Normen
ABGB §1098
ABGB §1118
Mietengesetz §18
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
ABGB §1098
ABGB §1118
Mietengesetz §18
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
Spruch:
Sachgemäß durchgeführte Vorkehrungen zur Verbesserung bzw. Modernisierung des Bestandgegenstandes vermögen selbst dann nicht den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 3 MG herzustellen, wenn sie ohne die erforderliche baubehördliche Bewilligung vorgenommen und die Arbeiten nicht von befugten Gewerbsleuten durchgeführt wurden
Bei gesetzwidrigen (§ 1098 ABGB; § 18 MG) bzw. vereinbarungswidrigem Gebrauch des Bestandgegenstandes durch den Mieter kann der Vermieter den Bestandvertrag weder nach § 1118 ABGB noch nach § 19 Abs. 2 Z. 3 MG zur Auflösung bringen, wenn dieser Gebrauch nicht zugleich erheblich nachteilig ist
OGH 9. Dezember 1975, 3 Ob 248/75 (LGZ Wien 41 R 191/75; BG Fünfhaus 6 C 355/73)
Text
Die Klägerin kundigte dem Beklagten am 6. Juli 1972 die von diesem in ihrem Hause W 15, S.-Gasse 23 gemietete Wohnung Nr. 10-11 gerichtlich mit der Begründung auf, der Gekundigte habe ohne ihr Einverständnis und gegen ihren Willen, ohne die teilweise erforderliche baubehördliche Bewilligung, ohne Beiziehung gewerbeberechtigter Handwerker und überdies unsachgemäß verschiedene Umbauarbeiten am Bestandgegenstand vorgenommen, wodurch in der darüberliegenden Wohnung Nr. 16 meterlange Mauerrisse entstanden seien und sowohl die Substanz des Mietgegenstandes beschädigt als auch die Substanz der Nachbarobjekte gefährdet worden sei.
Der Beklagte brachte - abgesehen von mehreren, in der Folge nicht aufrechterhaltenen Einwendungen - im wesentlichen vor, die Klägerin bzw. ihr mit der Hausverwaltung betrauter Gatte habe den vom Beklagten durchgeführten Arbeiten zugestimmt, die behaupteten Schäden in der Wohnung Nr. 16 stunden mit diesen Arbeiten nicht im Zusammenhang, der behauptete Kündigungsgrund liege daher nicht vor.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtsunwirksam und wies dementsprechend das Begehren auf Übergabe des Bestandgegenstandes ab.
Nach den wesentlichen tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes mietete der Beklagte mit Vertrag vom 19. November 1970 die gegenständliche, aus drei Zimmern, Kabinett und Küche sowie Nebenräumen bestehende Wohnung, welche schon damals abweichend vom ursprünglichen Konsensplan aus zwei Kleinwohnungen unter Einbeziehung eines Gangteiles und eines Gangabortes geschaffen worden war. Dieser Mietvertrag enthält die Bestimmung, daß Änderungen innerhalb des Mietgegenstandes, Änderungen an seiner Außenseite sowie Änderungen des Verwendungszweckes der schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedürfen.
In der Folge nahm der Beklagte, ohne die vertraglich bedungene Zustimmung der Hauseigentümerin sowie die teilweise erforderliche baubehördliche Genehmigung einzuholen, folgende Umbauarbeiten vor:
1. Das Kabinett der früheren Wohnung Nr. 10 wurde in ein Badezimmer umgewandelt. Hiezu wurden statt des vorhandenen Schiffbodens ein Unterlagsbeton mit entsprechender Isolierung aufgebracht, der Wandverputz erneuert, die Leitungen für ein Doppelwaschbecken, Badewanne, Brause und Bodenablauf sowie die Gaszuleitung für einen geplanten Gasdurchlauferhitzer verlegt, eine Plastikeinbaubadewanne sowie eine Brausetasse installiert usw. Außerdem wurde der hölzerne Türstock zwischen der Küche und dem nunmehrigen Bad ausgelöst und durch eine Strahlzarge (Stahlrahmen für eine neue Tür) ersetzt.
2. Auf gleiche Art wurden Türen in einzelnen Räumen ausgewechselt sowie Rohre für Be- und Entlüftung (im Vorzimmer und WC unterhalb der Decke) installiert, die beabsichtigte Be- und Entlüftung allerdings nicht fertiggestellt.
3. Durch Abtragung der Scheidewand zwischen der (ehemaligen) Küche und dem Kabinett der (ursprünglichen) Wohnung Nr. 11 wurde ein Zimmer geschaffen.
4. Zwischen den beiden gartenseitigen Zimmern der (ursprünglichen) Wohnungen Nr. 10 und 11 wurde eine neue Türöffnung hergestellt und eine Tür versetzt.
5. Die Fenster und Fensterstöcke zweier Zimmer und des Vorzimmers wurden durch neue Fenster und Fensterstöcke mit nach innen aufgehenden Flügeln ersetzt.
6. Im Bereich Gang - Vorzimmer (früher Gangteil) wurden folgende Veränderungen vorgenommen: An der gangseitigen Gangscheidewand wurde die Eingangstür zur Wohnung Nr. 10 mit dem Gangfenster ausgelöst und durch einen neuen Holztürstock sowie einen neuen, wesentlich breiteren Fensterstock ersetzt. Im Bereich des Anhangfensters wurde die 15 cm starke Scheidewand ausgemauert und beiderseitig verputzt. Vor dem Versetzen der verbreiterten Oberlichte stellte der Beklagte einen an Ort und Stelle betonierten, armierten Träger mit jeweils zirka 20 cm Auflager her. Das Gangfenster im Bereich des an die Küche anschließenden Kabinetts wurde ausgelöst, die Öffnung verbreitert und nach Einziehen eines Betonträgers wurden (dort) Glasbausteine versetzt. Das Plattenpflaster des Vorzimmers wurde durch einen Unterlagsbeton mit darauf verlegten, 19 mm starken Novopanplatten ersetzt.
Zum Einbau der neuen Hoffenster hatte der Beklagte die Zustimmung des - das Haus verwaltenden - Gatten der Klägerin erhalten.
Sämtliche Maurer- und Stemmarbeiten nahm der Beklagte selbst vor. Die Elektroarbeiten und die übrigen Installationen einschließlich der Isolierung und Betonierung im Bad erfolgten im "Pfusch" (wenn auch durch Fachkräfte).
Das Auswechseln der Tür- und Fensterstöcke erfolgte sachgemäß, ebenso dem Anschein nach das Versetzen der Be- und Entlüftungsrohre. Desgleichen konnte eine unsachgemäße Durchführung der Gas-, Wasser- und Elektroinstallationen nicht festgestellt werden.
Hingegen wurde die unter 6. angeführte Veränderung durch mangelhafte Absicherung unsachgemäß durchgeführt. Durch diese unsachgemäß ohne Pölzung durchgeführten Maurer- und Stemmarbeiten im Bereich der ehemaligen Gangscheidewand setzte sich das Scheidemauerwerk über der Wohnungstür und dem ehemaligen Gangfenster; in der darüberliegenden Wohnung Nr. 16 der Mieterin D traten Setzungsrisse auf, die infolge ihrer geringen Stärke von 2 mm noch als Haarrisse bezeichnet werden können. Im einzelnen verlief in dieser Wohnung ein 2 mm starker durchgehender Riß in der 15 cm starken Scheidewand zwischen Gangküche und Gangkabinett, der von der Gangscheidewand zur Mittelmauer abfiel; über dem Gangfenster entstand ein schwacher waagrechter Riß in der Hohlkehle, ferner entstanden oberhalb der Tür zwischen Küche und Kabinett ein sehr schwacher waagrechter Riß und im Kabinett vom Gangfenster gegen die Wohnung Nr. 17 hin ein bis zu 2 mm starker Riß. Das Entstehen derartiger Risse kann auch bei sachgemäßer Arbeitsdurchführung durch einen Baumeister nicht ausgeschlossen werden, die vorgenommene bauliche Veränderung war auf keinen Fall geeignet, schwerwiegende Folgen und Gefahren für das Haus entstehen zu lassen.
Zur Beseitigung dieser Schäden war ein Betrag von 9.205 S erforderlich. Im Zeitpunkt der Aufkündigung waren die Schäden noch nicht behoben, doch hat der Beklagte den zur Schadensbeseitigung eingeklagten Betrag von 10.329.20 S dem Gründe und der Höhe nach anerkannt; er wurde rechtskräftig zur Bezahlung dieses Betrages verurteilt, die Risse wurden daraufhin verputzt, ohne daß sich seither (mehr als ein Jahr später) neue Risse gezeigt hätten. Der Schaden ist somit völlig repariert.
Auch die beim Auswechseln der Hoffenster entstandenen Verputzschäden waren im Zeitpunkt der Aufkündigung noch nicht beseitigt, doch hatte der Gatte der Klägerin dem Beklagten seinerzeit erklärt, er brauche hofseits nicht zu verputzen, weil die Klägerin die Absicht habe, die Hoffassade renovieren zu lassen. Im Zuge des Verfahrens hat der Beklagte auch diese Verputzschäden behoben.
Beim vorstehenden Sachverhalt führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe ihre Aufkündigung offenbar auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG (in der Fassung der MGN 1974, also bezogen auf den Zeitpunkt der Aufkündigung § 19 Abs. 2 Z. 4 MietG) gestützt, doch habe der Beklagte vom Mietgegenstand keinen erheblich nachteiligen Gebrauch gemacht, da der von ihm herbeigeführte Schaden im Verhältnis zu dem von ihm geschaffenen "Mietverband" äußerst gering und auch nicht geeignet gewesen sei, eine Gefahr oder Schädigung für den Bestand des Hauses oder auch nur eines Mietgegenstandes herbeizuführen. Es sei auch die von der Rechtsprechung geforderte wiederholte oder längerdauernde nachteilige Benützung nicht gegeben; schließlich vermöge die Vornahme der Arbeiten ohne Baubewilligung und ohne Beiziehung von Professionisten den geltend gemachten Kündigungsgrund nicht zu verwirklichen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und erklärte die Revision für zulässig.
Das Berufungsgericht trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes mit dem Hinweis bei, beim festgestellten Sachverhalt fehle jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Beklagte durch sein Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenleben in rücksichtsloser Weise verleidet hätte; die Klägerin sei entgegen ihren Ausführungen einem Verhalten von der Art des Beklagten nicht wehrlos ausgeliefert, ihr stehe vielmehr (in gewissen Punkten) die Möglichkeit eines Beseitigungs- oder Unterlassungsbegehrens offen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem durch § 1098 ABGB umschriebenen Gebrauchsrecht des Mieters entsprechen grundsätzlich folgende Möglichkeiten des Vermieters:
Falls der Mieter den Bestandgegenstand in einer dem Gesetz bzw. der zwischen ihm und dem Vermieter getroffenen Vereinbarung entsprechenden Weise gebraucht, kann der Vermieter diesen Gebrauch überhaupt nicht verhindern. Dies gilt bei Veränderungen am Bestandgegenstand, die unwesentlich sind, keiner baubehördlichen Genehmigung bedürfen und die ohne Schwierigkeiten die Wiederherstellung des früheren Zustandes gestatten (vgl. SZ 42/75; MietSlg. 23.314, 25.124 u. a.).
Falls der Gebrauch des Bestandgegenstandes durch den Mieter dem Gesetz (§§ 1098 ABGB, 18 MietG) bzw. der getroffenen Vereinbarung nicht entspricht, ohne zugleich erheblich nachteilig zu sein, kann der Vermieter zwar die Unterlassung bzw. Wiederherstellung begehren (auf diese Fallgruppe beziehen sich die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen MietSlg. 22.329, 23.326 und 24.278 sowie dessen Ausführungen, daß ein Vermieter bei gesetz- bzw. vereinbarungswidrigem Gebrauch nicht wehrlos sei), er kann aber deshalb den Bestandvertrag weder nach § 1118 ABGB noch durch Aufkündigung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG zur Auflösung bringen.
Das vorstehend genannte Auflösungsrecht steht dem Vermieter nach beiden zitierten Gesetzesstellen vielmehr nur bei "erheblich nachteiligem" Gebrauch der Bestandsache durch den Mieter zu.
Ob insoweit ein Kündigungsgrund vorliegt, richtet sich regelmäßig nach dem Gesamtverhalten des Mieters im Einzelfall (ebenso MietSlg. 19.151, 23.184, 24.167, 26.229 u. a.). Für Fälle der gegenständlichen Art scheidet zwar das von der Rechtsprechung für anders gelagerte Sachverhalte entwickelte Kriterium der Notwendigkeit einer Wiederholung bzw. längeren Dauer aus, doch tritt verstärkt das gleichfalls in der Rechtsprechung geforderte Kriterium einer zumindest drohenden erheblichen Substanzschädigung in den Vordergrund (vgl. MietSlg. 18.209, 19.299, 23.183, 26.229 u. a.).
Von diesen Überlegungen ausgehend vermögen sachgemäß durchgeführte Vorkehrungen zur Verbesserung bzw. Modernisierung des Bestandgegenstandes den Kündigungsgrund gemäß § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG selbst dann nicht herzustellen, wenn sie ohne die erforderliche baubehördliche Bewilligung vorgenommen und die Arbeiten nicht von befugten Gewerbsleuten durchgeführt wurden (ebenso MietSlg, 17.401, 25.154 u. a.). Entscheidend ist daher allein das Gewicht der hier festgestelltermaßen teilweise unsachgemäß durchgeführten Maurer- und Stemmarbeiten durch den Beklagten und das Ausmaß der hiedurch entstandenen Schädigung bzw. Gefährdung.
Das Ausstemmen vom Mauerwerk ohne Pölzung ist nun sicherlich ein nachteiliger Gebrauch der Bestandsache. Sofern hiedurch im vorliegenden Fall die Gefahr größerer Schäden - verstärkte Rißbildung oder gar teilweise Einsturzgefahr - entstanden wäre, hätte der Kündigungsgrund gemäß § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG als gegeben angesehen werden müssen, selbst wenn tatsächlich nur ein geringerer Schaden eingetreten ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war jedoch das unsachgemäße Verhalten des Beklagten nicht geeignet, weitergehende Schäden oder Gefahren herbeizuführen. Es ist daher abschließend zu untersuchen, ob der tatsächlich entstandene Schaden als "erheblich" nachteiliger Gebrauch zu qualifizieren ist.
Das diesbezügliche Verhalten des Beklagten soll keineswegs bagatellisiert werden, zumal ein Schaden mit ähnlichem Behebungsaufwand in der Entscheidung MietSlg. 19.299 als erheblich angesehen wurde (allerdings handelte es sich bei dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall um einen durch fortgesetzt unsachgemäßes Heizen entstandenen Kaminversottungsschaden). Berücksichtigt man jedoch die Feststellung, daß Risse auch bei sachgemäßer Arbeitsdurchführung (Pölzung) durch einen Baumeister hätten entstehen können, weitere Schäden oder Gefahren nicht herbeigeführt werden konnten und der Schaden (wenn auch erst nach erfolgter Aufkündigung) auf Kosten des Beklagten vollständig behoben wurde, so kann in der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der nachteilige Gebrauch der Bestandsache durch den Beklagten nicht den Wert des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG (in der Fassung der MGN 1974) erreicht, keine Fehlbeurteilung erblickt werden.
Damit fehlt aber auch die Möglichkeit, den festgestellten, nicht den zitierten Kündigungsgrund verwirklichenden Sachverhalt dem allgemeinen Kündigungsgrund des § 19 Abs. 1 MietG zu unterstellen, weshalb nicht näher zu erörtern ist, ob die Klägerin mit dem Vorbringen in der Aufkündigung sich überhaupt (inhaltlich) auf § 19 Abs. 1 MietG berufen hat.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)