OGH 3Ob250/09z

OGH3Ob250/09z27.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin T***** M***** D*****, vertreten durch Mag. Tomasz Gaj, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner S***** D*****, vertreten durch Mag. Ingrid Juliane Gaismayer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. August 2009, GZ 45 R 236/09b-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. Jänner 2009, GZ 84 C 69/08f-13 (verbunden mit GZ 84 C 70/08b) bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, einen Bewertungsausspruch zu fassen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht übersteigt.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte in einem Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG die Anordnung, dass sie anstelle des Antragsgegners in das der Benützung der vormaligen Ehewohnung zu Grunde liegende Bestandverhältnis eintrete. Der Antragsgegner begehrte die Zuweisung der Ehewohnung samt bestimmter Einrichtungsgegenstände an ihn. Für den Fall, dass seinem Antrag nicht stattgegeben werde, beantragte er die Übertragung näher bezeichneter Einrichtungs- und Hausratsgegenstände sowie Fahrnisse aus der Ehewohnung in sein Alleineigentum.

Das Erstgericht gab dem Antrag der Antragstellerin Folge und verpflichtete diese, dem Antragsgegner bestimmte Gegenstände zu übergeben; den Antrag des Antragsgegners, ihm die Ehewohnung zuzuweisen, wies es ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Aufteilungsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung ein Anspruch rein vermögensrechtlicher Natur (RIS-Justiz RS0007124), sodass das Rekursgericht im vorliegenden Fall einen Bewertungsausspruch vorzunehmen hatte. Im Hinblick auf die Änderungen des Außerstreitgesetzes durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52 wird der Bewertungsausspruch aber neu zu fassen sein:

1. Durch Art 5 Z 1 und 2 des 2. Hauptstücks des Budgetbegleitgesetzes 2009 wurden auch für das Außerstreitverfahren die Wertgrenzen angehoben, indem in § 62 Abs 3 und 5 AußStrG sowie in § 63 Abs 1 AußStrG jeweils der Betrag von „20.000 EUR" durch den Betrag von „30.000 EUR" ersetzt wurde. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 - demnach jedenfalls dann unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist. Diese Rechtslage gilt, wenn das Datum der Entscheidung zweiter Instanz - wie hier - nach dem 30. Juni 2009 liegt (Art 16 Abs 4 der Schluss- und Übergangsbestimmungen zum 1. Abschnitt des Budgetbegleitgesetzes).

Gemäß § 59 Abs 2 AußStrG hat das Rekursgericht ferner auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteigt oder nicht. Eine Anpassung des § 59 Abs 2 AußStrG an die sich aus der neuen Rechtslage ergebenden Wertgrenzen ist unterblieben; im Budgetbegleitgesetz 2009 findet sich dazu keine entsprechende Regelung. Dessen mit „Änderung des Außerstreitgesetzes" übertitelter Art 5 enthält außer den oben bereits wiedergegebenen Änderungen nur noch Anpassungen des § 101 Abs 1 AußStrG und des § 162 AußStrG (Z 3 und Z 4). Auch die Gesetzesmaterialien zu Art 5 bringen keinen Aufschluss, ergibt sich daraus doch lediglich, dass es im AußStrG zu einer Anhebung der Wertgrenzen komme. Diese Gesetzeslage hätte zur Folge, dass zwar die Zulässigkeit des Revisionsrekurses in Außerstreitsachen nunmehr an die Wertgrenze von 30.000 EUR anknüpft, das Rekursgericht bei einem Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur (der nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht) - entsprechend dem unverändert gebliebenen § 59 Abs 2 AußStrG - aber weiterhin einen Bewertungsausspruch zu fassen hätte, aus dem sich lediglich ergibt, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteigt. Es bliebe also jeweils offen, ob dieser Wert auch 30.000 EUR übersteigt.

2. Ein Redaktionsversehen liegt vor, wenn die Formulierung des Gesetzes durch einen Fehler in der sprachlichen Ausarbeitung nachweislich nicht mit dem gesetzgeberischen Willen übereinstimmt (6 Ob 103/03w). Dies kann hier im Hinblick auf die vom Gesetz intendierte Anhebung der Wertgrenzen bejaht werden. Dass die in § 59 Abs 2 enthaltene Wertgrenze von 20.000 EUR unverändert bleiben sollte, kann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben, weil die §§ 62 Abs 3 und 5 bzw § 63 Abs 1 eindeutig einen Ausspruch des Rekursgerichts darüber voraussetzen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt. Ist der wahre Wille des Gesetzgebers also mit Sicherheit nachweisbar, liegt ein redaktionelles Versehen vor, sodass selbst ein eindeutiger Gesetzeswortlaut „keine unübersteigliche Grenze juristischer Argumentation darstellt" (F. Bydlinski in Rummel ABGB3 Rz 25 zu § 6). In diesen Fällen ist es zulässig, eine Vorschrift im Ganzen gegen ihren eindeutigen Wortsinn zu verstehen (F. Bydlinski aaO; RIS-Justiz RS0009100). Wenn der Gesetzgeber eine Korrektur eines solchen offenkundigen Redaktionsversehens unterlässt, kann der Fehler auch im Wege der Gesetzesauslegung beseitigt werden (RIS-Justiz RS0008763).

Die Rekursgerichte werden demnach in allen im außerstreitigen Verfahren nach dem 30. Juni 2009 ergehenden Entscheidungen unter der Voraussetzung, dass ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht und der Revisionsrekurs nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG für nicht zulässig erklärt wurde, auszusprechen haben, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt.

Im vorliegenden Fall lässt sich aus dem bisherigen Ausspruch des Rekursgerichts aber nur ableiten, dass der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR nicht jedoch, ob er auch 30.000 EUR übersteigt. Der Bewertungsausspruch wird daher entsprechend der Rechtslage nach Anhebung der Wertgrenzen durch das Budgetbegleitgesetz 2009 zu ergänzen bzw abzuändern sein.

Zu diesem Zweck ist der Akt dem Rekursgericht zurückzustellen. Soweit keine zwingenden Bewertungsvorschriften bestehen, wird dem Rekursgericht bei Fassung des Bewertungsausspruchs ein Ermessensspielraum offen stehen, innerhalb dessen es den Wert des Entscheidungsgegenstands festzusetzen hat; ein Bewertungskriterium bildet dabei der objektive Wert der Streitsache (4 Ob 61/04f).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte