OGH 3Ob245/11t

OGH3Ob245/11t18.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Gunther Weichselbaum, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. W*****, vertreten durch Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien, wegen 61.300 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. November 2011, GZ 16 R 152/11g-39, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Mai 2011, GZ 12 Cg 114/09m-35, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom beklagten Rechtsanwalt Zahlung von 61.300 EUR sA. Sie habe erst im März 2009 anlässlich einer Besprechung mit dem Beklagten im Beisein ihrer Tochter erfahren, dass der Beklagte aufgrund eines Kaufvertrags vom 24. August 2007 grundbücherlicher Eigentümer ihrer Wohnung in ***** W***** geworden sei. Bei der Besprechung habe sich herausgestellt, dass die Klägerin den mittlerweile bereits verbücherten Kaufvertrag unterfertigt habe, ohne zu begreifen, zu welchem Zweck die Urkunde errichtet worden sei. Nach diesem Kaufvertrag habe sich der Beklagte verpflichtet, 48 Monatsraten á 3.000 EUR beginnend mit 1. September 2007 als Kaufpreis zu bezahlen. Die Wohnung repräsentiere einen Verkehrswert von 450.000 EUR; der vereinbarte Kaufpreis betrage nicht einmal ein Drittel des Verkehrswerts. Die Klägerin habe daher den Klagevertreter beauftragt, die Rückabwicklung des Kaufvertrags vorzunehmen. Der Beklagte, der sich mit Schreiben vom 17. März 2009 auf den Standpunkt zurückgezogen habe, dass er lediglich „Sicherungseigentümer“ sei, habe seine Forderung mit insgesamt 116.617,28 EUR (gemeint: die Forderung bei Rückabwicklung) beziffert. Neben den tatsächlich geflossenen Kaufpreisratenzahlungen von 42.840 EUR zuzüglich Nebengebühren (Grunderwerbssteuer, Pauschal- und Eintragungsgebühr, Honorar des Beklagten) habe diese Aufschlüsselung auch einen Betrag von 61.300 EUR enthalten, den der Beklagte damit begründet habe, dass er neben den Kaufpreisraten am 24. August 2007 eine Barzahlung von 60.000 EUR (inklusive 4 % Zinsen 61.300 EUR) geleistet habe. In der Folge hätten die Streitteile die treuhändige Rückabwicklung des Kaufvertrags über den Klagevertreter vereinbart und am 6. Mai 2009 eine Dissolutionsvereinbarung getroffen. Entsprechend dieser Vereinbarung habe die Klägerin 107.067,93 EUR (den vom Beklagten aufgeschlüsselten Betrag abzüglich der Grunderwerbssteuer, die infolge der Rückabwicklung des Kaufvertrags zurückerstattet worden sei) bezahlt. Nun habe sich herausgestellt, dass die Behauptung des Beklagten, eine Barzahlung von 60.000 EUR geleistet zu haben, unzutreffend gewesen sei. Der Beklagte habe die Klägerin durch die Behauptung einer solchen Barzahlung in die Irre geführt; nur deswegen habe die Klägerin im Rahmen der Rückabwicklung weitere 61.300 EUR an den Beklagten bezahlt. Die Aufforderung zur Rückzahlung dieses Betrags habe der Beklagte mit dem Hinweis abgelehnt, dass der „Darlehensgeber“ der Klägerin ihm die aufgeschlüsselten Beträge genannt habe. Er habe sämtliche Gelder abzüglich seines Honorars und der Auslagen bereits weitergeleitet. Die Klägerin kenne jedoch keinen Darlehensgeber; sie habe niemals ein Darlehen erhalten. Die vom Beklagten behauptete Barzahlung an sie sei nie erfolgt. Tatsächlich habe der damalige Lebensgefährte der Klägerin, H***** S***** (in der Folge immer bezeichnet als: S) am 24. August 2007 auf das Konto der Klägerin bar 60.000 EUR eingezahlt. Der Beklagte habe auch bei Entgegennahme des aufgrund der Dissolutionsvereinbarung bezahlten Betrags nicht darauf hingewiesen, dass er als Vertreter für einen Dritten handle. Er sei immer nur im eigenen Namen aufgetreten. Erstmals mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 habe sich der Beklagte auf namentlich nicht genannte Dritte berufen. Der Beklagte als Rechtsanwalt habe bei der Abwicklung des Rechtsgeschäfts, dessen Inhalt die Klägerin erkennbar nicht begriffen habe, die zu fordernde Sorgfalt vermissen lassen. Die Klägerin sei dadurch an ihrem Vermögen geschädigt worden.

Der Beklagte wendet ein, dass der Klägerin und dem Klagevertreter klar gewesen sei, dass der Beklagte die Liegenschaft nur treuhändig halte. Er habe über Aufforderung der Klägerin, die investierten Gelder zurückzuzahlen, das Sicherungseigentum an den der Klägerin gehörigen Liegenschaftsanteilen aufgegeben und die Dissolutionsvereinbarung unterfertigt. Zug-um-Zug gegen Vormerkung des Eigentumsrechts habe er den nachweisbar von seinem Treugeber geleisteten Kaufpreis samt Zinsen und Kosten erhalten. Der Beklagte habe die Klägerin nicht in die Irre geführt. Der Betrag von 60.000 EUR sei im Zuge der Darlehensgewährung an die Klägerin am 24. August 2007 auf deren Konto zur Einzahlung gelangt. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass der Beklagte Treuhänder des A***** W***** (in der Folge immer bezeichnet als: W) gewesen sei und der Beklagte somit ausschließlich die Forderung seines Treugebers bei der Rückabwicklung verlangt habe. Er sei daher nicht passiv legitimiert. Die Klägerin habe bewusst eine Nichtschuld gezahlt. Die ohne Wissen des Beklagten erfolgte, aber dem Vermögen seines Treugebers W zurechenbare und als Darlehen bezeichnete Zahlung von 60.000 EUR sei ausschließlich der Klägerin zugekommen. Die Bareinzahlung von 60.000 EUR stamme aus dem Vermögen des W und nicht des S.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter rechtskräftiger Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens statt.

Es traf folgende Sachverhaltsfeststellungen:

Die Klägerin war Eigentümerin einer Wohnung in ***** W*****, S*****. Sie hatte etwa im Jahr 2003 S kennengelernt, mit dem sie eine Liebesbeziehung einging. Sie wusste weder, dass S ähnlich ausgestaltete Beziehungen auch mit anderen Frauen unterhielt, noch, dass er einen Gefängnisaufenthalt wegen Vermögensdelikten hinter sich hatte. Anlässlich seines letzten Gefängnisaufenthalts in Hirtenberg hatte er W kennengelernt, der ebenfalls wegen Vermögensdelikten straffällig geworden war. S war spielsüchtig und hatte dadurch einen hohen Geldbedarf. Bereits wenige Wochen nach Eingehen der Partnerschaft bat er die Klägerin erstmals um Geld. Im Zuge der Jahre borgte ihm die Klägerin insgesamt rund 400.000 EUR. S tätigte auch zwischendurch immer wieder Rückzahlungen. Auf dem Konto der Klägerin war nur diese zeichnungsberechtigt. Ebenfalls bedingt durch den hohen Geldbedarf des S nahm die Klägerin auch einen Kredit auf, der mit einem Pfandrecht zu Gunsten einer Versicherung auf ihren Liegenschaftsanteilen besichert wurde. Im März 2009 hafteten aus diesem Darlehen noch rund 160.000 EUR aus. S blieb nach seiner Strafhaft mit W befreundet. Beide entwickelten die Idee, dass W der Klägerin zur Befriedigung des Geldbedarfs des S Geldbeträge zukommen lassen sollte und dafür Eigentum an der Wohnung der Klägerin erwerben würde. W hatte sich von dem Regiepartner des Beklagten früher schon vertreten lassen und kannte daher den Beklagten. Er begab sich Ende Juli/Anfang August 2007 zum Beklagten mit der Idee, einen Leibrentenvertrag erstellen zu lassen, mit welchem er das Vorhaben, die Wohnung der Klägerin zu erwerben, umsetzen wollte. Die Klägerin hatte W über S flüchtig kennengelernt und auch erfahren, dass W längere Haftstrafen verbüßt hatte. Sie hatte von vornherein eine Abneigung gegen W. Es war daher Teil des Plans des W, dass er nicht als Vertragspartner aufscheinen sollte. W erzählte dem Beklagten, dass die Klägerin beabsichtige, ihre Wohnung zu veräußern oder gezwungen sei, sie zu veräußern. Schon diese Angaben waren unrichtig, denn die Klägerin war von S und W überhaupt nicht darüber informiert worden, was die beiden mit ihrer Wohnung vor hatten. W erklärte dem Beklagten, dass er 3.000 EUR im Monat an die Klägerin zahlen würde und in diesem Sinne ein Leibrentenvertrag aufgesetzt werden sollte. Der Beklagte klärte W dahingehend auf, dass die Klägerin, die im Jahr 2007 72 Jahre alt war, durchaus 90 Jahre alt werden könnte und sich dieser Leibrentenvertrag daher für W wirtschaftlich höchst nachteilig entwickeln könnte. Der Beklagte informierte sich zu keinem Zeitpunkt über den Verkehrswert der Wohnung der Klägerin. W konsultierte den Beklagten mehrere Tage danach erneut und sagte ihm nun, er solle einen Kaufvertrag erstellen. Weiters ersuchte er den Beklagten, dass dieser die Wohnung der Klägerin für ihn treuhändig erwerben sollte. Der Beklagte fragte nicht weiter nach, was der Grund für diese Form des Eigentumserwerbs sei. Der Treuhandvertrag zwischen dem Beklagten und W wurde lediglich mündlich abgeschlossen. Es wurde hiefür ein Honorar von 2.000 EUR plus USt vereinbart. W nannte dem Beklagten den Kaufpreis, nämlich 48 Monatsraten à 3.000 EUR, somit 144.000 EUR. Aufgrund der nicht hinterfragten Angaben des W erstellte der Beklagte einen Kaufvertragsentwurf, in welchem vereinbart wurde, dass die Klägerin dem beklagten Rechtsanwalt ihre Anteile an der Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an ihrer Wohnung, verkaufte. Punkt III. des Kaufvertrags lautete:

„Die Gegenleistung des Käufers besteht aus einer 48 (in Worten achtundvierzig) mal monatlich zu bezahlenden Rate von 3.000 EUR (in Worten:dreitausend) beginnend mit 1. 9. 2007.

Ferner wird das aushaftende Darlehen bei der U***** AG durch die Verkäuferin gemäß dem vorliegenden Tilgungsplan zurückbezahlt, wobei der Käufer berechtigt ist, die Zahlung an U***** direkt im Namen der Verkäuferin zu zahlen und diese von der monatlichen Rate in Abzug zu bringen. Der Käufer ist berechtigt, das per 1. 9. 2011 dann noch bestehende Restdarlehen nach Maßlangen seiner finanziellen Möglichkeiten im Namen der Verkäuferin vorzeitig zurückzuführen.

Diese Rate gebührt der Verkäuferin für 48 Monate und endet mit 31. 8. 2011. Die Bezahlung erfolgt am 1. eines jeden Monats und sind allfällige Rückstände mit 4 % Verzugszinsen per anno zu bezahlen.

Mit dem Ableben der Verkäuferin erlöschen die in diesem Vertrag von dem Käufer übernommenen Verbindlichkeiten; in diesem Fall ist er zu keinen weiteren Leistungen an die Erben der Verkäuferin verpflichtet, aber berechtigt, die Wohnung unter Wahrung der Interessen der Erben im Beisein des Verlassenschaftskommissärs zu betreten und die Ausfolgung eines Schlüssels zur Wohnung zu begehren.

Der Käufer sichert der Verkäuferin per 1. 9. 2011 die Möglichkeit des Rückkaufs der vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteile zu.“

Die Wohnung hatte einen Verkehrswert von 300.000 EUR bis 450.000 EUR. Die Klägerin war von all diesen Vorgängen völlig uninformiert. Der Beklagte, der die Klägerin nicht kannte, vereinbarte, nachdem W ihm mitgeteilt hatte, dass der Vertragsentwurf so unterzeichnet werden sollte, einen Termin mit einem Notarsubstituten. Auf dem Weg in die Wohnung der Klägerin sagte der Notarsubstitut den Termin telefonisch ab. Also begab sich der Beklagte am 23. August 2007 alleine in die Wohnung der Klägerin. In der Wohnung waren die Klägerin und S anwesend. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beklagte S schon davor kannte oder nicht. Der Beklagte sprach mit der Klägerin über den Inhalt des Kaufvertrags überhaupt nicht. Er sagte ihr nur, dass sie zum Substituten fahren sollte, um ihre Unterschrift beglaubigen zu lassen. Der Beklagte teilte nicht mit, dass er als Treuhänder für W auftritt. S war sehr interessiert daran, dass die Klägerin ihre Unterschrift auf den Vertrag setzte, was sie - ohne zu wissen, was sie unterschrieb - auch tat. Der Beklagte, der persönlich beim Notar war und dort seine Unterschrift beglaubigen ließ, erhielt später eine Vertragsurkunde, auf der auch die Echtheit der Unterschrift der Klägerin vom Notarsubstituten des Notars bestätigt worden war.

W überwies ab 1. 9. 2007 monatlich 3.000 EUR an den Beklagten. Dieser leitete diese Zahlungen an die Klägerin weiter. Von einer Zahlung von 60.000 EUR am 24. August 2007 auf das Konto der Klägerin wusste der Beklagte nichts. Eine Vereinbarung zwischen ihm und der Klägerin oder zwischen W und der Klägerin, wonach diese einen Kaufpreisteil in Höhe von 60.000 EUR als Barerlag zu erhalten hatte, wurde nicht getroffen. Bis Ende 2008 oder Anfang 2009 bezahlte W monatlich 3.000 EUR an den Beklagten und dieser leitete die Zahlungen weiter. Danach zahlte W nicht mehr. Insgesamt waren 14 Raten á 3.000 EUR, somit 42.000 EUR, an die Klägerin bezahlt worden. Der Beklagte urgierte bei W, der Ende Februar zum Beklagten in die Kanzlei kam und ihn ersuchte, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Zu dieser Besprechung hatte W eine Bankbestätigung mitgebracht, die einen Eigenerlag von 60.000 EUR auswies. Er erklärte dem Beklagten, dass er diesen Betrag auf das Konto der Klägerin gezahlt habe. Der Eigenerlag war am 24. August 2007 in einer Bankfiliale in ***** W***** durch S erfolgt. Der Beklagte fragte nicht nach, von wem die Unterschrift auf dem Beleg stammte und fragte auch nicht weiter, wie sich dieser Betrag zu dem schriftlichen Kaufvertrag verhielt, in dem eine solche Zahlung nicht vereinbart worden war. Er schenkte einfach W Glauben, der ihm sagte, dass es sich dabei um einen weiteren Finanzbetrag für die Klägerin gehandelt habe. Von Anfang an hatte W dem Beklagten den Hintergrund des gesamten Rechtsgeschäfts als Darlehensgewährung an die Klägerin dargestellt. Der Beklagte stellte keinerlei weitere Fragen. W erteilte ihm auch keine weiteren Informationen. Der Beklagte begab sich am 3. März 2009 zur Klägerin in die Wohnung. Dort traf er nicht nur auf die Klägerin, sondern auch auf deren Tochter. Diese war von der Klägerin sehr beunruhigt kontaktiert worden, es war nämlich S unmittelbar davor verhaftet worden. Der Beklagte brachte sowohl den Kaufvertrag als auch den Zahlungsbeleg über 60.000 EUR mit. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte bereits im Grundbuch als Eigentümer der Wohnung einverleibt. Anfänglich wollte der Beklagte nur wissen, was an Darlehensrest bei der Versicherung noch offen war. Nachdem die Tochter der Klägerin den Beklagten fragte, in welcher Eigenschaft er überhaupt erschienen sei, gab dieser zur Antwort, dass er Wohnungseigentümer sei. Die Klägerin wusste davon nichts, ihre Tochter war schockiert. Der Beklagte erklärte nicht, dass er nur treuhändiger Eigentümer wäre. Er gab der Tochter der Klägerin den Vertrag zu lesen. Dieser war sofort klar, dass der Kaufpreis unangemessen niedrig war. Der Beklagte erklärte in der Folge, dass er eine Anzahlung über 60.000 EUR geleistet habe und zeigte ihr den Zahlungsbeleg, den ihm W übergeben hatte. Er folgte der Tochter der Klägerin weder den Zahlungsbeleg noch eine Kopie davon aus. Die Tochter hegte die Vermutung, dass der Beklagte in Verbindung mit S stehen könnte, was er jedoch verneinte. Er sagte, dass er ein Bekannter des W sei. Die Klägerin konnte sich zwar an W erinnern, nicht aber daran, dass sie ihre Wohnung verkauft hatte. Die Tochter der Klägerin beriet sich innerhalb der Familie. Mit Hilfe des Klagevertreters gelangte die Familie zu der Auffassung, dass das Sinnvollste wäre, die Wohnung zurückzukaufen, sie anschließend zu einem angemessenen Preis erneut zu verkaufen und das aushaftende Darlehen zu tilgen und schließlich der Klägerin einen Wohnsitz in einem Seniorenheim zu suchen. Die Tochter der Klägerin überprüfte die vom Beklagten behaupteten Zahlungen. Sie konnte erheben, dass tatsächlich am 24. August 2007 auf das Konto der Klägerin 60.000 EUR eingezahlt worden waren. Am selben Tag wurden 30.000 EUR abgehoben, eine weitere Abhebung von 28.000 EUR fand am 27. August 2007 statt.

Mit Schreiben vom 9. März 2009 wendete sich der Klagevertreter an den Beklagten mit dem Wunsch nach Rückabwicklung des Kaufvertrags. Mit Schreiben vom 17. März 2009 antwortete der Beklagte und hielt in diesem Schreiben fest, dass er „Sicherungseigentümer“ sei. Er schlüsselte die ihm für den Fall der Rückabwicklung des Kaufvertrags zustehende Geldforderung auf. Darin war auch ein Betrag von 61.300 EUR enthalten, den er damit begründete, dass am 24. August 2007 eine Barzahlung getätigt worden sei. Im Übrigen sind die 14 Raten á 3.000 EUR sowie Nebengebühren aufgeschlüsselt. Insgesamt erhob der Beklagte in diesem Schreiben eine (Rückabwicklungs-)Forderung von 116.617,28 EUR. Die Familie beauftragte den Klagevertreter, eine Dissolutionsvereinbarung aufzusetzen und als Treuhänder die Rückzahlung abzüglich der Grunderwerbssteuer zu veranlassen. Der Klagevertreter verfasste eine Dissolutionsvereinbarung, die in der Folge am 6. Mai 2009 zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossen wurde. Das Eigentumsrecht der Klägerin wurde wieder einverleibt. 107.067,93 EUR wurden am 7. August 2009 an den Beklagten überwiesen. Der Beklagte, der auch in der Zwischenzeit keine weiteren Erhebungen hinsichtlich des Ursprungs des Barerlags von 60.000 EUR gepflogen hatte, überwies am 13. August 2009, am 21. August 2009 und am 25. August 2009 insgesamt 100.000 EUR an die Tochter des W.

Der Beklagte glaubte unverändert, dass W den Eigenerlag über 60.000 EUR getätigt hatte.

Nachdem die Rückabwicklung des Kaufvertrags und der Wiederverkauf der Wohnung sowie der Umzug der Klägerin vollzogen war, begann sich die Tochter der Klägerin nunmehr in Ruhe näher mit der Zahlung von 60.000 EUR auf das Konto der Klägerin, auseinanderzusetzen. Sie erhob, dass der Eigenerlag weder vom Beklagten noch von W, sondern vielmehr von S getätigt worden war. Woher dieses Geld stammt, kann nicht festgestellt werden. Von W wurde lediglich ein Betrag von 9.000 EUR an den Beklagten zurückerstattet, wobei dieser Betrag derzeit bei der Staatsanwaltschaft Wien hinterlegt ist.

Rechtlich vertrat das Erstgericht zusammengefasst die Auffassung, dass den Beklagten als Rechtsanwalt und Vertragserrichter des Kaufvertrags vom 24. August 2007 und auch bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht nur seinem Mandanten, dem Treugeber W, sondern auch der Vertragspartnerin, also der Klägerin gegenüber, eine Verpflichtung zur Interessenwahrung getroffen habe. Der Kaufvertrag vom 24. August 2007 sei ungewöhnlich genug. Wenn nun W erstmals Ende Februar 2009 den Beklagten davon in Kenntnis gesetzt habe, dass angeblich weitere 60.000 EUR an die Klägerin geflossen seien und dies nur mit weiterem Finanzbedarf der Klägerin begründet habe, so habe der Beklagte, weil er im Hinblick auf diese Zahlung keine weiteren Überprüfungen angestellt und diese ungeprüft der Klägerin als rückzuzahlenden Kaufpreisteil dargestellt habe, die der Klägerin gegenüber treffenden Sorgfaltspflichten gröblich verletzt. Dafür hafte der Beklagte gemäß § 1299 ABGB.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht erledigte die in der Berufung erhobene Beweisrüge des Beklagten, in welcher auch entscheidungserhebliche Feststellungen bekämpft wurden, nicht. Das Berufungsgericht ging rechtlich davon aus, dass bereits auf Basis der getroffenen Feststellungen die Rechtsrüge des Beklagten berechtigt sei:

Die Rechtswirksamkeit der Dissolutionsvereinbarung sei von keiner Seite in Zweifel gezogen worden. Die Zahlung des Betrags von 61.300 EUR sei daher als Teil der für die Rückabwicklung des Kaufvertrags geforderten Summe in Erfüllung eines aufrechten Vertrags erfolgt. Grundlage für die behauptete, haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten sei dessen Vorgangsweise bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags über die Wohnung der Klägerin. Die Klägerin sei bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags selbst anwaltlich vertreten gewesen. Ein Vertragserrichter habe die Vertragsparteien in rechtlicher Hinsicht zu belehren. Er habe sie auf Bedenken gegen ein beabsichtigtes Geschäft aufmerksam zu machen, gegebenenfalls auch wirtschaftliche Auswirkungen zu berücksichtigen und insbesondere über jene Umstände aufzuklären, von denen er annehmen müsse, dass sie den Vertragsparteien unbekannt seien. Dabei sei die Belehrungs- und Beratungspflicht nicht zu überspannen. Nach ständiger Rechtsprechung sei der als Vertragserrichter und Vertrauensperson mehrerer Vertragspartner einschreitende Rechtsanwalt allen Vertragspartnern gegenüber zur sorgfältigen Wahrung ihrer Interessen verpflichtet. Er habe daher alle Vertragsparteien mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor Interessengefährdung zu bewahren. Hier seien sich jedoch bei der Rückabwicklungsvereinbarung die durch eigene Rechtsanwälte vertretene Klägerin und der Beklagte gegenüber gestanden. Der Beklagte habe bei Rückabwicklung des als Treuhand gestalteten Kaufs die Interessen seines Mandanten und Treugebers W zu wahren. Die Klägerin habe unstrittig eine Einzahlung von 60.000 EUR, geleistet durch S, erhalten. W hingegen habe dem Beklagten den Hintergrund des gesamten ursprünglichen Rechtsgeschäfts als Darlehensgewährung an die Klägerin erklärt. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass W die Bareinzahlung von 60.000 EUR geleistet habe. Wenngleich die Umstände beim Zustandekommen des Kaufvertrags ebenso bedenklich erschienen wie das Umfeld des Mandanten des Beklagten, so sei zu beachten, dass die Klägerin ihre Ansprüche aus der Rückabwicklung ableite. Ihr Rechtsanwalt hätte in der Lage sein müssen, die Berechtigung der einzelnen Positionen der für die Rückübertragung des Eigentumsrechts geforderten Summe zu überprüfen. Bereits aufgrund des feststehenden Sachverhalts sei eine Haftung des Beklagten zu verneinen, weshalb ein Eingehen auf die Beweisrüge nicht erforderlich sei.

In der gegen dieses Urteil gerichteten außerordentlichen Revision macht die Klägerin als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Rechtswirksamkeit der Dissolutionsvereinbarung von keiner Seite in Zweifel gezogen worden sei: Die Klägerin habe bereits in der Klage vorgebracht, dass die Behauptung des Beklagten, er habe eine Barzahlung inklusive Zinsen im Gegenwert von 61.300 EUR geleistet, unzutreffend gewesen sei. Die Klägerin habe sich darauf berufen, dass der Beklagte sie durch Aufstellung dieser Behauptung in die Irre geführt habe. Es sei ausdrücklich festgestellt worden, dass die vom Beklagten behauptete Barzahlung niemals getätigt worden sei. Die Klägerin habe Vertragskorrektur begehrt. Nach den Feststellungen des Erstgerichts habe der Beklagte niemals offen gelegt, dass er nur Treuhänder sei. Der Beklagte habe den Irrtum der Klägerin auch veranlasst. Die Kausalität der Irrtumsveranlassung sei zu vermuten. Ob der Klägerin der Irrtum selbst hätte auffallen müssen, sei belanglos.

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht verkannte, dass die Klägerin ihr Klagebegehren ausdrücklich auch auf Irrtumsanfechtung stützte.

Dem Beklagten wurde daher die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt.

In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision der Klägerin zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des in ihrem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Die Klägerin hat - worauf sie in der Revision zutreffend verweist - in erster Instanz das Klagebegehren erkennbar auch auf Irreführung durch den Beklagten verwiesen und damit die Anspruchsgrundlage des Irrtums geltend gemacht.

2. Nach den Feststellungen des Erstgerichts legte der Beklagte weder bei Abschluss des Kaufvertrags - der von der Klägerin nicht angefochten wurde - noch bei Abschluss der Dissolutionsvereinbarung offen, dass er bloß als Treuhänder eines Dritten (Käufers oder Darlehensgebers) auftrete. Der Hinweis in der Dissolutionsvereinbarung auf die Rechtsstellung des Beklagten als „Sicherungseigentümer“ lässt für den Standpunkt des Beklagten, der von einer Offenlegung seiner Treuhänderstellung ausgeht, nichts gewinnen: Dieser Ausdruck bezieht sich erkennbar nur darauf, dass nach den dem Beklagten erteilten Informationen, die mit dem atypischen Kaufvertragsinhalt (Kaufpreiszahlung in Raten; keine Übergabe der Wohnung an den Käufer; Rückkaufsrecht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt) übereinstimmt, der Hintergrund des Rechtsgeschäfts eine Darlehensgewährung an die Klägerin war, wobei dem Darlehensgeber bloß Sicherungseigentum zu übertragen war. Dass aber der Darlehensgeber (bzw „Sicherungseigentümer“) nicht der Beklagte selbst, sondern sein Treugeber W war, wurde erst nach Abschluss der Dissolutionsvereinbarung und nach Bezahlung der darin vereinbarten Beträge erstmals vom Beklagten behauptet (Schreiben des Beklagten vom 17. März 2009 ohne Hinweis auf seine Rechtsstellung als Treuhänder; erstmaliger entsprechender Hinweis mit Schreiben vom 12. Oktober 2009).

3. Daraus folgt aber, dass der Beklagte hier nicht als „Vertragserrichter“ oder „Treuhänder“ haftet; er ist vielmehr nach dem objektiven Empfängerhorizont unmittelbar Vertragspartner der Klägerin, und zwar sowohl beim Kaufvertrag selbst als auch bei der Dissolutionsvereinbarung, geworden. Es geht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionsbeantwortung nicht um die Frage, ob und welche Sorgfaltspflichten den Beklagten als Rechtsanwalt gegenüber der Klägerin iVm § 1299 ABGB trafen, sondern darum, ob der Beklagte als Vertragspartner der Klägerin bei Abschluss der Dissolutionsvereinbarung diese in anfechtbarer Weise in die Irre führte.

4. Diese Irreführung ist zu bejahen:

4.1 Der hier vorliegende Geschäftsirrtum wurde dadurch veranlasst, dass der Beklagte vorgab, nicht nur die im schriftlichen Kaufvertrag festgelegten Kaufpreisratenzahlungen, sondern darüber hinaus auch noch einen Barerlag von 60.000 EUR (als „Anzahlung“) am 24. August 2007 an die Klägerin geleistet zu haben. Die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung, der Beklagte habe niemals behauptet, er habe jene Zahlung geleistet, stehen mit den vom Erstgericht getroffenen Festellungen im diametralen Widerspruch.

4.2 Dass der Irrtum der Klägerin darüber, dass sie neben den Kaufpreiszahlungen auch eine weitere Kaufpreiszahlung von 60.000 EUR erhalten habe, durch die Behauptung des Beklagten veranlasst war, ist auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen erwiesen: Die Parteien strebten mit der Dissolutionsvereinbarung ohne Zweifel eine Rückabwicklung dahin an, dass der tatsächlich bezahlte Kaufpreis (zuzüglich Zinsen und Nebengebühren) Zug-um-Zug gegen Rückübertragung des Eigentumsrechts an der Wohnung bezahlt wird. Erst die durch den Beklagten veranlasste Vorstellung der Klägerin, sie habe weitere 60.000 EUR als „Kaufpreis“ erhalten, führte zum konkreten Inhalt der Dissolutionsvereinbarung.

4.3 Das Erstgericht traf zwar die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden könne, von wem der Eigenerlag von 60.000 EUR stammt. Dass aber ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen jedenfalls feststeht, dass die Zahlung von 60.000 EUR nicht als Kaufpreisteilzahlung geleistet wurde, ergibt sich schon daraus, dass eine entsprechende weitere Kaufpreiszahlung zwischen den Parteien des Kaufvertrags niemals vereinbart wurde und auch die Zahlung von 60.000 EUR weder vom Beklagten noch von W geleistet wurde, sondern von S, der weder Partei des Kaufvertrags war noch die Zahlung als „Kaufpreiszahlung“ widmete. Unter diesen Umständen geht die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung, die wirtschaftliche Herkunft des Geldes könne nicht festgestellt werden, zu Lasten des Beklagten: Ein Zusammenhang zwischen der Zahlung von 60.000 EUR und dem Kaufvertrag steht nicht fest. Aufgrund des Kaufvertrags steht vielmehr fest, dass der Käufer sich zum monatlichen Kaufpreis Ratenzahlungen verpflichtete, nicht aber zu einer weiteren Zahlung von 60.000 EUR.

4.4 Aus dem Parteiwillen bei Abschluss der Dissolutionsvereinbarung, der erkennbar auf eine Rückgängigmachung des Geschäfts zu den genannten Bedingungen (Rückübertragung des Eigentums Zug-um-Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises samt Zinsen und Nebengebühren) gerichtet war, ist auch ersichtlich, dass eine Vertragsanpassung (die auch essentialia negotii betreffen kann - vgl Bollenberger in KBB³ § 872 Rz 3 mwN) gerechtfertigt ist. Es ist hier auch gar nicht im Grundsätzlichen strittig, dass es sich um einen bloß unwesentlichen Irrtum, der zur Vertragskorrektur berechtigt, handelt.

4.5 Da nach ständiger, bis zuletzt aufrecht erhaltener Rechtsprechung unbeachtlich ist, ob der Irrtum vom Irrenden verschuldet war (vgl RIS-Justiz RS0016213; 4 Ob 65/10b in ausführlicher Auseinandersetzung mit gegenteiligen Lehrmeinungen), wird die Anfechtung (hier: Vertragsanpassung) nicht dadurch gehindert, dass auch der Klägerin (bzw ihrem Rechtsvertreter) hätte auffallen können, dass die Bareinzahlung von 60.000 EUR nicht von dem Beklagten bzw seinem Treugeber W, sondern von S stammt.

5. Auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen wäre daher das erstinstanzliche klagestattgebende Urteil wiederherzustellen.

Allerdings hat der Beklagte in der Berufung eine Reihe von Feststellungen bekämpft: Dabei handelt es sich zwar zum Teil um unerhebliche Feststellungen bzw um gewünschte Feststellungen, die das Erstgericht ohnedies getroffen hat (vgl zB A 1 der Berufung; A 5 der Berufung; A 7 der Berufung); überdies vermengt die Berufung des Beklagten zum Teil auch reine Rechtsfragen mit der Tatsachenrüge. Der Beklagte bekämpfte jedoch auch wesentliche Feststellungen in seiner Beweisrüge: Dazu zählt insbesondere die Feststellung, dass nicht festgestellt werden kann, woher die 60.000 EUR stammen (A 6 der Berufung: hier begehrt der Beklagte erkennbar die Feststellung, dass der Eigenerlag von W stammte, also dem Beklagten zurechenbar wäre und als weitere Kaufpreiszahlung geleistet wurde).

Aus diesem Grund ist eine Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts erforderlich. Das Berufungsgericht wird sich inhaltlich mit der Tatsachenrüge des Beklagten in seiner Berufung auseinanderzusetzen haben.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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