Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung des Ersturteils abgeändert.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 34.221 S (darin 5.340,50 S Umsatzsteuer und 2,178 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger und eine Gesellschaft m.b.H. schlossen am 22. September als Mieter mit dem Beklagten als Vermieter schriftlich einen befristeten Bestandvertrag über ein Einfamilienhaus, das 1968 ohne Verwendung öffentlicher Förderungsmittel errichtet worden war und über eine Wohnnutzfläche von etwa 150 m2 verfügt. Die Mietdauer bezog sich auf den Zeitraum vom 1. Oktober 1984 bis zum 30. August 1987. Als Bestandzins waren wertgesichert 14.000 S monatlich zu bezahlen. Am 21. Oktober 1985 vereinbarten die Streitteile den Übergang der Mietrechte der GmbH auf die Kläger. Am 29. September 1987 verlängerten sie die Bestanddauer bis zum 30. September 1989 und schlossen am 14. November 1989 einen gerichtlichen Räumungsvergleich folgenden Wortlauts:
"Die Antragsgegner (Anm: die Kläger) verpflichten sich zur ungeteilten Hand bei sonstiger Exekution und unter ausdrücklichem Verzicht auf jeglichen Räumungsaufschub aus welchem Titel auch immer, das von ihnen aufgrund des Mietvertrages vom 22.9.1984 in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung vom 21.10.1985 in Bestand genommene Einfamilienhaus ... unter Belassung der mitvermieteten Inventargegenstände im Bestandobjekt spätestens am 30.9.1991 von ihren Fahrnissen zu räumen und dem Antragsteller (Anm: der Beklagte) geräumt zu übergeben, sowie letzterem die mit 544 S verglichenen Kosten binnen 14 Tagen nach Rechnungserhalt zu Handen des ausgewiesenen Vertreters RA ... zu bezahlen, wobei bis zur tatsächlichen Räumung des Bestandobjektes der (oben näher bezeichnete) Bestandvertrag zwischen den Parteien dieses Vergleiches insbesondere hinsichtlich des vereinbarten wertgesicherten Mietentgeltes samt Umsatzsteuer und Betriebskosten im bisherigen Umfang voll aufrecht bleibt und von den Antragsgegnern vollinhaltlich bis zur tatsächlichen Räumung zu erfüllen ist."
Am 20. September 1991, 16. Juni 1993 und 14. Juni 1995 schlossen die Parteien weitere gerichtliche Räumungsvergleiche, nach deren sonst jeweils aus dem Vergleich vom 14. November 1989 übernommenen Wortlauten der 31. Mai 1993, 31. Mai 1995 und 31. Mai 1997 als jeweils späteste Räumungstermine festgelegt wurden. Aufgrund des letzten Vergleichs (Räumungstermin 31. Mai 1997) wurde dem Beklagten wider die Kläger am 19. September 1997 die Räumungsexekution bewilligt.
Das Bestandobjekt war im März/April 1997 an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen worden. Die Entfernung des alten Kanals hatte eine neue Parkplatzsituation geschaffen. Infolge eines nunmehrigen leichten Gefälles der Wiese vor dem Bestandobjekt sollte ein Trockenlegungseffekt eintreten. Die Kläger empfanden diese Veränderungen als Nachteil, der Beklagte hielt sie dagegen für Verbesserungen. Die Streitteile legten diese Standpunkte Verhandlungen im März/April 1997 über eine neuerliche befristete Verlängerung des Mietverhältnisses zugrunde. Der Beklagte verwies die Kläger darauf, sie hätten die geänderte Situation zu akzeptieren, was der Zweitbeklagte ablehnte. Am 16. April 1997 erzielten die Streitteile jedoch aufgrund "übereinstimmender Willenserklärungen"
Einigung dahin, daß "das Mietverhältnis ... für zwei weitere Jahre zu
den bisherigen Bedingungen fortgesetzt ... und ein Räumungsvergleich
mit Inhalt wie bisher abgeschlossen wird". Am 6. Mai 1997 rief daraufhin ein Anwalt der Kläger den Beklagten an. Bei diesem Gespräch erklärte der Beklagte auf Befragen zu allfälligen Problemen "hinsichtlich der Verlängerung des Mietverhältnisses", es gebe keine solchen Probleme und es sei "alles klar". Ferner bejahte der Beklagte, es könne "die bisherige Textierung im Hinblick auf den Räumungsvergleich beibehalten werden". Danach wurde nur noch über das Datum des Abschlusses des beabsichtigten Räumungsvergleichs verhandelt. Am 22. Mai 1997 besuchte der Beklagte den Vertreter der Kläger und ersuchte um Klärung, "ob es nicht möglich wäre", in den abzuschließenden Räumungsvergleich folgenden Wortlaut aufzunehmen:
"Die Mieter nehmen zustimmend zur Kenntnis, daß, bedingt durch die Errichtung des Kanalleitungsnetzes die Zufahrts- und Parkmöglichkeiten, vor allem an der süd-östlichen Grundgrenze, teilweise geändert wurden. Ebenso ist eine vorübergehende eingeschränkte Benützung der Wiesenfläche vor dem Haus gegeben. Dies deshalb, da zwecks Trockenlegung dieser Wiese, Erdabhubarbeiten zur Erreichung eines leichten Gefälles getätigt wurden. Auch nehmen die Mieter sämtliche, zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Vergleiches vorliegenden Umstände bezüglich des Mietobjektes zustimmend zur Kenntnis."
Die Streitteilen erzielten dazu keine Willenseinigung. Deshalb unterblieb schließlich auch der Abschluß eines Räumungsvergleichs. Im Schreiben vom 7. August 1997 verwies der Beklagtenvertreter die Kläger darauf, daß ihre Zahlungen ab 1. Juni 1997 "nur mehr als Benützungsentgelt entgegengenommen werden". Seit Juni 1997 überweisen die Kläger dem Beklagten 21.209 S monatlich als Mietzins.
Die Kläger begehrten den Ausspruch, daß der betriebene Räumungsanspruch wegen Verlängerung des Bestandverhältnisses im April 1997 erloschen sei.
Der Beklagte wendete ein, es sei keine Vereinbarung über einen weiteren befristeten Mietvertrag zustandegekommen. Es hätten nur Vertragsverhandlungen stattgefunden. Es wäre jedenfalls ein "Nachtrag" zum Mietvertrag erforderlich gewesen, weil sonst die Kläger "jederzeit aus dem Mietobjekt" hätten ausziehen können. Er habe bereits "neue Interessenten" an der Hand gehabt und hätte deshalb jedenfalls dem Abschluß eines bloßen Räumungsvergleichs unter Aufrechterhaltung des bisherigen Mietverhältnisses nicht zustimmen können.
Das Erstgericht gab der Klage statt, weil der betriebene Räumungsanspruch infolge Verlängerung des Mietverhältnisses erloschen sei.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Parteien hätten zwar am 16. April 1997 eine zweijährige Vertragsverlängerung zu den bisherigen Bedingungen vereinbart, gleichzeitig aber unmißverständlich einen Formvorbehalt gemäß § 884 ABGB dahin erklärt, ohne Abschluß eines gerichtlichen Räumungsvergleichs "nicht gebunden sein zu wollen". Da der Abschluß eines Räumungsvergleichs später unterblieben sei, fehle es an einer wirksamen Vertragsverlängerung. Die Kläger hätten nur auf Abschluß eines solchen Vergleichs "nach Vorvertragsregeln" klagen können.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
Das vorliegende Oppositionsklagebegehren ist als Streitigkeit gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO zu beurteilen, weil über das Erlöschen eines bestimmten vollstreckbaren Räumungsanspruchs als Hauptfrage abzusprechen ist. Zutreffend unterließ daher das Berufungsgericht die Bewertung des Entscheidungsgegenstands.
Die Existenz rechtsgeschäfticher Willenserklärungen ist nach § 863 ABGB, der Inhalt eines gültig zustandegekommenen Rechtsgeschäfts dagegen nach § 914 ABGB zu beurteilen. Dabei ist für die Bedeutung von Erklärungen deren objektiver Aussagewert maßgeblich, also jenes Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger der Willensäußerung unter Berücksichtigung aller Umstände beimessen mußte (1 Ob 126/97d; ÖBA 1992, 745; ÖBA 1990, 843; MietSlg 42.110 uva).
Ein Bestandvertrag kommt gemäß § 1094 ABGB schon durch die Willensübereinstimmung über den Bestandgegenstand und den Bestandzins zustande, es sei denn, die Vertragsparteien hätten sich die Einigung über bestimmte, wenn auch unwesentliche Vertragspunkte vorbehalten (MietSlg 47.055/20; MietSlg 34.180; MietSlg 34.178/12; MietSlg 27.141
ua) oder es hätte über einen derartigen Vertragspunkt offener Dissens geherrscht (MietSlg 47.055/20; MietSlg 35.131; vgl auch MietSlg 35.132; JBl 1978, 424; EvBl 1960/4; für alles auch Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 7 zu § 1092; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu §§ 1092 bis 1094).
Die Kläger berufen sich auf eine Verlängerung des befristeten Bestandverhältnisses. Ein Vertrag darüber kann - mangels eines gesetzlichen Formgebots - auch mündlich zustandekommen (MietSlg 47.055/20). Selbst wenn die Parteien die Errichtung einer schriftlichen Vertragsurkunde vorgesehen hätten, besagte eine solche Vereinbarung noch nicht, sie wollten vor der Beurkundung ihres Geschäftswillens im Sinne des § 884 ABGB nicht gebunden sein (MietSlg 47.055/20; Miet 34.180 mwN).
Nach Rummels (JBl 1980,236 ff) Ansicht verkehrte die Rechtsprechung die gesetzliche Vermutung des § 884 ABGB in ihr Gegenteil. Danach hat die von den Parteien beabsichtigte Schriftform gewöhnlich nur deklaratorische Bedeutung, und zwar nicht nur dann, wenn bereits mit der Vertragsabwicklung begonnen wurde oder die Form bloß der grundbücherlichen Durchführung eines Liegenschaftskaufs dient (siehe dazu zuletzt 3 Ob 300/97g mwN).
Hier bedarf indes die Kritik Rummels (aaO) keiner Wertung, weil sich - nach den hier bedeutsamen Umständen des Einzelfalls - selbst auf deren Grundlage nicht die Schlußfolgerung ziehen ließe, eine der Vertragsparteien hätte sich mit der Zusatzvereinbarung, einen weiteren gerichtlichen Räumungsvergleich nach bisherigen Gepflogenheiten und Inhalten abzuschließen, vorbehalten wollen, in eine Vertragsverlängerung allenfalls doch nicht einzuwilligen, ist doch die Einigung, einen gerichtlichen Vergleich abzuschließen, schon im allgemeinen nicht anders als etwa die Absprache auf Errichtung einer verbücherungsfähigen Urkunde nach einem Liegenschaftskauf zu
beurteilen (3 Ob 300/97g). Im speziellen ist aber im vorliegenden
Fall maßgeblich, daß eine Vereinbarung, durch Abschluß eines
gerichtlichen Räumungs- vergleichs - entsprechend den bisherigen Gepflogenheiten und Inhalten - einen Exekutionstitel zu schaffen, den Vertragsschluß voraussetzt und gerade dieses Verständnis auch ausdrücklichen Prozeßbehauptungen des Beklagten im Verfahren erster Instanz entspricht, brachte er doch vor, es wäre jedenfalls ein "Nachtrag" zum Mietvertrag erforderlich gewesen, weil sonst die Kläger "jederzeit aus dem Mietobjekt" hätten ausziehen und er - wegen "neuer Interessenten" - dem Abschluß eines bloßen Räumungsvergleichs unter Aufrechterhaltung des bisherigen Mietverhältnisses jedenfalls nicht hätte zustimmen können. Diesem Prozeßvorbringen kann die Behauptung eines Formvorbehalts gemäß § 884 ABGB, wie ihn das Berufungsgericht unterstellte, weder ausdrücklich noch schlüssig entnommen werden. Es folgt daraus sogar unmißverständlich das Gegenteil. Der Beklagte brachte im Verfahren erster Instanz aber auch sonst nicht einmal andeutungsweise vor, er habe seinen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen zur Verlängerung des Bestandverhältnisses vom (gleichzeitigen) Abschluß eines gerichtlichen Räumungsvergleichs abhängig gemacht. Es mangelt ferner an Feststellungen, die - im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts - als Formvorbehalt zu qualifizieren wären. Die dem Ersturteil zu entnehmenden und vom Gericht zweiter Instanz übernommenen (klaren) Feststellungen zur mündlichen Willenseinigung der Streitteile über die Verlängerung des Bestandverhältnisses tragen nur die Rechtsansicht des Erstgerichts. Danach ist aber der vollstreckbare Räumungsanspruch aus dem gerichtlichen Vergleich vom 14. Juni 1995 wegen der am 16. April 1997 erzielten Willenseinigung über die Verlängerung des Mietverhältnisses erloschen.
Anzumerken bleibt, daß der Beklagte den Abschluß eines weiteren gerichtlichen Räumungsvergleichs durch Bedingungen, die der Willenseinigung vom 16. April 1997 entgegenstanden, selbst vereitelte.
Der Revision ist daher im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO durch Wiederherstellung des Ersturteils stattzugeben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Als Bemessungsgrundlage ist gemäß § 10 Z 2 lit a RATG ein Jahrensmietzins von 254.508 S zugrundezulegen. Das entspricht mit einer Differenz von 1,20 S der auch von den Streitteilen im Revisionsverfahren herangezogenen Bemessungsgrundlage. Der Einheitssatz für das Berufungsverfahren wurde von den Klägern gemäß § 23 Abs 9 RATG idF WGN 1997 BGBl I 140 zutreffend mit 150 % verzeichnet. Die Summe der Kosten des Rechtsmittelverfahrens ergibt sich aus dem Spruch dieser Entscheidung.
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