Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen
Text
Begründung
Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden auf Grund des vollstreckbaren Anerkenntnisurteils des BGZ Graz vom 2. Juli 2004 - unter Abweisung eines Teils des Zinsenbegehrens - die Forderungsexekution zur Hereinbringung von 27.327,36 EUR sA.
Das Rekursgericht bestätigte die Exekutionsbewilligung in Ansehung eines Teilbetrags von 12.077,42 EUR sA, betreffend einen Teilbetrag von 12.882,58 EUR sA wies es den Exekutionsantrag ab, im Übrigen - im Umfang eines Teilbetrags von 2.367,36 EUR sA - hob es die Exekutionsbewilligung auf und verwies die Sache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den maßgebenden Sachverhalt fasste es folgendermaßen zusammen:
Die spätere Gemeinschuldnerin war auf Grund des Vertrags vom 15. Juni 2002 Mieterin von Bestandräumen in Graz. Die Betreibende war Vermieterin. Dieses Bestandverhältnis wurde mit Notariaktsakt vom 17. April 2003 aufgelöst. Für die Weiterverwendung der bisherigen Bestandräume (bis zu deren Räumung) hatte die vormalige Mieterin monatlich 6.240 EUR an Benützungsentgelt zu zahlen. Am 3. Oktober 2003 wurde über deren Vermögen das Ausgleichsverfahren, mit Beschluss vom 2. März 2004 sodann der Anschlusskonkurs eröffnet, die Schließung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin angeordnet „sowie die Masseunzulänglichkeit (§ 124a KO) veröffentlicht". Mit Mahnklage vom 19. April 2004 - demnach erst nach der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit - machte die Betreibende einen Anspruch auf Zahlung des erwähnten Benützungsentgelts zuzüglich Stromkosten geltend. Sie brachte vor, der Masseverwalter habe seit Oktober 2003 die Stromkosten und seit Jänner 2004 das Benützungsentgelt für die - nach wie vor nicht geräumten - Bestandobjekte nicht gezahlt. Es lägen Masseforderungen vor, die voll zu befriedigen seien. Der Masseverwalter, der zunächst Einspruch gegen den Zahlungsbefehl erhoben hatte, anerkannte später die klageweise geltend gemachten Forderungen. Daraufhin erging das diesem Exekutionsverfahren als Titel zugrunde liegende Anerkenntnisurteil.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, für die Beurteilung der Möglichkeit einer exekutiven Hereinbringung des Benützungsentgelts sei der Abschluss des seinerzeitigen Bestandvertrags noch vor der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit nicht von Belang, habe doch der Masseverwalter die betroffenen Räume auch noch nach jener Bekanntmachung benützt und auf diese Weise „für die Verwertung der Masse verwendet". Die betriebenen Forderungen an Benützungsentgelt für den Zeitraum ab 3. März 2004 bis zur Räumung der Objekte (12.077,42 EUR) seien daher Masseforderungen, die gemäß § 124a Abs 1 KO exequierbar seien. Die betriebenen Forderungen an Benützungsentgelt für den Zeitraum vor dem 3. März 2004 (12.882,58 EUR) würden dagegen von der Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 EO erfasst. Bei den betriebenen Stromkosten von insgesamt 2.367,36 EUR mangle es an einem Vorbringen der Betreibenden, wie dieser Betrag auf die Zeiträume bis zum 2. März und ab dem 3. März 2004 aufzuteilen sei. Erst nach Erstattung eines solchen Vorbringens, zu dessen Nachholung der Betreibenden im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben sein werde, könne beurteilt werden, inwiefern die betriebenen Stromkosten von der Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 EO betroffen seien.
Den Revisionsrekurs gegen den bestätigenden und gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung ließ die zweite Instanz mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe sich zur Abgrenzung der Alt- von Neumasseforderungen bei Anwendung des § 124a Abs 1 und 2 KO noch nicht geäußert.
Der Revisionsrekurs des Masseverwalters ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Der absolute Ausschluss des Revisionsrekurses gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gilt zufolge § 78 EO - abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen - auch im Exekutionsverfahren. Insofern ist ein rechtlicher und/oder tatsächlicher Zusammenhang von Ansprüchen, über die in zweiter Instanz teils bestätigend, teils abändernd entschieden wurde, nicht von Bedeutung. Ausschlaggebend ist lediglich, ob die betriebenen Forderungen ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. Bloß dann, wenn der bestätigende und der abändernde Teil in einem engen unlösbaren Sachzusammenhang stünden, könnte die Rekursentscheidung - bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen - insgesamt anfechtbar sein. Mangelt es an einem solchen Konnex, so ist der in zweiter Instanz bestätigte Teil der Entscheidung über einen Exekutionsantrag absolut unanfechtbar (zuletzt so 3 Ob 284/04t; s Näheres ferner bei Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 63 f mwN aus der Rsp). Diese Leitlinie erfasst auch Entscheidungen über Exekutionsanträge, die unterschiedliche Forderungen im Sinn der voranstehenden Ausführungen auf Grund eines Exekutionstitels betreffen (Zechner aaO § 528 ZPO Rz 68 mN aus der Rsp).
2. Entsprechend den bisherigen Erwägungen hängt die Anwendbarkeit des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO auf den Revisionsrekurs des Masseverwalters davon ab, ob die von Letzterem angefochtene Teilbestätigung der Exekutionsbewilligung des Erstgerichts in einem unlösbaren Sachzusammenhang mit der abändernden Teilabweisung des Exekutionsantrags steht, weil die beiden Teilen der der Rekursentscheidung zugrunde liegenden betriebenen Forderungen kein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. Ein solcher Konnex ist indes, wie sogleich zu begründen sein wird, zu verneinen.
3. Der Rechtsmittelwerber verficht den Standpunkt, die Regelung des § 124a Abs 1 letzter Satz KO betreffe nur die Ansprüche von „'Neugläubigern'", nämlich die Ansprüche auf Grund von Geschäften, die der Masseverwalter nach der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit „neu" abgeschlossen habe. Alle anderen Ansprüche gegen die Masse würden von der Exekutionssperre nach § 124a Abs 2 KO erfasst. Diese Sicht der Rechtslage stützten die Ausführungen von Mohr, Konecny und Bock/Muhri. Bei den beiden erstgenannten Autoren unterließ der Rechtsmittelwerber die Angabe konkreter Fundstellen.
4. Bock/Muhri (Das neue Insolvenzrecht² [2003] 163 f) kommentieren die Regelung des § 124a KO widersprüchlich. Zum einen wird festgehalten, dass „zu den im Interesse einer bestmöglichen Verwertung gebotenen Rechtshandlungen ... auch die Befriedigung von Forderungen aus Rechtsgeschäften zählen" können, „die bereits vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit geschlossen" worden seien. „Insbesondere bei längerfristigen Verträgen, wie Mieverträgen oder Leasingverträgen, aber auch Versicherungsverträgen" sei „nicht selten der Fall gegeben, dass der Geschäftsabschluss vor Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit erfolgt" sei, „Leistungen aus diesen Verträgen aber erst nach Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit beansprucht" würden. Auch solche „Altmassegläubiger" seien „mit ihren 'neuen Masseforderungen'" für Leistungen nach Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit vorrangig zu befriedigen. Schließlich wird aber betont, es werde „weder der Vermieter noch ein Leasinggeber oder Versicherer ... als 'Altmassegläubiger' aufgrund von Rechtshandlungen des Masseverwalters nach Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit" ein neuer Massegläubiger, der Begriff „'Rechtshandlung'" sei vielmehr nur auf Rechtsgeschäfte zu beziehen, die der Masseverwalter nach jenem Zeitpunkt „neu" eingegangen sei.
Konecny (Masseunzulänglichkeit und ihre Folgen, in Insolvenz-Forum 2002 [2003] 61, 86 f) verdeutlicht dagegen in Erörterung der Gesetzesgenese und der Gesetzesmaterialien, dass zwischen den Begriffen „'Rechtsgeschäft'" und „'Rechtshandlung'" zu differenzieren sei. Demnach kämen „für eine Befriedigung als Neumassegläubiger" nach § 124a Abs 1 KO „einerseits Ansprüche aus neu abgeschlossenen Geschäften in Frage, daneben solche Ansprüche aus Altverträgen, die der Masseverwalter weiter erfüllen will und muss, um sinnvoll abwickeln zu können". Der Masseverwalter müsse etwa im Fall von Bestandverträgen, wenn er „das angemietete Geschäftslokal weiter benützen" wolle, „am Mietvertrag festhalten" und „dafür die nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit fällig werdenden Mietzinse begleichen". Er sei daher „vom Kriterium der Rechtshandlung her nicht eingeschränkt". Mohr erzielt das gleiche Ergebnis (Insolvenzrecht 2002 - ecolex SPEZIAL 85).
Aus den Beiträgen von Konecny und Mohr, deren Auffassung der erkennende Senat beitritt, folgt somit das Gegenteil dessen, was der Rechtsmittelwerber bei diesen Autoren gelesen haben will. Die bisherigen Erwägungen sind daher - beschränkt auf die im Anlassfall aufgeworfene Frage - wie folgt zusammenzufassen:
Nach der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit durch das Konkursgericht gemäß § 124a Abs 2 erster Satz KO hat der Masseverwalter Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis oder aus einem nach dessen Auflösung faktisch andauernden Nutzungsverhältnis insoweit unverzüglich als Masseforderungen gemäß § 124a Abs 1 letzter Satz KO zu befriedigen, als er am Leistungsaustausch auf Grund eines Dauerschuldverhältnisses oder - trotz dessen Auflösung - an der faktischen Nutzung fremden Vermögens auch nach dem Zeitpunkt jener Bekanntmachung als - nach seiner Beurteilung gebotene - Maßnahme im Interesse der Verwaltung und (schließlichen) Verwertung des Massevermögens festhielt. In diesem Umfang kommt somit die Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 zweiter Satz KO nicht zum Tragen.
Der Masseverwalter verdeutlicht im Revisionsrekurs selbst, dass er die ehemaligen Bestandobjekte, für die bis zu deren Räumung ein Benützungsentgelt zu zahlen war, deshalb zunächst habe weiterverwenden müssen, weil er „keine Räumlichkeiten zur Verfügung" gehabt habe, „in welchen die Fahrnisse der Gemeinschuldnerin untergebracht werden hätten können", sodass „ihm die umgehende Räumung" mangels liquider Mittel „faktisch nicht möglich" gewesen sei.
Maßnahmen, die erforderlich sind, um Teile des Massevermögens vor dem Verderben zu retten, sind indes Rechtshandlungen gemäß § 124a Abs 1 KO, die im Interesse der Verwaltung des Massevermögens geboten sind. Ob solche Rechtshandlungen gleichzeitig der Fortführung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin dienen sollten, ist im erörterten Kontext - entgegen der Ansicht des Masseverwalters - nicht wesentlich. Die Behauptung, diese Handlungen seien „im Einvernehmen und im ausschließlichen Interesse der betreibenden Partei" erfolgt, wäre - im Fall einer Sachentscheidung über den Revisionsrekurs - als unzulässige Neuerung unbeachtlich.
5. Aus allen bisherigen Erörterungen folgt, dass die betriebenen Forderungen - entsprechend der Entscheidung des Rekursgerichts - gemäß § 124a Abs 1 iVm § 124a Abs 2 KO ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können, je nachdem, ob sie im Zeitraum vor oder nach der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit als Folge der Weiterverwendung der ehemaligen Bestandobjekte durch den Masseverwalter nach Auflösung des Bestandvertrags entstanden sind. Infolgedessen erweist sich der Revisionsrekurs des Masseverwalters gegen den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO als absolut unzulässig.
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