OGH 3Ob236/01d

OGH3Ob236/01d20.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. Christian S*****, und 2.) DI Rudolf R*****, beide vertreten durch Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herbert B*****, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 779.223,24 S (= 56.628,36 Euro) sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Juni 2001, GZ 13 R 193/00y-121, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger kauften vom Beklagten 1991 eine Liegenschaft mit einem darauf errichteten Zinshaus in Wien um 9,1 Mio S. Die Hauptmietzinsabrechnung wies per 30. Juni 1991 eine Mietzinsreserve in Höhe des nunmehrigen Klagebetrags auf. Der Beklagte sicherte im Kaufvertrag den Klägern zu, dass die Mietzinsreserve und der Erhaltungsbeitrag aufgebraucht seien und verpflichtete sich zur Vorlage entsprechender Originalrechnungen und Belegen binnen zwei Monaten.

Gegenstand des zweiten Rechtsgangs ist, soweit hier noch relevant, die Frage, ob der Beklagte den Klägern durch seine unrichtige Zusage listig in Irrtum führte und diese deshalb Vertragsanpassung innerhalb von 30 Jahren geltend machen können; andere Anspruchsgrundlagen müssten an der dreijährigen Verjährung scheitern. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht legte seiner rechtlichen Beurteilung die Feststellungen der ersten Instanz zugrunde. Demnach steht nicht fest, dass das von den Klägern gekaufte Haus auf Grund des in der Abrechnung der Mietzinsreserve per 30. Juni 1991 ausgewiesenen Aktivsaldos zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses weniger wert gewesen wäre, als wenn der Saldo bei der Hauptmietzinsabrechnung Null betragen hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Klägern in ihrer außerordentlichen Revision behaupteten erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO stellen sich hier aus folgenden Erwägungen nicht:

Es entspricht herrschender Ansicht, dass das Gestaltungsrecht auf Vertragsanpassung gemäß § 872 ABGB auch dem bei Vertragsabschluss Getäuschten zusteht (SZ 59/126, SZ 68/152, zuletzt 1 Ob 27/97w = SZ 70/96; Rummel in Rummel3, § 870 ABGB Rz 7 mwN; Apathy in Schwimann2, § 870 ABGB Rz 21; Iro, Versuch eines harmonischen Verständnisses der Bestimmungen über Willensmängel bei Verkehrsgeschäften in JBl 1974, 225 ff, 233 f). Das Ausmaß der angemessenen Vergütung gemäß § 872 ABGB wird mit Hilfe der relativen Berechnungsmethode ermittelt. Diese schafft den Ausgleich für die durch den Willensmangel gestörte subjektive Äquivalenz der im Austauschverhältnis stehenden vertraglichen Leistungen (vgl dazu 6 Ob 221/98p = JBl 1999, 115 mwN uva). Der vereinbarte Preis muss sich zum geänderten Preis so verhalten wie der Wert der Sache ohne Mangel zum Wert der Sache mit Mangel (SZ 54/88 = MietSlg 33110, SZ 64/32, SZ 70/96, je mwN ua). Nach derselben Methode ist bei Aufrechterhaltung des Vertrags auch der Schadenersatzanspruch gemäß § 874 ABGB zu berechnen (SZ 64/32, SZ 70/96). Von dieser Rsp abzuweichen besteht kein Anlass. Im Gegensatz zu den Rechtsmittelausführungen hat der Oberste Gerichtshof bereits in der vom Beklagten im zweiten Rechtsgang in einem vorbereitenden Schriftsatz weitgehend wörtlich zitierten Entscheidung 3 Ob 542/87 einen gleich gelagerten Fall zu beurteilen. Auch damals war ua behauptet worden, der Verkäufer habe die Käufer durch List mit Hilfe fingierter Rechnungen zu einer Vertragsklausel, es sei keine Mietzins- und keine Erhaltungskostenreserve vorhanden, zum Kauf veranlasst. Damals hatte der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, die Frage, ob und in welchem Umfang der Kaufpreis anzupassen sei, sie nach der relativen Berechnungsmethode zu beantworten. Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass eine Vertragsanpassung nach der relativen Berechnungsmethode an der genannten (negativen) Tatsachenfeststellung scheitern muss. Denn eine Differenz des Werts der verkauften Liegenschaft mit und ohne "Mangel" steht gerade nicht fest. Nach der Regeln der Mathematik und Logik kann sich auch "auf der anderen Seite der Proportion" kein unterschiedlicher Wert ergeben. Die Kläger haben daher die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises nicht bewiesen. Eine derartige Beweispflicht traf sie aber schon deshalb, weil der, der List behauptet, die anspruchsbegründenden Tatsachen unter Beweis stellen muss. Der listig Irregeführte ist eben für das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 870 und 872 ABGB behauptungs- und beweispflichtig (SZ 59/126; ÖBA 1996, 382; SZ 68/152 ua; RIS-Justiz RS0014792). Nur wenn sich - anders als hier - ein Wert der "mangelfreien Sache" nicht ermitteln lässt, kann die Anwendung des § 273 ZPO zulässig und notwendig sein (vgl JBl 1999, 115 mwN; 3 Ob 188/99i).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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