsbewilligungsbeschluß nicht angeführt, von wem der Exekutionstitel stammt, und es ergebe sich daraus nicht, daß er von einer Behörde stammt, die öffentliche Abgaben einzutreiben hat. Der Exekutionstitel sei zwar aus Anlaß des vom Masseverwalter erhobenen Rekurses wieder vorgelegt worden. Dies sei aber als unzulässige Neuerung zu betrachten.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Meinung des Rekursgerichtes, daß Grundlage für die Einstellung des Verwertungsverfahrens nach § 12 Abs 2 KO allein die Angaben im Exekutionsbewilligungsbeschluß seien, kann nicht gefolgt werden. Wird die Einstellung der Exekution oder des Verwertungsverfahrens beantragt, so ist der hiefür maßgebende Sachverhalt vom Exekutionsgericht festzustellen, soweit er nicht außer Streit steht (§ 78 EO iVm § 266 Abs 1 ZPO). Für den Umfang der demnach festzustellenden Tatsachen ist das Vorbringen der Parteien im und zum Einstellungsantrag maßgebend. Sofern die Angaben im Exekutionsantrag von der verpflichteten Partei nicht als richtig zugestanden wurden oder gemäß § 78 EO iVm § 267 Abs 1 ZPO als zugestanden anzusehen sind, darf von ihnen bei der Entscheidung über einen Einstellungsantrag nicht ausgegangen werden.

Hier hat die betreibende Partei in ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag vorgebracht, daß es sich bei der betriebenen Forderung um Förderungsbeiträge nach den §§ 53a ff MOG handle, und es ist dies unbestritten und überdies auch als vom Erstgericht festgestellt anzusehen. Auf die Frage, ob auf den von der betreibenden Partei erst nach Erlassung des Beschlusses des Erstgerichtes vorgelegten, den Exekutionstitel bildenden Bescheid Bedacht genommen werden darf, kommt es daher nicht an.

Gemäß § 12 Abs 1 KO erlöschen Absonderungs- rechte, die in den letzten sechzig Tagen vor der Konkurseröffnung durch Exekution zur Befriedigung oder Sicherstellung neu erworben worden sind, mit Ausnahme der für öffentliche Abgaben erworbenen Absonderungsrechte durch die Konkurseröffnung und es ist gemäß dem nachfolgenden Abs 2 auf Ersuchen des Konkursgerichtes oder auf Antrag des Masseverwalters das Verwertungsverfahren einzustellen, wenn lediglich auf Grund eines solchen Absonderungsrechtes die Verwertung beantragt wurde. Entscheidend ist also, ob die betriebene Forderung eine öffentliche Abgabe im Sinn des § 12 Abs 1 KO zum Gegenstand hat, weil sonst das von der betreibenden Partei durch die Exekution erworbene Befriedigungsrecht erloschen wäre.

Aus der Bedeutung der Wörter "öffentliche Abgabe" ist abzuleiten, daß es sich um Geldleistungen handeln muß, die von einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechtes mit Hoheitsgewalt eingehoben werden können. Wenngleich dies unter diesen Umständen allgemein der Fall sein wird, muß zur Erzielung einer verfassungskonformen Auslegung als weiteres Kriterium noch gefordert werden, daß die Einhebung der Abgabe im öffentlichen Interesse liegt. Sonst ließe sich nämlich keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, daß die Exekution zur Hereinbringung von Abgaben gegenüber anderen Exekutionen bevorzugt wird. Öffentliche Abgaben im Sinn des § 12 Abs 1 KO sind demnach - unabhängig von der Bezeichnung, die hiefür in einem Gesetz oder im Sprachgebrauch verwendet wird - Geldleistungen, die zur Bestreitung eines im öffentlichen Interesse gelegenen Aufwandes unmittelbar auf Grund eines Gesetzes an eine Gebietskörperschaft oder eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts zu entrichten sind und von dieser mit Hoheitsgewalt eingehoben werden können (ähnlich EvBl 1969/292; EvBl 1968/13; EvBl 1958/310; SZ 31/67 ua; Heller/Berger/Stix I 129). Das Vorliegen des öffentlichen Interesses ist auch einer der Gründe für die Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs 1 KO (VfSlg 12.380/1990).

Ausgehend von der dargelegten Begriffsbestim- mung ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß die hier betriebene Forderung eine Abgabe im Sinn des § 12 Abs 1 KO zum Gegenstand hat. Die Exekution wird zur Hereinbringung von Förderungsbeiträgen samt Erhöhungsbeiträgen im Sinn der §§ 53a ff MOG geführt. Die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Beiträge ergibt sich unmittelbar aus den angeführten Bestimmungen. Die Erhebung obliegt der betreibenden Partei (§ 27 Abs 4 iVm § 53 l Abs 1 MOG), bei der es sich um eine juristische Person und somit um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt (§ 2 AMA-Gesetz). Nicht rechtzeitig oder nicht in richtiger Höhe entrichtete Förderungsbeiträge sind von der betreibenden Partei gemäß § 53 g Abs 1 MOG mit Bescheid und somit mit Hoheitsgewalt vorzuschreiben. Sie werden gemäß § 53 a Abs 1 MOG zum Zweck des Bodenschutzes und zur Förderung der Getreidewirtschaft erhoben. Dieser Verwendungszweck liegt aber im öffentlichen Interesse. Aus vergleichbaren Erwägungen wurden in der Entscheidung EvBl 1969/292 Beiträge, die auf Grund des MOG 1967 an den Milchwirtschaftsfonds zu entrichten waren, als öffentliche Abgaben im Sinn des - nunmehr durch das IRÄG aufgehobenen - § 52 KO angesehen.

Nicht überzeugend ist der Hinweis auf § 1 BAO, der in dem Rekurs enthalten ist, den der Masseverwalter gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhob. In der angeführten Gesetzesstelle wird zwar zwischen den bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben (lit a) und den bundesrechtlich geregelten Beiträgen an öffentliche Fonds oder an Körperschaften des öffentlichen Rechts, die nicht Gebietskörperschaften sind (lit b), unterschieden. Abgesehen davon, daß eine aus der Bundesabgabenordnung abzuleitende Begriffsbestimmung nicht ohne weiters auf andere Gesetze übertragen werden kann, ergibt sich vor allem aus § 3 BAO, aber auch aus zahlreichen anderen Bestimmungen dieses Gesetzes, daß der Begriff "Abgabe" synonym für die im § 1 bezeichneten öffentlichen Abgaben und Beiträge verwendet wird. Aus der Bundesabgabenordnung ist somit für den Standpunkt des Masseverwalters nichts zu gewinnen. Hat aber die betriebene Forderung eine öffentliche Abgabe im Sinn des § 12 Abs 1 KO zum Gegenstand, hat das Erstgericht den Einstellungsantrag des Masseverwalters zutreffend abgewiesen, weshalb sein Beschluß wiederherzustellen war.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses der verpflichteten Partei beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses auf § 74 EO.

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