OGH 3Ob235/10w

OGH3Ob235/10w19.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** T*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei S***** I*****, vertreten durch Fischer, Walla & Matt, Rechtsanwälte OG in Dornbirn, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 36 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 13. September 2010, GZ 2 R 271/10h-40, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 25. Mai 2010, GZ 4 C 17/08y-28, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 556,99 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 92,83 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte erwirkte ein rechtskräftiges Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 10. September 2008, mit welchem die Klägerin verpflichtet wurde, das Ausschütteln von Textilien jeder Art oder eine(r) vergleichbare(n), zu Immissionen mit Staubpartikeln, Stofffasern oder Haaren auf das näher bezeichnete Wohnungseigentumsobjekt der Beklagten (Reihenhaus 6) führende(n) Handlung im Bereich der dem Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin (Reihenhaus 7) zugeordneten Nutzflächen zu unterlassen und als Eigentümerin dieses Wohnungseigentumsobjekts für die Einhaltung dieser Verpflichtung gegenüber Dritten Sorge zu tragen.

Mit der Behauptung, die Klägerin habe am 23., 26., 27. und 28. Oktober 2008 durch das Ausschütteln von Leintüchern, Bettdecken, Decken und Polstern gegen diesen Titel verstoßen, wodurch Staubpartikel, Stofffasern und Haare auf das Wohnungseigentumsobjekt der Beklagten (Betreibenden) gefallen und dort liegen geblieben seien, beantragte die Beklagte am 31. Oktober 2008 die Exekution gemäß § 355 EO, die vom Exekutionsgericht antragsgemäß am 4. November 2008 unter Verhängung einer Geldstrafe von 200 EUR bewilligt wurde.

Die Exekutionsbewilligung erwuchs in Rechtskraft.

Gegen die Exekutionsbewilligung wendet sich die Impugnationsklage der Klägerin mit dem Vorbringen, sie haben nicht gegen den Titel verstoßen.

Das Erstgericht gab dem Impugnationsbegehren im zweiten Rechtsgang statt.

Es stellte ua fest, dass die Mutter der Klägerin am 23. Oktober 2008 aus dem im 1. Stock des Reihenhauses der Klägerin befindlichen Schlafzimmerfenster einen Polster ausschüttelte und dass am 26., 27. und 28. Oktober 2008 aus dem im Eigentum der Klägerin stehenden Reihenhaus Textilien ausgeschüttelt wurden. Das Erstgericht erachtete, nicht feststellen zu können, ob durch das Ausschütteln der Textilien an den genannten vier Tagen Fusseln, Staubpartikel, Stofffasern und/oder Haare oder sonstige Immissionen auf die Liegenschaft der Beklagten gelangten.

Rechtlich vertrat das Erstgericht - unter Berufung auf die im ersten Rechtsgang überbundene Auffassung des Berufungsgerichts - die Meinung, dass es der im Impugnationsstreit für den Titelverstoß behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht gelungen sei, den Nachweis zu erbringen, dass das Ausschütteln der Textilien zu Immissionen geführt habe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge, änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Impugnationsbegehrens ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jedes einzelnen Titelverstoßes 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob ein Anscheinsbeweis in einem Impugnationsverfahren zulässig sei.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass im Anlassfall in Ansehung des Eindringens von Fusseln, Staubpartikeln, Stofffasern und/oder Haaren auf das Grundstück der Beklagten die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis vorlägen. Es schade daher nicht, dass der Beklagten kein voller Beweis dafür gelungen sei, dass entsprechende „Immissionen“ in ihr Grundstück gelangt seien.

Die Klägerin strebt mit ihrer dagegen erhobenen Revision eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise eine Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen, an.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises im Impugnationsverfahren ist nicht entscheidungserheblich:

1. Bestreitet der Verpflichtete, dass der behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Duldungs- oder Unterlassungsgebot darstellt, steht dafür nur der Rekurs, nicht auch die Impugnationsklage zur Verfügung. Bestreitet er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, kann er sowohl gegen die Exekutionsbewilligung als auch gegen den Strafbeschluss Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (3 Ob 172/09d; RIS-Justiz RS0123123).

2. Im Anlassfall hat sich die Beklagte als Betreibende des Exekutionsverfahrens in ihrem Exekutionsantrag ausdrücklich auch darauf berufen, dass durch die vier Titelverstöße Partikel der näher bezeichneten Art auf ihrem Objekt liegen geblieben seien. Auf Basis dieses Vorbringens wurde die Exekutionsbewilligung erlassen. Die nun in der Revisionsbeantwortung der Beklagten thematisierte Frage, ob nicht bereits das Ausschütteln der im Titel näher bezeichneten Textilien - ohne Nachweis, dass dadurch Stoff- oder Staubpartikel in die Grundflächen der Beklagten drangen - den Titelverstoß bewirkte, war somit nicht Gegenstand der Beurteilung des Rekursgerichts im Exekutionsverfahren.

3. Davon ausgehend hat daher im Impugnationsverfahren eine Prüfung zu erfolgen, ob ein Verstoß gegen den Unterlassungstitel bereits dann vorliegt, wenn - wie hier festgestellt - aus dem Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin Textilien ausgeschüttelt werden. Diese Frage ist bereits nach dem Wortlaut des Titels zu bejahen: Der erste Teil des Unterlassungsgebots („die Beklagte ist … schuldig, ab sofort das Ausschütteln von Textilien jeder Art … zu unterlassen“) nimmt keinerlei Bezug auf den zweiten Teil des Titels („oder einer vergleichbaren, zu Immissionen mit Staubpartikeln, Stofffasern oder Haaren … führenden Handlung“).

Diese Auslegung ist aber nicht nur durch den Wortlaut des Titels geboten. Der Verbotszweck ergibt sich auch aus der Natur der Sache, wonach mit dem Ausschütteln von Textilien zumindest im Regelfall die Entfernung von Staubpartikeln, Stofffasern oder Haaren verbunden ist und eine Störung des Nachbarn droht. Demgegenüber sind vergleichbare Handlungen, also etwa das bloße Aufhängen von Textilien aus dem Fenster des Objekts der Klägerin, nur dann dem im ersten Teil des Titels beschriebenen Verbot zu unterstellen, wenn damit überdies vergleichbare Wirkungen wie mit dem Ausschütteln von Textilien verbunden sind, also das Eindringen von Staubpartikeln, Stofffasern oder Haaren. Die weiteren vergleichbaren Handlungen, die dem Unterlassungsgebot unterliegen, werden somit durch die Anforderung spezifiziert, dass als vergleichbar nur eine Handlung qualifiziert werden kann, die zu Nachteilen führt, die im ersten Teil des Titels unterstellt werden, wenn Textilien ausgeschüttelt werden. Ob das im Titel geschaffene Unterlassungsgebot der materiellen Rechtslage entspricht, ist hingegen für die Frage, ob die Exekutionsbewilligung zu Recht erlassen wurde, nicht maßgebend (RIS-Justiz RS0000279).

4. Damit ist es aber der Beklagten im Impugnationsstreit gelungen, den ihr obliegenden Beweis (RIS-Justiz RS0000756) des Zuwiderhandelns an den vier näher bezeichneten Tagen zu erbringen.

Da somit ein Titelverstoß bereits durch das Ausschütteln von Textilien aus dem Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin feststeht, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht die Impugnationsklage abgewiesen, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises im Impugnationsverfahren bedürfte.

5. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen. Ihr gebühren daher die Kosten der der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienenden Revisionsbeantwortung. Ein Rechenfehler war zu korrigieren.

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