OGH 3Ob290/00v

OGH3Ob290/00v25.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter E*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen die beklagte Partei Monika E*****, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 7. August 2000, GZ 18 R 182/99i-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 12. April 1999, GZ 2 C 203/98m-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluss vom 14. 6. 1995 nach § 55a EheG geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Kläger, ab 1. 7. 1995 zum Unterhalt der einkommenslosen Beklagten S 12.500 monatlich beizutragen.

Mit prätorischem Vergleich vom 12. 2. 1997 wurde diese Unterhaltsverpflichtung für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis zum 31. 1. 1997 auf S 10.500 herabgesetzt. Der Kläger verpflichtete sich, den bis zum 31. 1. 1997 aufgelaufenen Unterhaltsrückstand von S 115.000 in Halbjahresraten a S 14.000 beginnend ab 1. 7. 1997 zu bezahlen. Ab 1. 2. 1997 hatte er nur noch S 7.100 monatlich an Unterhalt für die einkommenslose Beklagte zu leisten. Dieser Unterhaltsvereinbarung lagen ein monatliches Nettoeinkommen des Klägers für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis zum 31. 1. 1997 von S 36.000 und ab 1. 2. 1997 von S

24.500 sowie eine weitere Sorgepflicht für den gemeinsamen, am 18. 7. 1981 geborenen Sohn zu Grunde.

Der Beklagten wurde gegen den Kläger zur Hereinbringung von Unterhaltsrückständen von S 28.000 S 12.100 sowie des laufenden Unterhalts von monatlich S 7.100 ab 1. 9. 1998 mit Beschluss des Erstgerichtes vom 7. 8. 1998 die Forderungsexekution nach § 294a EO bewilligt.

Mit seiner Oppositionsklage begehrt der Kläger das Urteil, der Unterhaltsanspruch der Beklagten aus dem Vergleich vom 12. 2. 1997 sei erloschen. Dazu brachte er vor, dass der Unterhaltsrückstand in Wahrheit nur S 28.000 ausmache. Weiters machte er geltend, dass die Beklagte schon seit 1997 in einem bestimmten Unternehmen arbeite. Da sie sich weigere, ihr Einkommen bekanntzugeben, müsse davon ausgegangen werden, dass sie für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen könne und der Unterhaltstitel deshalb erloschen sei. Jedenfalls sei ihr als ausgebildeter Lohnverrechnerin die Annahme einer Arbeit zur Deckung ihres Unterhalts zumutbar. Schließlich habe die Beklagte ihm gehörende Modelleisenbahnen im Wert von mindestens S 160.000 verkauft. Er rechne mit dieser Forderung gegen den Unterhaltsrückstand von S 115.000 entsprechend Punkt 2 erster Absatz des Titelvergleiches auf. Unmittelbar vor Schluss der Verhandlung erster Instanz erläuterte der Kläger sein Vorbringen dahin, dass sich der Einwand der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit auf den Zeitraum nach Februar 1997 beziehe, da der Sohn der Streitteile zu diesem Zeitpunkt im 16. Lebensjahr gewesen sei.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens.

Sie sei erst seit 2. 1.1998 im Rahmen eines freien Dienstvertrages beschäftigt und erhalte dafür monatlich netto maximal S 3.830 (im Schnitt). Mit einem derartigen Einkommen könne man nicht für den eigenen Lebensunterhalt sorgen. Ihr Unterhaltstitel sei daher nicht erloschen. Es bestehe folglich der Unterhaltsanspruch in der vereinbarten Höhe zu Recht, allenfalls wären lediglich geringfügige Abstriche möglich. Unrichtig sei auch, dass sie dem Kläger gehörende Modelleisenbahnen verkauft habe. Tatsächlich habe der Kläger niemals Kleinbahnen in diesem Umfang in ihrer Wohnung zurückgelassen; die zurückgelassenen habe er aber seinem Sohn geschenkt, weshalb sie in dessen Eigentum übergegangen seien. Darüber hinaus sei eine Aufrechnung mit den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen unzulässig.

Das Erstgericht gab der Klage insoweit statt, als es den Anspruch des Beklagten aus dem Titelvergleich betreffend den laufenden Unterhalt ab 1. 1. 1998 bezüglich eines monatlich S 4.040 übersteigenden Unterhaltsbetrages für erloschen erklärte. Das Mehrbegehren wies es ab.

Es traf folgende, für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:

Der gemeinsame Sohn der Streitteile besucht die dritte Klasse einer Höheren Technischen Lehranstalt.

Der Kläger verdiente zuletzt monatlich netto S 19.915. Die am 18. 9. 1943 geborene Beklagte ist ausgebildete Lohnverrechnerin und war in diesem Beruf auch jahrelang tätig. Seit der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1981 blieb sie auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers zu Hause. Sie war schon im Jahr 1997 für ein Markt- und Meinungsforschungsinstitut tätig, wobei sie dabei insgesamt ca S 18.000 verdiente. Seit Anfang 1998 erhält sie von diesem Institut im Rahmen eines freien Dienstvertrages durchschnittlich ca S 3.800 pro Monat. Dieses Beschäftigungsverhältnis sollte etwa zwei Jahre lang dauern. Vorher bewarb sie sich bei zahlreichen anderen Arbeitgebern, die sie aber alle auf Grund ihres Alters ablehnten.

Als der Kläger im Jahr 1994 aus der Ehewohnung auszog, ließ er die Eisenbahnmodelle - wobei nicht mehr festgestellt werden konnte, ob er auch einige mitnahm - zurück. Dabei schenkte er die Modelleisenbahnen seinem Sohn in Bausch und Bogen. Es gab nie eine förmliche Übergabe bzw einen förmlichen Schenkungsvertrag.

Im Sommer 1996 verkaufte die Beklagte in einer finanziellen Notlage alle Modelleisenbahnen samt der Anlage.

Mit dem angefochtenen Teilurteil gab das Berufungsgericht der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung des Klägers teilweise Folge. Während es dieses Urteil in Ansehung der Abweisung der Klage hinsichtlich eines Unterhaltsrückstandes von S 28.000 und monatlicher Teilbeträge a S 1.940 für Juli und August 1998 sowie von Unterhalt, zu dem Exekution nicht beantragt wurde, bestätigte, ändert es das Ersturteil dahin ab, dass es aussprach, dass der Anspruch der Beklagten für Juli und August 1998 mit einem weiteren Teilbetrag von monatlich S 2.100 erloschen sei. (Darüber hinaus hob es mit Beschluss das Ersturteil, soweit damit der Unterhaltsanspruch der Beklagten im Umfang von monatlich S 4.040 ab 1. 9. 1998 für nicht erloschen erklärt wurde, auf.)

Nachdem das Berufungsgericht zunächst ausgesprochen hatte, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte es diesen Ausspruch auf Grund des mit der Revision verbundenen Antrages des Klägers in sein Gegenteil ab.

Dies begründete das Berufungsgericht damit, dass der Kläger geltend mache, es sei in aktenwidriger Weise davon ausgegangen, er habe nicht behauptet, dass sich die Umstände für die Verweisbarkeit der Beklagten auf eine zumutbare (ganztägige) Erwerbstätigkeit seit dem Abschluss des Unterhaltsvergleiches am 12. 2. 1997 geändert hätten. Damit zeige er eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil der Wahrnehmung einer Aktenwidrigkeit nach neuerer Rechtsprechung erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukomme. Es würde einen groben Wertungswiderspruch darstellen, wenn das Gericht, dem Aktenwidrigkeit vorgeworfen wird, über diesen Vorwurf selbst entscheide.

Die Beklagte erstattete die ihr freigestellte Revisionsbeantwortung und begehrte darin, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes jedoch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Aktenwidrigkeit liegt nach § 503 Z 3 ZPO nur dann vor, wenn dem Urteile des Berufungsgerichtes in einem wesentlichen Punkt eine tatsächliche Voraussetzung zu Grunde gelegt wird, welche mit den Prozessakten erster oder zweiter Instanz im Widerspruch steht. Es liegt also der Revisionsgrund nur dann vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 4 zu § 503 mwN). Die unrichtige Wiedergabe der Parteienbehauptungen ist dagegen niemals eine Aktenwidrigkeit, allenfalls kann sie einen Verfahrensmangel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung bewirken (EFSlg 39.274; 7 Ob 523/89; SZ 70/99). Keineswegs zu folgen ist den Erwägungen des Berufungsgerichtes, die darauf hinauslaufen, die bloße Behauptung einer Aktenwidrigkeit müsse jedenfalls zur Abänderung seines Zulässigkeitsausspruchs nach § 508 Abs 2 ZPO führen. Damit hätte es jede Partei im Anwendungsbereich des § 502 Abs 3 ZPO in der Hand, mit noch so unbegründeten Behauptungen die Vorlage ihres Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof zu erzwingen. Wie sich auch aus § 508 Abs 3 ZPO eindeutig ergibt, ist nach dem Gesetz Voraussetzung für eine derartige Abänderung, dass das Berufungsgericht den Antrag nach Abs 1 für stichhältig erachtet. Dies würde bei einer behaupteten Aktenwidrigkeit die inhaltliche Prüfung dieses Revisionsgrundes voraussetzen. Eine derartige sachliche Prüfung hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall jedoch wegen eines vermeintlichen Wertungswiderspruchs gänzlich unterlassen. Ein solcher läge aber in jedem Fall eines Antrags nach § 508 ZPO vor, stellt doch der Gesetzgeber dem Berufungsgericht jedenfalls anheim, seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision abzuändern, was ebenfalls die Revidierung einer eigenen Beurteilung in diesem Punkt voraussetzt. Nichts anderes würde aber bei der Prüfung einer behaupteten Aktenwidrigkeit zu geschehen haben.

Im vorliegenden Fall führt die vom Kläger behauptete Missachtung seines Vorbringens in der Klage, wobei es sich in Wahrheit um eine Interpretationsfrage im Einzelfall handelt, keinesfalls zu einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens oder einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Vorinstanzen haben nämlich die Vermittelbarkeit der bei Schaffung des Titels bereits im 54. Lebensjahr stehenden Beklagten auf dem Arbeitsmarkt über ihre derzeitige Beschäftigung hinaus übereinstimmend verneint. An diese Tatsachenfeststellung ist der Oberste Gerichtshof gebunden, wobei es nicht schadet, dass sie vom Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung getroffen wurde (vgl JUS Z 1513). Es kann dann aber nicht darauf ankommen, ob sich die Beklagte tatsächlich um einen Arbeitsplatz bemüht hat, der mit einem ihren Unterhalt deckenden Einkommen verbunden wäre. Die Nichterledigung der hiezu in der Berufung enthaltenen Beweisrüge bildet daher ebenfalls keinen Verfahrensmangel.

Aber auch sonst werden in der Revision keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt. Die darin zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (SZ 66/10; EvBl 2000/129) ergingen zur Bekämpfung von Vaterschaftsurteil und Vaterschaftsanerkenntnis. Die Relevanz dieser Entscheidungen für das vorliegende Verfahren ist in keiner Weise ersichtlich, zumal ohnehin kein Zweifel daran bestehen kann, dass nach § 35 EO die Änderung der Umstände gegenüber Unterhaltsansprüchen auch dann geltend gemacht werden kann, wenn ein Vergleich Unterhaltstitel ist (vgl Stabentheiner in Rummel2 Rz 24 zu § 94). Auch ein Abweichen des Berufungsgerichtes von der Entscheidung SZ 70/111, soweit davon überhaupt geredet werden könnte, vermag schon deshalb das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen, weil eben nach den Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, die Umstände hätten sich seit Vergleichsabschluss zwischen den Streitteilen in der Weise wesentlich geändert, dass der Beklagten nunmehr eine ganztägige Berufstätigkeit möglich und zumutbar wäre.

Wie eine konkrete Feststellung im Einzelfall (hier betreffend die Schenkung von Eisenbahnmodellen) zu verstehen ist, stellt ebenfalls keine derartige Rechtsfrage dar.

Die somit vom Berufungsgericht zu Unrecht für zulässig erklärte Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

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