European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124957
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die – vom derzeit nicht obsorgeberechtigten Vater beantragte – Anordnung der gemeinsamen Obsorge setzt ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit sowie an Bereitschaft der Eltern dazu voraus, denn es ist erforderlich, in sachlicher Form Informationen auszutauschen und Entschlüsse zu fassen, um Entscheidungen möglichst übereinstimmend im Sinn des Kindeswohls treffen zu können. Daher muss beurteilt werden, ob eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern bereits vorhanden ist, ob in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet oder eine solche zumindest hergestellt werden kann (RIS‑Justiz RS0128812).
1.2 Gemäß § 107 Abs 3 Z 1 AußStrG kann das Gericht die Eltern zur Inanspruchnahme einer Eltern- oder Erziehungsberatung verpflichten, wenn es dies als zur Sicherung des Kindeswohls erforderliche unterstützende Maßnahme erachtet und soweit dadurch nicht berücksichtigungswürdige Interessen einer Partei unzumutbar beeinträchtigt werden.
Dass eine Maßnahme wie die von den Vorinstanzen angeordnete Erziehungs- und Elternberatung dem Wohl des Minderjährigen dienen soll, zieht auch der Revisionsrekurs nicht in Zweifel. Auch die in der Begründung des Beschlusses genannte Verbesserung der Kommunikation zwischen den Eltern dient letztlich dem Wohl des Kindes. Entgegen der Rechtsansicht der Revisionsrekurswerberin ist ein „unzulässiges Ziel“ der bekämpften Maßnahme damit nicht erkennbar.
2. Der Oberste Gerichtshof hat zu § 107 Abs 3 Z 1 AußStrG bereits ausgesprochen, dass der angeordnete Besuch derselben Beratungsstelle (Institution oder Person) durchaus zweckmäßig und geeignet sein kann, den Erfolg der angeordneten Maßnahme zu fördern (3 Ob 122/16m; 8 Ob 29/17y). Je nach den Umständen des Einzelfalls (etwa wegen weit voneinander entfernt liegender Wohnsitze der Eltern oder bei Nichteinigung der Eltern auf eine bestimmte Institution) kann hingegen auch eine Einzelberatung bei unterschiedlichen Einrichtungen – insbesondere bei einer Person des Vertrauens der jeweiligen Eltern – dem Kindeswohl ausreichend förderlich sein (1 Ob 7/19i), zumal die angeordnete Maßnahme nach dem Gesetzeswortlaut auch „die Belange der übrigen Parteien“ nicht unzumutbar beeinträchtigen darf.
Der Revisionsrekurs nennt keinen Grund, der gegen den angeordneten Besuch derselben Beratungsstelle sprechen würde, sondern er erschöpft sich in der Behauptung, die „Rechtsauffassung des Rekursgerichts“ bzw generell die Möglichkeit, einen Auftrag, Erziehungsberatung bei derselben Institution zu absolvieren, sei „zu überdenken“ oder „zu verneinen“. Eine Auseinandersetzung mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung sowie den Lehrmeinungen dazu erfolgt hingegen nicht.
3. Im Beschluss des Erstgerichts werden als weitere Ziele der angeordneten Maßnahme auch die Beruhigung des elterlichen Konflikts und die Erarbeitung einer tragfähigen Kooperationsbasis der Eltern genannt. Inwiefern das – ebenfalls erwähnte – Ziel einer Reflexion der weniger förderlichen Verhaltensweisen der Eltern „nicht zur Erziehungsberatung“ gehört, in diesem Zusammenhang „nicht zulässig“ sein und den Auftrag unzulässig machen sollte, ist nicht nachvollziehbar.
4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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