OGH 3Ob2121/96z

OGH3Ob2121/96z28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald F*****, vertreten durch Dr.Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Christa H*****, vertreten durch Dr.Gerhard Richter und Dr.Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 99.954,50 sA und Feststellung (im Revisionsverfahren S 81.529,50 sA und Feststellung), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 27.Februar 1996, GZ 6 R 26/96d-49, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21.November 1995, GZ 25 C 819/94w-39, infolge Berufungen beider Parteien teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.

Im übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit das Klagebegehren abgewiesen wurde, sowie im Kostenausspruch aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger nahm vom 11.12.1992 bis 8.1.1993 die zahnärztliche Behandlung durch die Beklagte im Zusammenhang mit der Trepanation des Zahnes 32 und einer Mittelspitzenresektion in Anspruch. Er brachte vor, er habe durch unsachgemäße und unhygienische Vorgangsweise, insbesondere das Unterlassen präoperativer Mundspülung und perioraler Desinfektion, eine breit klaffende, eitrige Wunde erlitten, wobei es zum Spontanverlust dieses Zahnes und zur Schädigung benachbarter Zähne und des Kieferknochens gekommen sei. Als Folge der unsachgemäßen Behandlung habe er sich bis Mai 1994 zahlreichen zahnmedizinischen und kieferchirurgischen Eingriffen und Behandlungen im Zahnambulatorium der Gebietskrankenkasse Salzburg und in der Kieferchirurgischen Abteilung der Landeskrankenanstalten Salzburg unterziehen müssen. Die Beklagte treffe an den eingetretenen Defekten und entstandenen Schmerzensfolgen das alleinige Verschulden, weil sie keine ausreichende Aufklärung vorgenommen, unhygienisch gearbeitet, die beginnenden Eiterungen und Entzündungen nicht umgehend behandelt und den Kläger zur Weiterbehandlung nicht an eine kieferchirurgische Abteilung zur besser geeigneten Behandlung weitergeleitet habe. Die Nachlässigkeit im Verhalten der Beklagten spiegle sich auch darin, daß die Krankengeschichte nur völlig unzureichend geführt worden sei. Ferner liege das Verschulden der Beklagten darin, daß kein Mundabstrich und keine Gewebsprobe nach Auftreten der Entzündung durchgeführt worden sei, weiters in falscher Schnittführung und Wegfräsung der Knochen; ferner sei es wegen der in der Folge schwer festzusetzenden Nachbehandlungstage fahrlässig gewesen, die Behandlung kurz vor dem Feiertag anzusetzen. Die Fahrlässigkeit liege auch darin, daß die erste Nachbehandlung erst am 4.1.1993 erfolgt sei.

Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß sie den Kläger nicht darauf hingewiesen bzw gewarnt habe, daß eine Nachbehandlung am ersten postoperativen Tag bei kunstgerechter Ausführung üblich und erforderlich sei, auch durch Einnahme von verordneten Antibiotika eine Entzündung nicht ausgeschlossen werden könne, durch Vornahme und Auswertung eines Wundabstrichs eine Abstimmung auf effiziente Medikation erfolgen könne, daß und welche sogar besser geeignete Alternativen im Vergleich zur gewählten Behandlung bestanden hätten, daß durch Nichtverwendung von Handschuhen bei der Behandlung die Infektionsübertragung vergrößert und ermöglicht werde, daß zur besseren Versorgung wegen eigener Abwesenheit während der Feiertage eine Verschiebung der Behandlung zu bevorzugen und dadurch auch kein gesundheitlicher Nachteil für den Kläger zu erwarten gewesen wäre, daß bei Verweisung an eine kieferchirurgische Abteilung eines Landeskrankenhauses in Salzburg oder Graz eine bessere Versorgung gewährleistet gewesen wäre, daß der von der Beklagten gewählte Zahnfleischrandschnitt dem veralterten Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft zu Studienzeiten der Beklagten entspreche und in der modernen medizinischen Wissenschaft wegen der damit verbundenen Komplikationsgefahr als sehr problematisch und veraltet bezeichnet werde, daß die Behandlung durch Anbringen von Sekundärnähten und Verschließung einer eiternden Wunde einer angestrebten Wundheilung kontraindiziert sei, daß die Beklagte eine übermäßige Abtragung des Zahnknochens und Zahnfleisches vorgenommen habe. Eben diese Umstände seien der Beklagten auch als Kunstfehler bzw Einlassungsverschulden anzurechnen; sie habe aufgrund dieser Säumnisse nicht von einer rechtsgültigen verbindlichen Genehmigung der vorgenommenen Behandlung durch den Kläger ausgehen können. Alle Behandlungsfolgen beim Kläger seien ausschließlich auf das Fehlverhalten der Beklagten im Zuge der von ihr durchgeführten Behandlung zurückzuführen. Selbst wenn für das Gericht diesbezüglich in einem geringen Teilbereich noch Zweifel bestehen sollten, könnten sich diese Zweifel ausschließlich darauf gründen, daß die Beklagte ihre nach dem Ärztegesetz und aus dem Behandlungsvertrag bestehende Pflicht zu einer umfassenden und nachvollziehbaren Dokumentation des gesamten Behandlungsverlaufs mehrfach und somit gröblich verletzt habe. Die Kausalität sei daher selbst im Zweifel im Hinblick auf die gegebene hohe Wahrscheinlichkeit zu unterstellen, sofern von der Beklagten nicht der Gegenbeweis erbracht werde.

Der Kläger begehrte Schmerzengeld in Höhe von S 50.000, Kosten der notwendigen Nachbehandlung von S 42.340,50, pauschale Unkosten von S

1.300 und Verdienstentgang von S 6.314, und zwar für 14 Tage Entgang der Trennungszulage für Auswärtsarbeiten von S 350 pro Tag und der Bauzulage für Tätigkeit auf der Baustelle von S 101 pro Tag, das sind insgesamt S 99.954,50. Weiters begehrte er die Feststellung, daß die Beklagte dem Kläger für zukünftige Schäden aufgrund der von der Beklagten im Zeitraum vom 21.12.1992 bis 8.1.1993 beim Kläger durchgeführten zahnmedizinischen Behandlung, insbesondere durch künftig erforderliche Zahnsanierungskosten, hafte.

Die Beklagte wendete ein, sie sei völlig sach- und fachgerecht vorgegangen. Am 11.12.1992 habe sie beim Kläger eine relativ große Fistulation im Bereich des Zahnes 32 festgestellt. Der Kläger habe sich nach ausführlicher präoperativer Aufklärung mit der Vornahme der notwendigen Eingriffe einverstanden erklärt. Noch am gleichen Tag sei der Zahn trepaniert worden; für die Operation sei der 21.12.1993 vereinbart worden. Der Kläger habe ein Merkblatt erhalten; die Beklagte habe ihn ausdrücklich angewiesen, zwei Tage vor dem Operationstermin mit der Einnahme der Medikamente Voltaren und Cliacil zu beginnen. Am 21.12.1993 habe der Kläger jedoch erklärt, er lehne es grundsätzlich ab, Antibiotika einzunehmen; die Beklagte habe ihn auf das dadurch erhöhte Risiko hingewiesen. Bei der Operation hätten die Beklagte und ihre Helferin Handschuhe getragen; die Beklagte wasche darüber hinaus oftmals am Tag nach den Operationsvorschriften ihre Hände. Eine Spülung sei wegen des absolut belagfreien Zahnstatus nicht indiziert gewesen. Bei Eröffnung der Zyste und Vornahme der Wurzelspitzenresektion habe sich herausgestellt, daß nicht nur die Zähne 31 und 32, sondern auch der Zahn 41, dessen Wurzelspitze in die Zyste hineingeragt habe, vom Krankheitsgeschehen mitbetroffen gewesen sei; dies sei auf dem Röntgenbild nicht sichtbar gewesen. Diese drei Zähne seien nach Wurzelbehandlung festgesessen; labial sei ein Großteil des Knochens jedoch durch die Zystenbildung abgebaut gewesen. Der Kläger habe erklärt, er könne nicht am nächsten Tag, sondern frühestens am 4.1.1993 zur Nachbehandlung erscheinen, obwohl ihn die Beklagte mehrmals über die Wichtigkeit der Nachbehandlung bereits am nächsten Tag aufgeklärt habe. Die Beklagte habe den Kläger aufmerksam gemacht, er solle bei auch nur geringsten Anzeichen einer negativen Veränderung der Situation umgehend den Notarzt bzw die Klinik aufsuchen. Bei der Nachbehandlung am 4.1.1993 habe der Zahn 32 bereits gefehlt; auch der stark gelockerte Zahn 31 habe entfernt werden müssen. Die Wundränder hätten eine geringfügig beginnende Nekrose gezeigt, so daß sie angeschnitten werden mußten. Die Wunde sei durchgespült, nochmals ausgekratzt und antibiotisch mit Baneocin gespült worden; schließlich sei eine Einlage mit Leukasekegeln durchgeführt worden. Danach sei die Wunde wieder zugenäht und mit antibiotischer Salbe (Volon A) behandelt worden. Es habe sich keine Spur einer neuerlichen Zysten- oder Eiterbildung gezeigt; vielmehr habe sich eine leicht beginnende Nekrose abgezeichnet. Auch bei der nächsten, ebenso durchgeführten Behandlung am 5.1.1994 habe sich keine Eiterung, sondern ein Fortschreiten der Nekrose gezeigt. Ein Abstrich sei nicht erfolgt, weil zu wenig Gewebe vorhanden gewesen sei. Bei der letzten Behandlung am 8.1.1994 hätten sich keine negativen Veränderungen gezeigt. Der Kläger sei zum Entfernen der Nähte bestellt worden, sei aber nicht mehr gekommen. Den Kläger treffe jedenfalls ein überwiegendes Mitverschulden, weil er zum vereinbarten Nachbehandlungstermin nicht erschienen sei und die ihm verordneten Medikamente nicht vorschrifts- und weisungsgemäß eingenommen habe.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich eines Teilbegehrens auf Zahlung von S 36.500 sA statt und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von S 63.454,50 sA und das Feststellungsbegehren ab; es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Bei der Erstbehandlung des Klägers durch die Beklagte am 29.5.1992 ergab sich nicht der geringste Hinweis auf eine Zyste. Bei der nächsten Behandlung am 11.12.1992 stellte die Beklagte beim Kläger im Bereich des bereits wurzelbehandelten Zahnes 32 eine relativ große Fistulation fest. Die Beklagte zeigte dem Kläger die Situation mit dem Spiegel und erklärte ihm, daß eine Wurzelresektion nötig sein werde, zuvor aber der Zahn geöffnet werden müsse. Im Zuge einer ausführlichen präoperativen Aufklärung erklärte sich der Kläger mit der Vornahme der notwendigen Eingriffe, deren Sinn die Zahnerhaltung war, einverstanden. Der Zahn 32 wurde noch am gleichen Tag präpariert. Anschließend wies die Beklagte den Kläger an, einen Tag vor dem Operationstermin, der von der Assistentin der Beklagten, Heidrun B*****, mit dem Kläger für den 21.12.1992 festgelegt worden war, mit der Einnahme der Medikamente Voltaren und Cliacil zu beginnen. Heidrun B***** händigte dem Kläger ein Merkblatt aus, das sie mit ihm genau durchbesprochen hatte. In dieses Merkblatt trug Heidrun B***** neben dem Operationstermin auch den Nachbehandlungstermin, der einvernehmlich mit dem Kläger für den 22.12.1992 festgelegt worden war, und den weiteren Nachbehandlungstermin am 4.1.1993 für die Nahtentfernung ein.

Es hätte mit dem Eingriff auch noch etwa zwei Wochen zugewartet werden können, ohne daß dadurch ein Schaden für den Kläger entstanden wäre.

Die Beklagte fragte den Kläger beim Operationstermin am 21.12.1993 sofort, ob er die präoperativen Medikamente eingenommen habe. Der Kläger verneinte dies mit der Begründung, er lehne es grundsätzlich ab, Antibiotika oder sonstige Mittel einzunehmen. Da aus diesem Grund eine Verschiebung der Operation sinnlos gewesen wäre, führte die Beklagte den Eingriff, dem keine desinfizierende Mundspülung vorangegangen war, durch. Weder die Beklagte noch ihre Assistentin Heidrun B***** trugen während des Eingriffs Handschuhe. Bei der Öffnung der Zyste unter Vornahme der Wurzelspitzenresektion an den Zähnen 31 und 32 zeigte sich, daß auch der Zahn 41 vom Krankengeschehen betroffen war; auch dessen Wurzelspitze ragte in die Zyste hinein. Die Beklagte führte daher auch am Zahn 41 eine Wurzelbehandlung und Wurzelresektion durch. Sodann wurde die Wurzelspitzen aller drei Zähne (31, 32 und 41) abgefüllt, danach die Zyste vollständig ausgeschält und die Wunde antibiotisch mit Baneocin gespült. Schließlich wurde die Zahnfestigkeit, die gegeben war, geprüft. Anschließend klärte die Beklagte den Kläger über sein Verhalten nach der Operation ordnungsgemäß auf und wies ihn an, am nächsten Tag zur bereits vereinbarten Nachbehandlung zu erscheinen. Der Kläger erklärte jedoch, er habe vor dem 4.1.1993 keine Zeit. Die Beklagte machte den Kläger daraufhin aufmerksam, daß in der ganzen Steiermark ein geschlossenes Notarztsystem bestehe und die Zahnklinik täglich Bereitschaftsdienst habe; der Kläger solle, wenn auch nur die geringsten Anzeichen einer negativen Veränderung der Situation bestünden, umgehend den Notarzt bzw die Klinik aufsuchen.

Durch die Operation erlitt der Kläger einen Tag starke, zwei Tage mittelstarke und fünf Tage leichte Schmerzen. Dieser Eingriff kann nicht als Fehlbehandlung qualifiziert werden; Wurzelspitzenresektion und Zystenoperation waren indiziert; bei der Wurzelbehandlung eines dritten Zahnes während der Operation handelt es sich um eine korrekte Maßnahme, die sich erst während des Eingriffs absehen läßt. Der von der Beklagten gewählte Zahnfleischrandschnitt ist zwar problematisch, weil er häufig Probleme im Bereich des Zahnfleischrandes in Form von Knochenabbau verursacht, wie dies auch beim Kläger letztendlich eingetreten ist. "Dennoch kann von einer falschen Schnittführung prinzipiell nicht gesprochen werden, da diese Schnittführung zumindest zur Zeit der Ausbildung der Beklagten an der Grazer Klinik gelehrt wurde und auch in einem Lehrbuch als Routineschnittführung angegeben ist." Das Nichttragen von Handschuhen macht zwar eine Infektionsübertragung möglich. Da die Beklagte vor dem Eingriff die übliche chirurgische Händewaschung vornahm, "wird eine Infektionsübertragung seitens der Beklagten nicht angenommen". Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis über die ausreichende Wirksamkeit einer desinfizierenden Mundspülung vor der Operation über eine gewisse Operationsdauer hinweg.

Am 31.12.1992 kam es beim Kläger zum Spontanverlust des Zahnes 32. Der Kläger nahm dennoch die ihm von der Beklagten genannten Einrichtungen nicht wahr. Er hatte aufgrund der aufgetretenen Komplikationen einen Tag starke, zwei Tage mittelstarke und fünf Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Am 4.1.1993 erschien der Kläger in der Ordination der Beklagten. Im Zuge der Nachbehandlung stellte sich heraus, daß der Zahn 31 ebenfalls stark gelockert und nicht mehr erhaltungswürdig war, so daß er entfernt wurde. Den gelblichen Belag entlang der Wundränder diagnostizierte die Beklagte fälschlicherweise als Nekrose. Sie schnitt daher die Wundränder ab. Danach wurde die Wunde von der Beklagten durchgespült, nochmals ausgekratzt, antibiotisch mit Baneocin gespült, schließlich wurde eine Einlage mit Leukasekegeln durchgeführt. Danach wurde die Wunde wieder zugenäht und mit antibiotischer Salbe behandelt. Im Zuge dieser Nachbehandlung wurde weder ein Abstrich gemacht noch eine Gewebsprobe entnommen. Da sich der Kläger nach der Behandlung mit einer medikamentösen Behandlung einverstanden erklärte, stellte ihm die Beklagte ein Rezept für Augmentin aus.

Eine antibiotische Therapie darf nicht überbewertet werden; vor allem ist sie kein Kompensationsmittel für allfällige Unzulänglichkeiten bei der Operation oder Nachbehandlung.

Am 5.1.1993 erschien der Kläger wegen starker Schmerzen ein weiteres Mal in der Praxis der Beklagten. Es bot sich das gleiche Bild wie am 4.1.1993, weshalb die Beklagte dieselbe Behandlung wie an diesem Tag durchführte. Am 8.1.1993 erschien der Kläger, der noch immer starke Schmerzen hatte, zum letzten Mal bei der Beklagten. Den Termin zum Entfernen der Nähte nahm er nicht mehr wahr.

Der Kläger erlitt durch die Nachbehandlung bei der Beklagten einen Tag starke, zwei Tage mittelstarke und etwa fünf Tage leichte Schmerzen (komprimiert).

Bei dieser Nachbehandlung bzw Behandlung der Komplikationen gibt es einige Ungereimtheiten. Das Anlegen von sekundären Nähten bei einer offensichtlich entzündlich veränderten Operationswunde erscheint wenig sinnvoll. Die richtige Vorgangsweise wäre gewesen, zu Beginn der entzündlichen Veränderungen ein bis zwei Nähte zu öffnen und eine Drainage in die Wunde zu legen, um damit eine sogenannte sekundäre Wundheilung zu erreichen. Weiters wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, für die offensichtlich gravierende Komplikation einen Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie bzw eine entsprechende Krankenhausabteilung zu konsultieren. Zusätzlich wäre es zielführend gewesen, wenn die Beklagte bei der Nachbehandlung einen Abstrich gemacht bzw eine Gewebsprobe entnommen hätte. Diese Maßnahmen hätten zwar keinen Einfluß auf das akute entzündliche Geschehen gehabt, hätten jedoch im Verlauf der Behandlungsweise Aufschlüsse über Änderungen der antibiotischen Medikation geben können.

Am 11.1.1993 suchte der Kläger Primarius Dr.Robert R***** bei der Salzburger Gebietskrankenkasse auf. Dieser stellte eine breit klaffende, schmierig belegte Wunde im Bereich des Unterkieferalveolarkammes, reichend von regio 33 bis regio 42, fest. Es bestand eine Dehiszenz von ca 1,5 cm, der gesamte Wundbereich war schmierig eitrig belegt. Der Zahn 41 war massiv gelockert und hätte mit den Fingern extrahiert werden können; der Zahn 42 zeigte ebenfalls eine deutliche Beweglichkeit. Bei der Wundrevision zeigte sich, daß die buccale Wand des Alveolarfortsatzes in der gesamten Ausdehnung von mesial 33 bis mesial 42 nicht mehr vorhanden war; die gesamte noch vorhandene Wurzel des Zahnes 41 lag buccal vollkommen frei.

Am 14.1.1993 mußte Dr.N***** den Zahn 41 extrahieren, weil er unter keinen Umständen hätte erhalten werden können. Bei der Nachbehandlung durch Dr.N***** hatte der Kläger einen Tag starke, vier Tage mittelstarke und ca acht Tage leichte Schmerzen zu erdulden.

Nach provisorischer prothetischer Versorgung des Klägers bei der Gebietskrankenkasse Salzburg wurden dem Kläger an der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Landeskrankenhauses Salzburg Implantate eingesetzt und Maßnahmen zur Knochenregeneration durchgeführt. Abschließend wurde von Dr.N***** die prothetische Suprokonstruktion (Kronen-Brückenversorgung) der Implantate durchgeführt.

Anläßlich des Eingriffs zur Wiederherstellung des zahntragenden Teiles des Unterkiefers und des Einbringens künstlicher Zahnwurzeln mußte der Kläger einen Tag starke, vier Tage mittelstarke und sechs Tage leichte Schmerzen komprimiert ertragen.

Die Behandlungskosten für die vom Kläger gewählte Sanierungsform beliefen sich auf S 42.340,50. Diese Sanierungsmethode ist immer dann sinnvoll, wenn entweder keine Zähne für die Verankerung von Zahnersatz zur Verfügung stehen oder das Beschleifen von unbeschädigten, intakten Zähnen für die Anfertigung von Zahnersatz notwendig wäre, wie dies beim Kläger der Fall war. Durch das Abschleifen für eine Brückenkonstruktion werden Zähne beschädigt und können durch Erkrankungen des Zahnnervs sogar verlorengehen.

Weiters entstanden dem Kläger Unkosten für Fahrtauslagen in Höhe von S 1.300 und ein Verdienstentgang in Höhe von S 6.314, weil er während seines Krankenstands weder die Bau- noch die Trennungszulage erhielt. Bei diesen Zulagen handelt es sich um Aufenthalts- und Aufwandsentschädigungen, die keinen Vorteil des Beziehers nach sich ziehen.

Dem Kläger entstanden Dauerfolgen, weil er wegen der aufgrund der Grunderkrankung vorhandenen Implantate bzw künstlichen Zahnkonstruktionen auch mit zukünftigen Zahnbehandlungskosten zu rechnen hat, weil diese wie jede Prothese nur von begrenzter Haltbarkeit sind.

Der Verlust von wurzelspitzenresezierten Zähnen im Zusammenhang mit einer Zyste ist auch bei sorgfältigster Operationstechnik und intensivster Nachbehandlung nicht in jedem Fall zu vermeiden. Die Angaben in der Literatur liegen zwischen 10 und 20 % Zahnverlust nach Wurzelspitzenresektion. Diese Verlustrate wird durch Vorliegen von zystischen Veränderungen noch erhöht. Wenn der Eingriff anders und die Nachbehandlung suffizient durchgeführt worden wäre, wäre also nicht in jedem Fall die Zahnerhaltung möglich gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dem Kläger sei kein Schmerzengeld für die mit dem Eingriff vom 21.12.1992, der aufgrund der bestehenden Erkrankung notwendig gewesen sei, verbundenen Schmerzen zuzusprechen. In der Folge sei es zu Komplikationen gekommen, anläßlich derer der Kläger - nach ausgeübtem richterlichen Ermessen gemäß § 273 ZPO - einen Tag starke, zwei Tage mittelstarke und fünf Tage leichte Schmerzen komprimiert zu erdulden gehabt habe. Da weder das Vorliegen noch das Nichtvorliegen einer Fehlbehandlung habe bewiesen werden können, handle es sich um einen sogenannten "non liquet-Fall". In einem solchen Fall sei die Entscheidung zum Nachteil der beweisbelasteten Partei zu fällen. Der Kläger habe daher auch für diese Schmerzperiode keinen Anspruch auf Schmerzengeld. Nach richterlichem Ermessen gemäß § 273 ZPO habe der Kläger anläßlich der nicht dem Fachwissen entsprechenden Nachbehandlung abermals einen Tag starke, zwei Tage mittelstarke und fünf Tage leichte Schmerzen erlitten. Da diese Schmerzen dem Kläger von der Beklagten schuldhaft zugefügt worden seien, sei dem Kläger ein Schmerzengeld von S 14.000 zuzuerkennen.

Diese mangelhafte Nachbehandlung habe weitere Behandlungen notwendig gemacht, die Dr.N***** ordnungsgemäß durchgeführt habe. Durch diese Nachbehandlungen habe der Kläger einen Tag starke, vier Tage mittelstarke und acht Tage leichte Schmerzen erlitten. Ein von der Beklagten eingewendetes Mitverschulden im Sinn des § 1304 ABGB wegen der Nichteinnahme von Antibiotika durch den Kläger habe nicht bewiesen werden können. Der Kläger habe daher für diese Schmerzperiode Anspruch auf Schmerzengeld in Höhe von S 22.500.

Die Schmerzzustände im Zusammenhang mit dem Eingriff zur Wiederherstellung des zahntragenden Teiles des Unterkiefers und dem Einbringen künstlicher Zahnwurzeln könnten der Beklagten nicht zugerechnet werden, weil diese vom Kläger gewählte schmerzhafte Sanierungsform als Folge der Grunderkrankung zu betrachten sei.

Behandlungskosten von S 42.340,50 könnten dem Kläger ebenfalls nicht zugesprochen werden, weil sie der Grunderkrankung, und nicht der Behandlung durch die Beklagte, zuzuordnen seien.

Der Kläger habe sein Begehren auf Fahrtauslagen in Höhe von S 1.300 nicht näher begründet; sie könnten ihm daher nicht zuerkannt werden.

Da es sich bei den als Verdienstentgang begehrten Zulagen nur um Aufenthalts- bzw Aufwandsentschädigungen handle, die keinen Vorteil für den Bezieher nach sich ziehen, könnten sie nicht zugesprochen werden. Auch der Ersatz von Dauerfolgen könne nicht zuerkannt werden, weil sie nicht der Behandlung durch die Beklagte, sondern der Grunderkrankung zuzuordnen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil - insoweit rechtskräftig - hinsichtlich einer Klagsstattgebung von S 18.425 sA und hinsichtlich des klagsabweisenden Teils und änderte es dahin ab, daß ein weiteres Zahlungsbegehren von S 18.075 abgewiesen wurde; es ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es sich mit seiner Entscheidung im Rahmen der ständigen Rechtsprechung halte. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, legte sie seiner Entscheidung zugrunde und führte zur Rechtsrüge des Klägers aus, soweit darin releviert werde, daß die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Führung der Krankengeschichte und Dokumentation des Behandlungsverlaufs nicht nachgekommen sei, sei darauf nicht weiter einzugehen, weil der Kläger in erster Instanz einen derartigen Vorwurf nicht erhoben habe und mit diesen Ausführungen unzulässig gegen das Neuerungsverbot verstoße. Im übrigen ließen die Feststellungen des Erstgerichtes die Beurteilung zu, ob die Beklagte eine ihr obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat.

Ein dem Arzt anzulastendes Fehlverhalten bei der Behandlung des Patienten liege dann vor, wenn der Arzt nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgegangen sei oder die übliche Sorgfalt eines ordentlichen, pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigt habe. Die Behandlung müsse also entsprechend den Grundsätzen der medizinischen Wissenschaft und nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen. Der Arzt handle nicht fahrlässig, wenn die von ihm gewählte Behandlungsmethode einer Praxis entspreche, die von angesehenen, mit dieser Methode vertrauten Medizinern anerkannt sei. Der Patient habe dabei Anspruch auf die nach dem Stand der Wissenschaft sichersten Maßnahmen zur Abwendung bekannter Operationsgefahren. Den Beweis des Vorliegens eines Behandlungsfehlers und seiner Kausalität habe im Sinn der allgemeinen Schadenersatzregeln grundsätzlich der Patient führen. Dieser müsse also als Kläger das Entstehen des Gesundheitsschadens durch das Verhalten des Arztes überwiegend im Sinn eines hohen Grades wahrscheinlich machen.

Diesen Beweis im Sinn einer Wahrscheinlichmachung habe der Kläger aber nicht erbracht. Die Feststellungen, daß der Kläger nach der Operation den vereinbarten Behandlungstermin als nicht einhaltbar erklärt und auch die ihm bekanntgegebenen Möglichkeiten des Aufsuchens einer Zahnklinik oder eines Notarztsystems ungeachtet der eintretenden Komplikationen (Spontanverlust des Zahnes am 31.12.1992) nicht wahrgenommen habe und erst am 4.1.1993 wieder die Beklagte in ihrer Ordination aufgesucht habe, ließen die Beurteilung zu, daß der Kläger die ihn in eigener Sache treffenden Sorgfaltspflichten nicht wahrgenommen habe. Die Beklagte habe eine zulässige und übliche Behandlungsmethode mit entsprechender Sorgfalt und Aufklärung des Patienten durchgeführt. Eine kausale, schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten der Beklagten, welche zur Haftung für Schmerzengeld und Sanierungskosten führen könnte, sei bei Behandlung der Grunderkrankung zu verneinen.

Die Beklagte habe bei der am 4.1.1993 beginnenden Nachbehandlung insofern ihre ärztliche Sorgfaltspflicht schuldhaft nicht beachtet, als sie bei der offensichtlich entzündlich veränderten Operationswunde Nähte angelegt habe, anstatt ein bis zwei Nähte zu öffnen, eine Drainage in die Wunde zu legen und damit eine sogenannte sekundäre Wundheilung zu erreichen. Der Vorwurf, der Erstrichter habe bei Ermittlung der Schmerzen zu Unrecht § 273 ZPO angewendet, sei unberechtigt. Auch das Ergebnis des Erstgerichtes sei nicht zu beanstanden. Auch die Ausmessung des Schmerzengeldes durch das Erstgericht sei im Hinblick auf das Leidensgeschehen des Klägers nicht zu beanstanden.

Es könne aber der von der Beklagten erhobene und vom Erstgericht nicht berücksichtigte Mitverschuldenseinwand nicht vernachlässigt bleiben. Hiebei sei in Betracht zu ziehen, daß das Verhalten des Klägers, nämlich seine Weigerung nach der Operation, den bereits vereinbarten Termin für den darauffolgenden Tag zur Nachbehandlung wahrzunehmen und ungeachtet der aufgetretenen Komplikationen nicht, wie ihm von der Beklagten aufgetragen und angeraten wurde, den Notarzt oder die Hilfe einer Zahnklinik zu suchen, als einleitende Fahrlässigkeit, welche die im Zuge der Nachbehandlung entstandenen Schmerzen schuldhaft mitverursacht habe, anzurechnen sei. Dem der Schadensteilung nach § 1304 ABGB zugrundeliegenden Grundsatz, den Schaden unter den Beteiligten verhältnismäßig zu teilen, entspreche es, sie entsprechend den von ihnen eingebrachten Schadensfaktoren gleichzubehandeln und demnach ein und demselben Verhalten dieselbe Bedeutung zuzumessen. Der Geschädigte müsse sich daher seinem Verlangen auf Schadenersatz ein ihn belastendes Eigenverhalten entgegenhalten lassen. Dieser Sorgfaltsverstoß des Klägers stelle sich als besonders kraß dar, weil er alle von der Beklagten als wichtig und wesentlich eachtete Verhaltensweisen für den Eintritt solcher Komplikationen negiert habe. Er sei daher zumindest gleich schwer zu bewerten wie jener der Beklagten im Zuge ihrer Nachbehandlung. Dadurch vermindere sich aber der Schmerzengeldanspruch des Klägers gegen die Beklagte auf die Hälfte des vom Erstgericht zutreffend als angemessen erachteten Betrages, also auf S 18.250.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswiederholung habe ergeben, daß der Kläger nur tageweise während der Nachbehandlung durch die Beklagte (vier Tage während des Zeitraums 4. bis 8.1.1993) im Krankenstand war, davon aber nur am 8.1.1993 in Salzburg geblieben ist und am nächsten Tag wieder gearbeitet hat. Die weiteren 10 Tage Krankenstand resultierten aus den Zahnbeschwerden im Zug der Sanierung. Während dieser sei der Kläger am Dienstort Salzburg verblieben. Damit sei für ihn aber die Notwendigkeit bestehen geblieben, jene Aufwendungen zu tragen, die durch die Trennungszulage abgegolten werden sollen. Ziehe man die allgemein bekannten Kosten alleine für die hypothetische Heimfahrt und Rückfahrt zum Arbeitsplatz jeweils in Betracht, so sei dem Kläger der auf den 8.1.1993 entfallende Betrag von S 350 sowohl aus dem Gedanken der Schadensminderung, aber auch der Unzumutbarkeit eines anderen Verhaltens (Heim- und Rückfahrt an den Arbeitsplatz für jeden Tag des Krankenstandes) als Schadensfolge zu ersetzen.

Dies könne jedoch nicht für die vom Kläger begehrte Bauzulage gelten. Soweit diese eine Zulage darstelle, die ebenfalls zusätzliche Aufwendungen bei der Arbeit am Bau abgelten soll, so seien diese während des Krankenstandes sicher nicht angefallen. Soweit diese aber nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Lohnbestandteil sein solle, welcher auch ohne Anwesenheit auf der Baustelle vom Kläger lukriert werde, so bestehe die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung auch während des Krankenstandes, so daß dem Kläger ein Schaden nicht erwachsen sei. Dem Kläger stehe daher aus dem Verbleib in Salzburg am 1.8.1993 ein Anspruch auf einen Gesamtbetrag von S 350 zu, der unter Berücksichtigung des ihm anzulastenden Mitverschuldens auf S 175 zu kürzen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt, soweit Nichtigkeit des Berufungsurteils (§ 503 Z 1 ZPO) geltend gemacht wird.

Das Urteil des Berufungsgerichtes soll mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO behaftet sein, weil seine Fassung so mangelhaft sei, daß dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne, das Urteil mit sich selbst im Widerspruch sei und überdies für die Entscheidung in wesentlichen Punkten keine Gründe angegeben seien.

Der erste Tatbestand des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt dann vor, wenn die Entscheidung so unzureichend begründet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt (E.Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 12 zu § 477 mwN mwN); eine derartige unzureichende Begründung liegt nicht vor.

Der zweite Tatbestand betrifft nur den Spruch; ein Widerspruch in den Entscheidungsgründen reicht nicht aus (E.Kodek aaO); auch dieser Fall ist hier nicht gegeben.

Der dritte Fall des völligen Mangels der Gründe ist auch dann gegeben, wenn konkrete Gründe für die Entscheidung fehlen und nur allgemeine Wendungen gebraucht werden, also nur eine Scheinbegründung vorliegt (E.Kodek aaO). Auch ein derart gravierender Fehler liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat in nachvollziehbarer Weise (Seite 7 ff des Berufungsurteils) dargelegt, aus welchen Überlegungen es die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für richtig hält.

Der Kläger versucht unter dem Revisionsgrund der Nichtigkeit des Berufungsurteils tatsächlich in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, die einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen ist, zu bekämpfen.

Auch die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit sind nicht gegeben (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Im übrigen ist die Revision in ihrer Rechtsrüge berechtigt.

Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz (Tagsatzung vom 23.10.1995, AS 195, 197) vorgebracht, daß Zweifel im Kausalitätsbereich sich ausschließlich darauf gründen könnten, daß die Beklagte ihre nach dem ÄrzteG und aus dem Behandlungsvertrag bestehende Pflicht zur umfassenden und nachvollziehbaren Dokumentation des gesamten Behandlungsverlaufes mehrfach und somit gröblich verletzt habe; die Kausalität sei daher selbst im Zweifel im Hinblick auf die gegebene hohe Wahrscheinlichkeit zu unterstellen, sofern von der Beklagten nicht der Gegenbeweis erbracht wird.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger verstoße mit seinem Vorbringen in der Berufung, die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Führung der Krankengeschichte und Dokumentation des Behandlungsverlaufes nicht nachgekommen, gegen das Neuerungsverbot, ist somit unzutreffend.

Das erstgerichtliche Urteil enthält jedoch zur Dokumentation des Behandlungsablaufs durch die Beklagte keine Feststellungen. Dies stellt einen Feststellungsmangel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung dar. Der Arzt ist nämlich verpflichtet, den Operationsverlauf zu dokumentieren (SZ 67/9; 1 Ob 550/84= KRSlg 688; Harrer in Schwimann, ABGB2, Rz 52 zu § 1300). Die ärztliche Dokumentation stellt nicht nur eine interne Gedächtnisstütze des Arztes dar, die er führen kann oder auch nicht, sondern wird im Rahmen der ordnungsgemäßen Erfüllung des abgeschlossenen Behandlungsvertrages geschuldet. Der Umfang der Dokumentationspflicht bestimmt sich weitgehend nach ihren Zwecken, das sind Therapiesicherung, Beweissicherung und Rechenschaftslegung (Uhlenbruck in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechtes Rz 5 zu § 59). Alle wesentlichen diagnostischen Ergebnisse und therapeutische Maßnahmen haben in der Dokumentation enthalten zu sein, sie müssen, sollen sie ihren Zwecken gerecht werden, spätestens zum Ende des einzelnen Behandlungsabschnittes aufgezeichnet zu sein (Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechtes Rz 3 zu § 111). Verletzt der Arzt seine Dokumentationspflicht, hat dies im Prozeß beweisrechtliche Konsequenzen, die dazu führen, daß dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokumentationspflichtverletzung entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt, um auch für die Prozeßführung eine gerechte Rollenverteilung im Arzt-Patienten-Verhältnis zu schaffen. Diese Beweiserleichterung greift insoweit, als sie etwa die Vermutung begründet, daß eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt auch nicht getroffen worden ist (SZ 67/9 mwN; [siehe dazu auch Giesen, Arzthaftungsrecht4 373 FN 349] Harrer aaO), sodaß daraus der Schluß auf einen ärztlichen Kunstfehler gezogen werden könnte (vgl Laufs aaO Rz 8 zu § 111; Giesen aaO). Das Fehlen von Feststellungen, ob und in welchem Umfang die Beklagte ihrer Dokumentationspflicht nachgekommen ist, hindert daher eine abschließende rechtliche Beuteilung. Das Erstgericht spricht nämlich, was die Folgen (Komplikationen) der Erstbehandlung vom 21.12.1992 betrifft, ausdrücklich unter Hinweis auf die Beweislast des Klägers von einem non liquet, da weder das Vorliegen noch das Nichtvorliegen einer (primären) Fehlbehandlung habe bewiesen werden können. Aus diesem Grund sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, um dem Erstgericht das Nachholen von Feststellungen zu ermöglichen, auf deren Grundlage eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten durch mangelhafte Dokumentation beurteilt werden kann.

Soweit die Revision auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes bekämpft, daß den Kläger ein Mitverschulden von 50 % treffe, kommt ihr hingegen keine Berechtigung zu.

Den geschädigten Patienten trifft die Obliegenheit, an den Heilungsbemühungen seines Arztes mitzuwirken. Aus diesem Grunde ist der Patient auch zur Schadensbegrenzung verpflichtet und deshalb dazu, alles ihm Zumutbare zu tun, um nach Eintritt eines behandlungsbedingten Schadenfalls eine Ausuferung der Schadenentwicklung einzudämmen (Giesen, Arzthaftungsrecht4 Rz 48). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist dem Kläger sein Verhalten, nämlich seine Weigerung nach der Operation, den bereits vereinbarten Termin für den darauffolgenden Tag zur Nachbehandlung wahrzunehmen und ungeachtet der aufgetretenen Komplikationen nicht, wie ihm von der Beklagten aufgetragen und angeraten wurde, den Notarzt oder eine Zahnklinik aufzusuchen, als einleitende Fahrlässigkeit, welche die im Zuge der Nachbehandlung entstandenen Schmerzen schuldhaft mitverursacht hat, anzurechnen. Dieses Fehlverhalten des geschädigten Patienten muß unter Anwendung des § 1304 ABGB entsprechend berücksichtigt werden (vgl Harrer in Schwimann, ABGB2, Rz 2 zu § 1304 mwN). Gegen die Annahme eines gleichteiligen Verschuldens bestehen auf Grundlage des hier von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts keine Bedenken, zumal das Verhalten des Klägers, der nach Auftreten von Komplikationen keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, besonders nach der ihm von der Beklagten erteilten Belehrung als krasse Sorgfaltsverletzung beurteilt werden muß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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