Spruch:
Die Wirkungen der grundbücherlichen Einverleibung eines Bestandvertrages erschöpfen sich darin, daß auch jeder spätere Erwerber der Liegenschaft entgegen der sonst geltenden Regel des § 1120 ABGB. an den einverleibten Bestandvertrag gebunden bleibt. Eine allgemein dingliche Wirkung gegenüber anderen Personen kommt der Einverleibung des Bestandrechtes nicht zu.
Entscheidung vom 26. April 1950, 3 Ob 209/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Prozeßgericht hat in Stattgebung des Klagebegehrens die Beklagten verurteilt, die von ihnen gemietete Wohnung den Klägern binnen 14 Tagen bei Exekution geräumt zu übergeben.
Das Berufungsgericht hat über Berufung der Beklagten dieses Urteil abgeändert und das Klagebegehren abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist unbestritten, daß die Kläger Miteigentümer des Hauses sind, daß sie in diesem Hause eine Wohnung gemietet hatten und daß ihr Bestandrecht grundbücherlich einverleibt ist. Die Vorinstanzen haben festgestellt, daß die Beklagten am 6. Mai 1941 einen Mietvertrag bezüglich der in der Klage angeführten, früher von den Klägern benützten Wohnung mit dem von den Eigentümern des Hauses bevollmächtigten Hausverwalter abgeschlossen haben.
Die Revision erblickt einen Verfahrensmangel darin, daß das Berufungsgericht Feststellungen darüber, daß die Kläger an der Bildung des Verwaltungsausschusses hinsichtlich des Hauses teilgenommen und an der Erteilung der Vollmacht an den Hausverwalter mitgewirkt haben, nicht getroffen habe. Dieser Vorwurf ist nicht begrundet, weil die Kläger im Verfahren erster Instanz Behauptungen in dieser Richtung nicht aufgestellt und auch nicht bestritten haben, daß sie zusammen mit den übrigen Hauseigentümern dem Dr. K. eine Vollmacht als Hausverwalter ausgestellt haben.
Auch der in der Revision erhobenen Rechtsrüge kann eine Berechtigung nicht zuerkannt werden. Da festgestellt ist, daß die Beklagten den Mietvertrag vom 6. Mai 1941 mit dem Hausverwalter abgeschlossen haben, hat das Berufungsgericht mit Recht ausgesprochen, daß die Kläger diesen Mietvertrag gegen sich gelten lassen müssen. Zufolge der Bestimmung des § 1017 ABGB. stellt der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber dar. Es ist daher die Sache so zu beurteilen, als ob die Kläger selbst den Mietvertrag am 6. Mai 1941 mit den Beklagten geschlossen hätten. Die grundbücherliche Einverleibung des Bestandrechtes der Kläger steht der Gültigkeit des Mietvertrages vom 6. Mai 1941 nicht entgegen. Die Wirkungen der grundbücherlichen Einverleibung eines Bestandvertrages ergeben sich aus den §§ 1095 und 1121 ABGB. und erschöpfen sich darin, daß nicht nur der derzeitige Eigentümer der Liegenschaft, sondern auch jeder spätere Erwerber entgegen der sonst geltenden Regel des § 1120 ABGB. an den einverleibten Bestandvertrag gebunden bleibt. Eine allgemein dingliche Wirkung gegenüber anderen Personen kommt der Einverleibung des Bestandrechtes nicht zu (siehe Klang, Kommentar zu § 1095 ABGB., Bartsch, Grundbuchsgesetz, S. 325, E. v. 3. Dezember 1936, 1 Ob 1123/36, RZ. 1937, S. 53).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)