Spruch:
Der "Aufwertungsbetrag" ist ein Teil der Darlehensschuld; er beruht auf dem gleichen Rechtsgrund und verjährt in der gleichen Zeit wie das Darlehen selbst.
Dem ABGB. ist der Erlöschungsgrund der Verwirkung fremd.
Entscheidung vom 17. August 1961, 3 Ob 234/61.
I. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:
Oberlandesgericht Linz.
Text
In der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 14. Februar 1954 bekannten die vier Beklagten, dem Kläger zur ungeteilten Hand einen Betrag von 80.000 S aus einem Darlehen zu schulden. Sie verpflichteten sich, das Darlehen in gleichen Jahresraten von 20.000 S je am 1. August eines jeden Jahres ab 1954 zurückzuzahlen, das Darlehen mit 7% im nachhinein ab 14. Februar 1954 zu verzinsen und von den fälligen Leistungen Verzugszinsen zu zahlen. Das Darlehen war derart wertgesichert, daß das arithmetische Mittel von drei Wertsicherungsfaktoren (Lebenshaltungskostenindex, Preis von 1000 Kaminsteinen, Stundenlohn eines Hilfsarbeiters) zugrunde gelegt wurde. Auf das Kapital wurden am 24. September 1954 und am 13. September 1955 je 20.000 S, am 15. April 1956 10.000 S und am 4. August 1956 30.000 S, insgesamt daher 80.000 S, gezahlt. Außerdem wurden bis 7. August 1956 9500 S an Zinsen gezahlt.
Der Kläger begehrt Zahlung von 15.899 S 70 g samt 7% Zinsen und Verzugszinsen und behauptet, daß dieser Betrag unter Berücksichtigung der Wertsicherungsklausel noch ausständig sei.
Die Beklagten wenden Verjährung ein. Die Natur der Wertsicherungsklausel sei eine Schadloshaltung.
Schadenersatzansprüche unterlägen jedoch der dreijährigen Verjährung. Auch Annuitäten verjährten innerhalb dreier Jahre.
Das Erstgericht sprach dem Kläger 11.729 S 90 g samt Zinsen zu und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte die Wertsicherungsfaktoren fest, zog aus diesen das arithmetische Mittel und errechnete an Hand des ermittelten Faktors die ausständige Schuld am jeweiligen Zahlungstag. Am 4. August 1956 habe die Schuld mit 10.501 S 25 g ausgehaftet. Bis zur Einbringung der Klage habe sie sich auf 11.727 S 90 g erhöht. Auch das Zinsenbegehren sei berechtigt. Die Zinsen seien am 14. Februar 1958 fällig gewesen. Von da an beginne bezüglich der Zinsen die Verjährung zu laufen. Die Wertsicherung sei keine Schadenersatzforderung. Der Rechtsgrund des Darlehens bleibe unverändert, so daß die Forderung auch nicht verjährt sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es dein Kläger 14.640 S 77 g zusprach und nur das Mehrbegehren von 1258 S 93 g abwies; im Ausspruch über die Zinsen und Verzugszinsen sowie im Kostenausspruch hob es das erstgerichtliche Urteil auf. Der Aufwertungsbetrag sei ein Teil der Schuld und keine Schadenersatzforderung. Die kurze Verjährung greife deshalb nicht Platz. Der Anspruch des Klägers sei auch nicht verwirkt. Die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechtes durch längere Zeit allein mache die Rechtsausübung noch nicht unzulässig. Es müßten besondere Umstände dazukommen, welche die spätere Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Solche besonderen Umstände hätten die Beklagten in erster Instanz nicht behauptet. Auch von einer mangelnden Bestimmtheit der Wertsicherungsklausel könne keine Rede sein, doch sei das Erstgericht von einer falschen Berechnungsart ausgegangen. Richtig sei es, nach jedem Vergleichsfaktor die Summe zu errechnen und daraus das arithmetische Mittel zu ziehen. Werde diese Methode angewendet, ergebe sich ein restlicher Betrag am 4. August 1956 von 14675 S 02 g, also mehr als der Kläger in seiner Berufung begehre. Es habe daher der vom Kläger begehrte Betrag von 14.640 S 77 g zugesprochen werden müssen. Hingegen sei ein verläßlicher Zinsen und Verzugszinsenzuspruch nicht möglich, weil das Erstgericht die Werterhöhung nicht nur für die Stichtage hätte errechnen dürfen, sondern lückenlos ab 15. Februar 1957. Deshalb sei der bezügliche Ausspruch aufzuheben gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagten führen vorerst aus, es sei unrichtig, daß Aufwertungsbeträge hinsichtlich ihrer Verjährung nicht das Schicksal von Zinsen und jährlich wiederkehrenden Leistungen teilten. Es möge zugegeben werden, daß der infolge der Wertsicherung ein Nominalwert zuzuschlagende Betrag einen Teil dieses Darlehen bilde, aber nur einen Teil. Das gleiche gelte für Annuitäten, in denen auch ein Teil der Darlehensschuld enthalten sei, die Aufzählung des § 1480 ABGB. sei nur eine beispielsweise. Es fielen daher auch Aufwertungsbeträge darunter, denn auch bei diesen handle es sich um jährliche Leistungen. Diese Ausführungen leiden schon daran, daß die "Aufwertungsbeträge" keine jährlich wiederkehrenden Leistungen sind. Der Wertsicherungsfaktor ist eine Berechnungsgrundlage, die angibt, welchen Betrag der Schuldner zu einem bestimmten Stichtag noch schuldet. Dieser Betrag, um welchen sich das Darlehen erhöht (oder auch ermäßigt), ist aber nicht jährlich zu erbringen. Die Darlehensschuld war vielmehr laut Schuldschein in jährlichen Teilzahlungen von je 20.000 S abzustatten. Erhöhte sich der Darlehensbetrag infolge der Aufwertungsklausel, so vermehrt sich allenfalls die Anzahl der zu leistenden Raten, ebenso wie sich die Anzahl auch vermindern könnte. Jedenfalls fallen Teilzahlungen nicht unter die Regel des § 1480 ABGB. (vgl. Klang 2. Aufl. VI 611 und die dort angegebene Literatur). "Aufwertungsbeträge" können daher nicht unabhängig vom Darlehensbetrag verjähren.
Die Beklagten führen weiter aus, daß der Kläger seinen Anspruch verwirkt habe, weil er seinen Aufwertungsanspruch erst vier Jahre nach der letzten Kapitalzahlung geltend mache. Dem ist entgegenzuhalten, daß dem ABGB. der Erlöschungsgrund der Verwirkung fremd ist. Es kann daher die deutsche Lehre nicht ohne weiteres übernommen werden. Es ist auch nicht richtig, daß die Rechtsprechung einen allgemeinen Satz entwickelt hätte, daß die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechtes durch längere Zeit die Ausübung dann unzulässig mache, wenn im Hinblick auf besondere Umstände die verspätete Geltendmachung als ein Verstoß gegen Treu und Glauben erscheine. Die Geltendmachung eines Rechtes nach längerer Zeit könnte den Gläubigern nur unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB. verwehrt werden. Es müßte also ein solches Verhalten des Gläubigers vorliegen, das mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrigließe, daß er auf die Geltendmachung seines Rechtes verzichte. Solche besonderen Umstände haben die Beklagten gar nicht behauptet. Hier liegt nur vor, daß der Kläger die vereinbarten Jahresraten angenommen hat, ohne zugleich auf die Aufwertung hinzuweisen. Nun hatte der Kläger gar keinen Anspruch darauf, eine höhere Jahresleistung zu erhalten. Laut Schuldschein war die Kapitalschuld in jährlich gleichen Raten von 20.000 S abzustatten. Hätte sich eine Erhöhung infolge der Aufwertung ergeben, dann hätte sich, wie bereits oben dargelegt wurde, die Anzahl der jährlichen Raten erhöht. Aus der Annahme dieser Jahresraten kann überhaupt nichts erschlossen werden. Daß aber der Kläger sonst zu erkennen gegeben hätte, auf die Aufwertung zu verzichten, vermögen die Beklagten nicht zu behaupten (vgl. hiezu auch EvBl. 1955 Nr. 324).
Die Beklagten führen weiter aus, der Wertsicherungsklausel mangle es an der nötigen Bestimmtheit. Auch das ist unrichtig. Es genügt, auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen. Der Umstand, daß das Erstgericht eine falsche Berechnungsart angewendet hat, beweist noch nicht die Unbestimmtheit der Vereinbarung.
Schließlich behaupten die Beklagten, bei der Wertsicherung handle es sich um einen Schadenersatz. Es hätte daher die dreijährige Verjährungsfrist einzutreten. Diese Ausführungen sind abwegig. Das Wesen des Darlehensvertrages liegt darin, daß eine vertretbare Sache zur Verfügung in das Eigentum überlassen wird, mit der Verpflichtung, nach einer gewissen Zeit ebensoviel von derselben Gattung und Güte zurückzugeben. Nach § 5 des Gesetzes RGBl. Nr. 62/1868 darf sogar bedungen werden, daß eine größere Summe als gegeben zurückerstattet werde. Auch wenn mehr zurückgegeben werden muß, bleibt es immer noch ein Darlehensvertrag. Hier wurde aber gar nicht vereinbart, daß mehr zurückgegeben werden soll. Es könnte sich bei der Wertsicherungsklausel ja auch ergeben, daß der Summe nach weniger zurückgezahlt werden muß. Die Wertsicherungsklausel soll dem Gläubiger die Sicherheit geben, daß er Geld im gleichen Wert, wie er es hingegeben hat, zurückerhält, also Geld gleicher Güte und nicht Geld mit verminderter Kaufkraft (wie sie umgekehrt auch möglicherweise zur Sicherung des Schuldners dienen kann). Schon diese Überlegung zeigt, daß die Aufwertung kein Ersatzanspruch sein kann. Der "Aufwertungsbetrag" ist ein Teil der Schuld, beruht auf dem gleichen Rechtsgrund und verjährt in der gleichen Zeit wie das Darlehen an sich.
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