OGH 3Ob230/15t

OGH3Ob230/15t16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen L*****, geboren am 16. April 2006, wohnhaft bei seinem Vater Dipl.‑Ing. S*****, vertreten durch Jaeger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in Linz, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter A*****, vertreten durch Dr. Gregor Berchtold, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. September 2015, GZ 42 R 319/15w‑131, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00230.15T.1216.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Obsorgeentscheidung hat ausschließlich nach Maßgabe des Kindeswohls zu erfolgen, dieses geht dem Elternrecht vor (RIS‑Justiz

RS0118080). Es ist die derzeitige Lebenssituation zu berücksichtigen und eine Zukunftsprognose zu treffen (RIS‑Justiz

RS0048632,

RS0106312). Bei einer Kollision mehrerer obsorgerechtlicher Leitgedanken ist stets eine Gesamtschau maßgeblich (RIS‑Justiz

RS0047832 [T7, T12]).

Obsorgeentscheidungen sind jeweils solche des Einzelfalls und begründen nur bei Verletzung leitender Rechtsprechungsgrundsätze erhebliche Rechtsfragen (RIS‑Justiz

RS0007101,

RS0097114). Wurde auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen, kommt der Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu (RIS‑Justiz

RS0115719).

In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, die es aufgrund der gesamten Umstände insgesamt als für das Wohl des Minderjährigen günstiger ansahen, dass er sich (bei gemeinsamer Obsorge der Eltern) hauptsächlich bei seinem Vater aufhält, liegt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Der Minderjährige lebt dort seit mehr als eineinhalb Jahren ‑ nach der wegen der damals äußerst problematischen Situation im Haushalt der Mutter notwendig gewordenen vorübergehenden Unterbringung in einem Krisenzentrum ‑, wird vom Vater und dessen Familie betreut und ist offensichtlich mit seiner Lebenssituation sehr zufrieden, ohne jemals den Wunsch nach einer Rückkehr in den Haushalt der Mutter geäußert zu haben.

Daran kann auch die im außerordentlichen Revisionsrekurs dargelegte ‑ im Hinblick auf die im Obsorgeverfahren beachtliche (RIS‑Justiz RS0106313) ‑ Änderung der Sachlage gegenüber jener zum Zeitpunkt der Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis nichts ändern:

Mittlerweile halten sich die vier bzw fünf Jahre alten Halbschwestern des Minderjährigen, mit denen er bis zur Krisenunterbringung aller drei Kinder im Februar 2014 aufgewachsen ist, wieder hauptsächlich (acht statt bisher fünf Tage in zwei Wochen) bei der Mutter auf, sodass ein engerer Kontakt zwischen den Geschwistern möglich wäre, wenn auch der Minderjährige wieder hauptsächlich bei seiner Mutter wohnte. Ein regelmäßiger Kontakt der Geschwister ist hier allerdings ohnehin dadurch sichergestellt, dass sich nach den von der Mutter mit den Vätern der Kinder geschlossenen Vergleichen an den Wochenenden der ungeraden Wochen (zumindest im Regelfall) alle drei Kinder in ihrem Haushalt aufhalten. Auch unter Berücksichtigung der geänderten Umstände für die zukunftsbezogene Rechtsgestaltung (RIS‑Justiz RS0106312) entspricht es dem Kindeswohl daher mehr, wenn der Minderjährige weiterhin hauptsächlich bei seinem Vater lebt.

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