European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00237.19B.0122.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung in eine ärztliche Heilbehandlung zu überschauen, und ihm
die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien liefern (
RS0026413 [T3]).
Stehen mehrere diagnostisch oder therapeutisch adäquate Verfahren zur Verfügung, sodass der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat, muss der Arzt ihn über die zur Wahl stehenden Alternativverfahren informieren und das Für und Wider (insbesondere verschiedene Risken, verschieden starke Intensität der Eingriffe, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und unterschiedliche Erfolgsaussichten) mit dem Patienten abwägen (RIS‑Justiz RS0026426 [T1, T12]). Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (
1.1. Nach den Feststellungen war die Protonenbestrahlung im Jahr 2014 keine nach dem Stand der Medizin gleichwertige Behandlungsalternative zur lege artis durchgeführten (fünften) Operation der Klägerin, sondern eine als experimentell anzusehende Behandlung mit deutlich geringeren Erfolgschancen; die nochmalige Operation der Klägerin war damals daher (zwar nicht die einzig mögliche, wohl aber) die einzig medizinisch sinnvolle Option. Dass die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund eine Aufklärungspflicht der Beklagten über die grundsätzlich bestehende Möglichkeit einer Protonentherapie vor der Operation verneinten, begründet keine erhebliche Rechtsfrage. Mangels Gleichwertigkeit der alternativen Behandlungsmethode stellt sich im vorliegenden Fall die von der Klägerin als erheblich erachtete Rechtsfrage gar nicht, ob auch über zwar (noch) nicht in Österreich, wohl aber vereinzelt in Europa verfügbare Alternativbehandlungen aufzuklären ist.
1.2.
Die
Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind, und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren.
Wurden – wie hier – zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können insoweit auch keine rechtlichen
Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]). Die Klägerin behauptet zwar rechtliche Feststellungsmängel, will damit jedoch in Wahrheit, wie sich schon aus der von ihr gewählten Formulierung „Ersatzfeststellungen“ ergibt, die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen bekämpfen. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht Tatsacheninstanz, weshalb Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel sind (
RS0042903 [T5, T7]).
2. Abgesehen davon ist festgestellt, dass die fünfte Operation für den Eintritt der Sehminderung bei der Klägerin nicht kausal war. Damit fehlt es aber an der Verursachung der von der Klägerin behaupteten Folgen dieses – nach Ansicht der Revisionswerberin infolge der Verletzung der Aufklärungspflicht rechtswidrigen – Eingriffs, weshalb ein Schadenersatzanspruch auch aus diesem Grund zu verneinen ist (RS0026783 [T6 und T11; 4 Ob 137/07m).
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