European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00220.15X.1118.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
B e g r ü n d u n g :
Mit Beschluss vom 13. Mai 2014, ON 244, übertrug das Erstgericht die Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Floridsdorf, weil sich der Betroffene jetzt ‑ anders als bei Einleitung des Verfahrens, als er überwiegend auf einem Campingplatz im Sprengel des Erstgerichts wohnte ‑ ständig im Sprengel dieses Gerichts aufhalte. Das Bezirksgericht Floridsdorf übernahm die Zuständigkeit mit Beschluss vom 26. Mai 2014, ON 247.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betroffenen nicht Folge. Bei einer Entscheidung nach § 111 JN komme es immer nur auf den Mittelpunkt der Lebensführung und nicht auf die polizeiliche Meldung an. Der Rekurswerber verweise in seinem Rechtsmittel zwar auf seine Meldedaten, wonach er in Wiener Neustadt, Purbach am Neusiedlersee und in München gemeldet sei, bestreite aber nicht, dass er sich „nicht“, wie vom Erstgericht im angefochtenen Beschluss festgestellt, ständig in seiner Eigentumswohnung in Wien 21 aufhalte [offenbar gemeint: er bestreite nicht, dass er sich an dieser Adresse aufhalte].
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen, mit dem dieser (erkennbar) die ersatzlose Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen anstrebt, ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabe des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel dann vor, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Betroffenen liegt (RIS‑Justiz
2. Der Revisionsrekurswerber zeigt zutreffend auf, dass den Vorinstanzen eine Aktenwidrigkeit unterlaufen ist, befand er sich doch bereits bei Fassung der erstinstanzlichen Entscheidung ‑ wie auch dem Erstgericht bekannt war ‑ in der Justizanstalt Josefstadt in Haft, von wo er in weiterer Folge in die Justizanstalt Stein verlegt wurde. Dass dies dem Rekursgericht bewusst war, ergibt sich aus dem Kopf der Rekursentscheidung, in dem die Anschrift des Betroffenen mit „per Adresse Justizanstalt Stein“ angeführt ist. Vor diesem Hintergrund ist aber die Ansicht des Rekursgerichts, der Lebensmittelpunkt des Betroffenen befinde sich im Sprengel des Bezirksgerichts Floridsdorf, nicht nachvollziehbar.
3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren deshalb ersatzlos aufzuheben. Da der Betroffene in der Zwischenzeit zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zehn Monaten, verbunden mit der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (§ 21 Abs 2 StGB) verurteilt wurde (16 Hv 63/14i des Landesgerichts Krems an der Donau), mangels Rechtskraft dieses Urteils aber noch nicht feststeht, in welcher Anstalt er letztlich ‑ für den Fall der Bestätigung dieses Urteils ‑ unterzubringen sein wird, kommt derzeit eine ‑ vom Betroffenen nach seinem Revisionsrekursantrag auch gar nicht angestrebte ‑ Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Krems an der Donau nicht in Betracht.
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