OGH 3Ob250/07x

OGH3Ob250/07x19.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Andreas H*****, in Obsorge der Mutter Elke H*****, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Linz, Hauptstraße 1-5, wegen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Christian H*****, vertreten durch Dr. Thomas Marschall, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 15. März 2007, GZ 15 R 113/07d-U34, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Oktober 2007, AZ 15 R 113/07d, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 18. Jänner 2007, GZ 3 P 50/06m-U28, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise dahin Folge gegeben, dass der Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes für den Zeitraum 1. März 2003 bis 31. Dezember 2003 abgewiesen wird. Im übrigen Umfang (Unterhaltserhöhung ab 1. Jänner 2004) wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater verpflichtete sich im Scheidungsfolgenvergleich vom 7. Juli

2000 vor dem Bezirksgericht Amstetten ab 1. August 2000 für den

älteren, 1987 geborenen Sohn Alexander monatlich 5.400 ÖS (= 392,43

EUR) und für den jüngeren, 1997 geborenen Sohn 3.600 ÖS (= 261,62

EUR) an Unterhalt bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit beider Kinder zu Handen der obsorgeberechtigten Mutter zu zahlen.

Der zuständige Magistrat als Vertreter beantragte am 28. Februar 2006 die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung für den jüngeren Sohn rückwirkend ab 1. März 2006 auf 450 EUR monatlich. Der Vater erziele aus selbständiger Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von zumindest 3.500 EUR. Der Vater sprach sich gegen den Unterhaltserhöhungsantrag aus. Er beziehe als Geschäftsführer einer GmbH seit April 2005 kein Gehalt und keinen wie immer gearteten Bezug. Die Gesellschaft befinde sich in Liquidation. Eine Verwertung, an welcher er zu 50 % beteiligt sei, sei nicht absehbar. Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsantrag statt und setzte die Unterhaltsverpflichtung rückwirkend ab 1. März 2003 mit monatlich 450 EUR fest. Der Vater habe als Selbständiger in den Jahren 2003 bis 2005 ein durchschnittliches monatliches Reineinkommen von 6.238 EUR erzielt. Die Privatentnahmen des Vaters hätten in den angeführten Jahren durchschnittlich 14.921 EUR monatlich betragen. In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht beim festgestellten Reineinkommen den begehrten Unterhaltsbeitrag für wirtschaftlich zumutbar und der Leistungsfähigkeit des Vaters entsprechend. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es bejahte erkennbar die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zur beantragten Unterhaltserhöhung und führte im Wesentlichen Folgendes aus:

Durch den vom Rekurswerber behaupteten Auszug des älteren Sohnes aus dem Haushalt der Mutter und die dadurch eingetretenen höheren Aufwendungen des Vaters für dieses Kind reduziere sich der Unterhaltsanspruch des jüngeren Sohnes nicht. Eine „Verquickung der verschiedenen Unterhaltsansprüche" sei ausgeschlossen. Bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage sei nicht der steuerliche Reingewinn, sondern der tatsächlich verbleibende Reingewinn, also das vom selbständig Erwerbstätigen erzielte Durchschnittseinkommen aus den letzten drei Jahren vor der Beschlussfassung maßgeblich. Im Beobachtungszeitraum habe der Unterhaltsschuldner im Jahr 2003 ein negatives Einkommen (- 919 EUR monatlich) erzielt, im Jahr 2004 ein monatliches Einkommen von 18.907 EUR und im Jahr 2005 von 727 EUR. Daraus errechne sich in den drei Jahren ein monatliches Durchschnittseinkommen von 6.238 EUR. Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch aber über Antrag des Revisionsrekurswerbers ab und erklärte den Revisionsrekurs doch für zulässig, weil der Rekurswerber richtig aufzeige, dass bei Unterhaltsbegehren für die Vergangenheit auf die konkrete Leistungsfähigkeit in den einzelnen Unterhaltsperioden (also nicht auf das Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre) abzustellen sei.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragte der Unterhaltsschuldner, dass der Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig. Das Rechtsmittel ist teilweise auch berechtigt.

1. Der Revisionsrekurswerber rügt zunächst richtig, dass die Unterhaltsbemessungsgrundlage bei einem aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielten Einkommen nur für den laufenden Unterhalt aus dem Durchschnittseinkommen der drei letzten, vor der Beschlussfassung liegenden Geschäftsjahre gebildet wird (RIS-Justiz RS0053251) und dass im Gegensatz dazu bei einem begehrten Unterhalt für die Vergangenheit die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners in den einzelnen Unterhaltsperioden zu prüfen ist (1 Ob 549/95; 5 Ob 29/04g; 3 Ob 181/04w; 5 Ob 254/05x u.a.). Für den begehrten Unterhaltsrückstand der letzten drei Jahre war es demnach verfehlt, von dem rechnerisch ermittelten monatlichen Durchschnittseinkommen von 6.238 EUR auszugehen. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Rekurswerber im Jahr 2003 ein negatives Einkommen erzielt. Da er nach dem von beiden Seiten nicht weiter bekämpften Sachverständigengutachten in diesem Jahr auch keine Privatentnahmen tätigte (Negativentnahmen S 18 und 20 im Gutachten ON U12) ist das Unterhaltserhöhungsbegehren für das Jahr 2003 nicht berechtigt.

2. Anderes gilt für die beiden Folgejahre:

Vorauszuschicken ist, dass der Revisionsrekurswerber weder in seinem Rekurs an die zweite Instanz noch im Revisionsrekurs die Konstatierungen des Sachverständigen in Frage stellt und auch die, wenngleich kursorischen, aber doch ausreichenden Feststellungen des Erstgerichts über die monatlichen Durchschnittseinkommen und Privatentnahmen nicht bekämpft, sodass der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen ist, dass der Vater monatliche Privatentnahmen im Jahr 2004 von 17.168 EUR und im Jahr 2005 von 29.319 EUR tätigte (entsprechend dem Verweis des Erstgerichts auf das Sachverständigengutachten, hier in concreto S 20 in ON U12). Für diese beiden Jahre kommt es daher nicht auf das erzielte monatliche Einkommen (nach dem Gutachten 18.907 EUR im Jahr 2004 und 727 EUR im Jahr 2005) an. Tätigt nämlich der Unterhaltspflichtige höhere Privatentnahmen als es dem Reingewinn entspricht, so greift er insofern den Stamm seines Vermögens an. Sieht sich der Unterhaltspflichtige zu einem solchen Vorgehen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse veranlasst und allenfalls sogar berechtigt, so liegt darin eine Gestaltung der Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, an denen die angemessenen Bedürfnisse des Kindes zu messen sind. Es bilden daher die Privatentnahmen die Unterhaltsbemessungsgrundlage, und zwar sogar dann, wenn der Unterhaltspflichtige mit einem bilanzmäßigen Verlust abschließt (RIS-Justiz RS0047382). Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners in den Jahren 2004 und 2005 ist nach diesen Grundsätzen daher zu bejahen.

3. Dies gilt auch für die begehrte Erhöhung des laufenden Unterhalts ab 1. Jänner 2006:

Maßgeblich ist - wie schon ausgeführt - das Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre, hier also die festgestellten 6.238 EUR monatlich. Soweit der Revisionsrekurswerber unter Hinweis auf den Entscheidungszeitpunkt erster Instanz (17. Jänner 2007) die Heranziehung des Jahres 2006 als maßgebliches Beobachtungsjahr anstrebt und dazu fehlende Feststellungen rügt, ist ihm zu entgegnen, dass die Vorinstanzen völlig zu Recht die Jahre 2003 bis 2005 herangezogen haben, standen doch bei der Sachverhaltserhebung und auch noch bei der Beschlussfassung erster Instanz die Daten für das Jahr 2006 noch nicht zur Verfügung, ganz abgesehen davon, dass der Unterhaltsschuldner auch für die vorherigen Jahre nur sehr mangelhaft an der Stoffsammlung mitwirkte, sodass eine Einbeziehung des Geschäftsjahrs 2006 nur zu einer nicht zu rechtfertigenden Verzögerung des Verfahrens hätte führen können.

Bei einer Bemessungsgrundlage von 6.238 EUR monatlich liegt die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners auch unter Berücksichtigung einer weiteren Sorgepflicht für den bereits volljährigen zweiten Sohn auf der Hand. Dazu braucht nur auf die für durchschnittliche Verhältnisse in der Rechtspraxis angewandte Prozentsatzmethode verwiesen werden (RIS-Justiz RS0047427), bei der weitere Unterhaltspflichten durch Abzüge von Prozentpunkten berücksichtigt werden (1 Ob 122/97s; 1 Ob 180/98x uva). Nach der Altersstufe des antragstellenden Kindes ist hier ein Prozentsatz von 18 % Richtschnur und ein Abzug von 2 % (allenfalls zugunsten des Revisionsrekurswerbers 3 %) für die weitere Sorgepflicht gerechtfertigt (dazu Schwimann, Unterhaltsrecht², 14 f mwN aus der Rsp). Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ist demnach mit dem bekämpften Unterhaltsbeitrag von 450 EUR monatlich für den jüngeren Sohn bei weitem nicht erschöpft.

Der Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen nur teilweise berechtigt.

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