European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00260.09W.0127.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die Antragstellerin beantragt die Sicherung der ihr zukommenden Vermächtnisse. Sie bringt vor, der Erblasser habe sie in seinen letztwilligen Verfügungen mit einem Vermächtnis von 100.000 EUR bedacht, weiters habe er ihr alle seine Fahrnisse vermacht. Sie habe die Besorgnis, dass diese Ansprüche gefährdet und deren Durchsetzung in Frage gestellt werde. Die Witwe des Erblassers und Alleinerbin sei Staatsbürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika und trachte, unter Verwertung der erblasserischen Vermögenswerte dorthin zurückzukehren. Außerdem seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Witwe in Anbetracht der Legatsansprüche ungünstig, weshalb auch aus diesem Grund deren Durchsetzung entscheidend gefährdet wäre. Zu befürchten sei außerdem, dass es zu einer Vermengung der in einer näher bezeichneten Wohnung befindlichen Fahrnisse mit dem Vermögen der Witwe komme, die der Antragstellerin die Schlüssel zur Wohnung nicht mehr zurückgegeben habe. Außerdem habe die Witwe bei der Todesfallaufnahme die Fahrnisse als „wertlos" bezeichnet.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Sicherzustellen seien vor Einantwortung des Nachlasses nur erbrechtliche Ansprüche pflegebefohlener Personen, zu deren Kreis die Antragstellerin nicht zähle. Die Sicherstellung anderer erbrechtlicher Ansprüche, wie etwa von Ansprüchen nicht pflegebefohlener Personen auf ihnen ausgesetzte Vermächtnisse, sei im AußStrG nicht vorgesehen. Nicht pflegebefohlene Vermächtnisnehmer seien vor der Einantwortung von ihren Ansprüchen lediglich zu verständigen. Sollte der Antrag - ohne dass er ausdrücklich darauf gerichtet sei - als Antrag auf Nachlassseparation nach § 812 ABGB zu verstehen sein, mangle es an der Bescheinigung konkreter Umstände, die Zweifel an der Erfüllung der Legatsansprüche entstehen ließen. Bloß abstrakte Befürchtungen könnten die Bewilligung der Nachlassseparation nicht rechtfertigen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage einer im Verlassenschaftsverfahren beantragten Sicherstellung eines Legats fehle. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Sicherung der Vermächtnisse nicht pflegebefohlener Personen. Da im Rekurs die Nachlassabsonderung nach § 812 ABGB nicht angesprochen werde, sei auf deren Voraussetzungen nicht einzugehen. Soweit sich die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel erstmals auf § 147 AußStrG berufe, handle es sich um Sicherungsmaßnahmen, die der Gerichtskommissär schon bei der Todesfallaufnahme vornehmen könne. Wenn Erben vorhanden seien, erübrigten sich Sicherungsmaßnahmen, die nicht die Regel sondern nur Ausnahme seien. Im Übrigen fehle jegliche Konkretisierung, welche Sicherungsmaßnahmen die Legatarin anstrebe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Festzuhalten ist vorerst, dass sich der Revisionsrekursantrag (und auch schon der Rekursantrag) nur mehr darauf richtet, es möge zu Gunsten der Revisionsrekurswerberin die Sicherstellung ihres Legats von 100.000 EUR durchgeführt werden.
Auch im Revisionsrekurs hält die Rechtsmittelwerberin an ihrem Standpunkt fest, es bestehe Gefahr, dass der Verlassenschaftsabhandlung Vermögensbestandteile - und damit auch ihr Legatsanspruch - entzogen würde, weshalb der Gerichtskommissär schon bei der Todesfallaufnahme Sicherungsmaßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen hätte setzen müssen. Das Rekursgericht hätte dem Gerichtskommissär entsprechende Aufträge zu erteilen und die Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen gehabt.
Dazu ist auszuführen:
Die Revisionsrekurswerberin tritt im Verlassenschaftsverfahren als antragstellende Partei auf und behauptet einen Rechtsschutzanspruch auf Sicherstellung des ihr zugedachten Vermächtnisses, weshalb ihr (formelle) Parteistellung iSd § 2 Abs 1 Z 1 AußStrG zuzuerkennen ist. Der von ihr behauptete Rechtsschutzanspruch steht ihr aber (jedenfalls aufgrund des derzeitigen Vorbringens) nicht zu:
1. Gemäß § 176 Abs 1 AußStrG sind alle Personen, denen an der Verlassenschaft andere erbrechtliche Ansprüche zustehen als die eines Erben, vor der Einantwortung nachweislich von diesen zu verständigen. Stehen Pflegebefohlenen Ansprüche nach Abs 1 zu, die noch nicht erfüllt sind, so ist vor Einantwortung Sicherheit zu leisten (§ 56 ZPO), die beim Gerichtskommissär hinterlegt werden kann (§ 176 Abs 2 AußStrG). Nach den ErläutRV (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG zu § 176) ist zu differenzieren, ob es sich um Pflegebefohlene, also Minderjährige oder Personen handelt, denen ein Sachwalter bestellt wurde, oder andere, voll geschäftsfähige Personen. Voll geschäftsfähige Personen sind vor Einantwortung nur nachweislich vom Anfall ihrer erbrechtlichen Ansprüche zu verständigen, während Pflegebefohlenen - sofern ihre Ansprüche noch nicht erfüllt sind - vor der Einantwortung Sicherheit zu leisten ist („Legatsnachweis"). Wird die Sicherheit trotz fristgebundener Aufforderung nicht erlegt, so hat das Verlassenschaftsgericht den Erlag mit Beschluss aufzutragen.
Die rechtlich geschützte Stellung nicht pflegebefohlener Legatare im Verlassenschaftsverfahren beschränkt sich demnach darauf, dass sie gemäß § 176 Abs 1 AußStrG vor Einantwortung von ihrem Vermächtnis zu verständigen sind; weiters steht ihnen das Recht zu Nachlassseparation nach § 812 ABGB zu verlangen (Eccher in Schwimann, ABGB3 § 797 Rz 9). Ansonsten sind sie vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens nicht zu hören (Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren Rz 90).
Da die Revisionsrekurswerberin unstrittig nicht zum Kreis der pflegebefohlenen Personen zu rechnen ist, kann sie aus § 176 AußStrG kein subjektives Recht auf Sicherstellung des Vermächtnisses vor Einantwortung ableiten.
2. Gegen die Ansicht des Rekursgerichts, der Antrag sei nicht als Antrag auf Nachlassseparation gemäß § 812 ABGB zu verstehen, wendet sich die Revisionsrekurswerberin in ihrem Revisionsrekurs nicht.
3. Zu den Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen durch den Gerichtskommissär nach § 147 AußStrG:
Besteht die Gefahr, dass Vermögensbestandteile der Verlassenschaftsabhandlung entzogen werden, oder sind die vermutlichen Erben, nahen Angehörigen oder Mitbewohner zur Verwahrung nicht fähig oder doch nicht bereit, hat der Gerichtskommissär bereits anlässlich der Todesfallaufnahme nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Verlassenschaft auf geeignete Weise zu sichern, wobei als Sicherungsmaßnahme neben dem Versperren insbesondere die Versiegelung der Verlassenschaft oder ihre Verwahrung beim Gerichtskommissär oder einem Verwahrer in Betracht kommt (§ 147 Abs 1 und 2 AußStrG). Zur Überwachung der Tätigkeiten des Gerichtskommissärs kann das Verlassenschaftsgericht Aufträge erteilen, Berichte einholen und die erforderlichen Erhebungen vornehmen (§ 7a Abs 1 GKG). Wendet sich eine Partei gegen einzelne Maßnahmen oder das Verhalten des Gerichtskommissärs, so hat das Gericht zur Wahrung der Parteienrechte gegen das Vorgehen des Gerichtskommissärs nach dessen Anhörung bei Bedarf Abhilfe zu schaffen (§ 7a Abs 2 GKG). Wird ein Gerichtskommissär ohne Rechtfertigung säumig und bleibt er dies auch, nachdem ihm unter gleichzeitiger Androhung des Widerrufs des Auftrags eine angemessene Nachfrist gesetzt worden ist, so ist der Auftrag zu widerrufen und ein anderer Notar zum Gerichtskommissär zu bestellen. Ist es zur beschleunigten Durchführung der Sache erforderlich, so hat das Gericht die Amtshandlung selbst durchzuführen (§ 7a Abs 4 iVm § 6 Abs 2 und § 7 Abs 2 GKG). Dabei handelt es sich um eine Konstruktion, die sich als Abhilfeantrag im Verhältnis zwischen Konkursgericht und Masseverwalter bewährt hat (Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen3 Rz 559).
Ein Antrag nach § 7a Abs 2 GKG ist aus dem erstinstanzlichen Vorbringen - auch bei weiter Auslegung - jedoch nicht ableitbar. Das im Rekurs und Revisionsrekurs zu § 147 AußStrG bzw in Richtung § 7a Abs 2 GKG erstattete Vorbringen widerspricht dem Neuerungsverbot, waren doch die behaupteten Tatsachen und beantragten Beweismittel schon zur Zeit des Beschlusses erster Instanz vorhanden und hätten schon vor Erlassung dieses Beschlusses vorgebracht werden können (§ 49 Abs 2 AußStrG). Ein dem Rekursgericht unterlaufener Verfahrensfehler infolge Unterlassung von Sicherungsmaßnahmen liegt deshalb nicht vor. Dass die Witwe iSd § 147 Abs 1 AußStrG zur Verwahrung nicht fähig oder bereit wäre oder Gefahr bestehe, dass der Verlassenschaft Vermögen entzogen werde, wäre nur im Fall des Vorliegens eines Antrags nach § 7a Abs 2 GKG relevant, weshalb weder eine dem Rekursgericht in diesem Zusammenhang angeblich unterlaufene entscheidungswesentliche Aktenwidrigkeit gegeben ist, noch ein Verfahrensmangel erster Instanz infolge Nichtaufnahme der zu diesem Thema angebotenen Bescheinigungsmittel.
Nur dann, wenn eine Partei an das Verlassenschaftsgericht einen Antrag nach § 7a Abs 2 GKG gestellt und behauptet hätte, dem Gerichtskommissär - trotz Nachfristsetzung - Säumnis infolge Unterlassung nach § 147 AußStrG notwendiger Sicherheitsmaßnahmen vorzuwerfen wäre und Gefahr im Verzug bestünde, hätte das Verlassenschaftsgericht selbst Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen gehabt.
Die Voraussetzungen für die von der Revisionsrekurswerberin gewünschte Sicherstellung ihres Legatsanspruchs durch gerichtliche Maßnahmen liegen somit auch nicht im Hinblick auf § 147 AußStrG und § 7a Abs 2 GKG vor.
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