OGH 3Ob207/98g

OGH3Ob207/98g21.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard H*****, vertreten durch Mag. Siegfried Riegler und Mag. Jasmine Riegler, Rechtsanwälte in Knittelfeld, wider die beklagte Partei Rudolf Alfred K*****, vertreten durch Heinrich & Seifried Rechtsanwaltspartnerschaft in Judenburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 23. April 1998, GZ 1 R 75/98s-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Judenburg vom 16. Jänner 1998, GZ 4 C 4/97y-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer angrenzender Liegenschaften.

Am 24. 3. 1960 schlossen die Rechtsvorgängerin des Beklagten sowie Peter M***** zu GZ C 15/60 des Bezirksgerichtes Oberzeiring einen Vergleich, dessen Punkt 2. lautete:

"Der Beklagte [Peter M*****] und seine Rechtsnachfolger verpflichten sich dagegen zu folgendem:

a) Die strittigen Eigentumsverhältnisse am Vorplatze der ostseitigen Mauer des Hauses O*****, Markt Nr 14, werden verbindlich bereinigt, daß die Klägerin das alleinige Eigentum an dem bisher strittigen Streifen vor der ostseitigen Mauer bis auf einen Streifen, der sich aus der Verlängerung des Dachfirstes bis zum Boden ergibt, erwirbt...

c) Der Beklagte und seine Rechtsnachfolger verpflichten sich des weiteren, den Hof des Hauses Oberzeiring, Markt Nr 31, in Zukunft nicht mehr zu betreten bzw Benützungsrechte irgendwelcher Art daran zu beanspruchen. Ausgenommen hievon sind das Auftreten notwendiger Reparaturen an der Ostwand seines Hauses bzw am Dache desselben."

Unter Punkt 6.) dieses Vergleiches wird noch angeführt, daß Margarethe M***** Mitbesitzerin des Beklagten ist und deshalb dem Vergleich vollinhaltlich beitritt.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 4. 2. 1997, (GZ 11 E 1050/97-2; früheres AZ 4 E 133/97z), wurde dem Beklagten gegen den Kläger aufgrund dieses Vergleiches die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung des unbefugten Betretens, der Benützung und des Aufenthaltes im Hofe des Hauses O*****, Hauptstraße Nr 17, früher Markt Nr 31, gemäß § 355 EO bewilligt und über den Kläger eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- verhängt.

Mit seiner ausdrücklich auf § 35 EO gestützten Klage begehrte der Kläger, diese Exekution für unzulässig zu erklären. Darin brachte er vor, daß es sich beim gerichtlichen Vergleich um eine Judikatschuld handle. Das Recht des Beklagten sei infolge der langjährigen Nichtausübung erloschen. Außerdem sei die Vorgangsweise des Beklagten als schikanös zu betrachten, da er hinsichtlich des von ihm behaupteten Vorfalles selbst keine unmittelbaren Wahrnehmungen gemacht habe und somit aus einer reiner Mutmaßung heraus erfolgt sei. Überdies sei der gegenständliche Innenhof bis zum Jahr 1993 von den Streitteilen gemeinsam benützt worden.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Das Ehepaar M***** habe bis zum Verkauf seiner Liegeschaft an den Kläger mit Kaufvertrag vom 8. 4. 1975 den Hof nicht mehr benützt und auch keinen Schlüssel zum Hoftor gehabt. Die Verkäufer hätten dem Kläger erklärt, daß zum Kaufobjekt nur mehr der Grund bis zur Dachtraufe gehöre. Der Exekutionstitel sei keinesfalls verjährt. Das Recht auf Alleinbenützung des Hofes sei von den Rechtsvorgängern des Beklagten und ihm selbst seit 1960 ständig ausgeübt worden.

Das Erstgericht gab der Klage statt, wobei es den Spruch umformulierte. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus, daß es schon in seiner Exekutionsbewilligung darauf hingewiesen habe, daß allfällige Verjährungseinreden nicht von Amts wegen berücksichtigt werden könnten, diese vielmehr einer Klage nach § 35 EO vorbehalten blieben. Der vorliegende Exekutionstitel sei ein gerichtlicher Vergleich, der nach ständiger Rechtsprechung einem Urteil gleichzustellen sei. Das Recht, ein gerichtliches Urteil zu vollstrecken, verjähre innerhalb der langen Verjährungsfrist gerechnet ab Rechtskraft des Urteils, gleichgültig welche Verjährungsfrist für den erfolgreich geltend gemachten Anspruch bestehe. Hemmungs- oder Unterbrechungsgründe seien nicht ersichtlich und seien auch nicht behauptet worden. Lediglich Exekutionsanträge hätten die Verjährung unterbrochen. Daher sei die Judikatsschuld seit dem Jahre 1990 verjährt. Aus diesem Grunde erübrige sich, auf die Einwendung der Schikane einzugehen.

Über Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht diese Entscheidung in eine Klagsabweisung ab.

Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen pflichtete es der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei, daß entsprechend der JMV RGBl 1858/105 Ansprüche, die durch rechtskräftiges Urteil zugesprochen oder durch die Exekution begründenden "Vertrag oder Vergleich" anerkannt seien, unabhängig von ihrer ursprünglichen Beschaffenheit immer der 30- oder 40-jährigen Verjährungsfrist unterlägen. Nach diesen zunächst für Leistungsurteile geltenden Grundsätzen beginne die Verjährung mit Eintritt der Rechtskraft. Die 30-jährige Verjährungsfrist beginne aber hier nicht mit dem Tage des Vergleichsabschlusses. Nach dem zweiten Satz des § 1478 ABGB setze die Verjährung den Nichtgebrauch eines bestehenden verjährbaren Rechtes voraus, "das schon hätte ausgeübt werden können", und dazu den Ablauf der Verjährungsfrist. Nichtgebrauch bedeute entweder die Unterlassung der materiellen Rechtsausübung oder Unterlassung der Klage. Beginne aber die Verjährung grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in dem das Recht zuerst hätte ausgeübt werden können, so könne dies bei Unterlassungsansprüchen nur jener Zeitpunkt sein, in dem objektiv ein dem Recht widersprechender Zustand gegeben sei (Mader in Schwimann ABGB2 § 1478 Rz 4; Klang in Klang V 600, auch unter Verweisung auf das BGB).

Der Erwerb der Baufläche Münzgasse 4 mit Kaufvertrag vom 18. 4. 1975 durch den Kläger stelle keinen Streitpunkt dar. Er könne daher frühestens im Jahr 1975 gegen den Vergleich vom 24. 3. 1960 verstoßen und Störungshandlungen gesetzt haben. Selbst wenn man nun davon ausginge, dies wäre geschehen, wäre der Anspruch aus dem Vergleich bei der am 13. 1. 1997 beantragten Exekutionsführung noch nicht erloschen gewesen. Ein Vorbringen dahin, daß der Kläger oder dessen Voreigentümer vor dem Kauf im Jahre 1975 durch Benützung des Hofes in die Rechte des Beklagten oder seiner Rechtsvorgänger eingegriffen hätte, sei nicht erstattet worden. Es sei daher entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz davon auszugehen, daß der Anspruch aus dem Vergleich vom 24. 3. 1960 noch nicht erloschen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,-- übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil es an einer höchstgerichtlichen Judikatur zur Frage der Verjährung eines Unterlassungstitels mangle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit der sie die Abänderung des Berufungsurteiles dahin begehrt, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, daß die seinerzeitige vergleichsweise Regelung auf die jeweiligen Rechtsnachfolger übergegangen sei. Das Berufungsgericht übersehe aber den besonders gelagerten Fall, wonach hier keiner der seinerzeitigen Partner des Vergleichsabschlusses nunmehr beteiligt sei. Es könnten daher auf keine Weise mehr Feststellungen über den Beginn einer allfälligen Frist getroffen werden. Es könne daher bezogen auf den Vergleich nur auf die objektive Möglichkeit der Durchsetzbarkeit desselben zurückgegriffen werden, was mit der Rechtskraft im Jahr 1960 anzusetzen sei. Die Abstellung auf eine subjektive Möglichkeit, den Vergleich durchzusetzen, sei nicht richtig, da bei einer konsequenten Fortsetzung dieser Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes für einen allfälligen weiteren Rechtsnachfolger die Frist wiederum von neuem zu laufen beginne. Dadurch würden sämtliche gesetzliche Bestimmungen über die Verjährung unanwendbar.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Da der Kläger auf eine angeblich schikanöse Rechtsausübung durch den Beklagten in der Revision nicht mehr zurückkommt, ist darauf nicht weiter einzugehen.

Auch der Kläger stellt nicht in Frage, daß die sich aus dem gerichtlichen Vergleich vom 24. 3. 1960 ergebende Unterlassungsverpflichtung auf ihn übergegangen ist. Es ist somit allein zu prüfen, ob er sich zu Recht auf die Verjährung derselben berufen hat.

Wie sich aus § 1478 ABGB ergibt, erfordert die Verjährung außer dem Ablauf der Verjährungsfrist lediglich den Nichtgebrauch des Rechts. Die Verjährung kann aber erst beginnen, wenn das Recht "an sich schon hätte ausgeübt werden können". Nach Klang (in Klang2 V 600) beginnt daher die "Klagenverjährung" in der Regel mit dem Zeitpunkt, in welchem Klage erhoben werden kann, wobei bei Ansprüchen auf Unterlassung ein dem Rechte widersprechender Zustand Voraussetzung der Klagsmöglichkeit sei. Nach Gschnitzer/Faistenberger/Barta (Allgemeiner Teil2 839) beginnt die Verjährung bei Unterlassungen mit dem Zuwiderhandeln. Schubert (in Rummel2 Rz 2 zu § 1478) schließt sich der Formulierung von Gschnitzer, Mader (in Schwimann ABGB2 Rz 4 zu § 1478) jener von Klang an. Diese Lehre entspricht auch dem allgemeinen Grundsatz, daß die Verjährung mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in welchem das Recht zuerst hätte ausgeübt werden können (Koziol/Welser I10 185). Hat der Gläubiger keine Möglichkeit gegen den Schuldner vorzugehen, dann ist kein Ausgangspunkt für den Beginn der Verjährung vorhanden (vgl BGHZ 59, 72, 74). Vom Obersten Gerichtshof wurde bereits in den Entscheidungen SZ 28/94 und 1 Ob 642/89 (allerdings im Zusammenhang mit § 1488 ABGB) klargestellt, daß auch bei Servituten, die nur ein Unterlassen zum Gegenstand haben, die Verjährung dann beginnt, wenn auf dem dienenden Grundstück der Verpflichtung zuwidergehandelt wird. Auch nach § 198 Satz 2 BGB beginnt die Verjährung bei Ansprüchen auf ein Unterlassen mit der Zuwiderhandlung. Der Revisionswerber mißversteht die völlig zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wenn er meint, nach dessen Auffassung müsse bei jedem neuen Rechtserwerb die Verjährungsfrist von neuem zu laufen beginnen. Vielmehr wollte das Berufungsgericht offenbar (wiederum zu Recht) nur zum Ausdruck bringen, daß der Kläger seiner ihm gemäß § 1501 ABGB obliegenden Behauptungs- und Beweislast (vgl dazu Mader aaO Rz 1 zu § 1501 mN) nicht nachgekommen sei, ein bereits mehr als 30 Jahre vor Exekutionsführung zurückliegendes Zuwiderhandeln zu behaupten. Allerdings konnte durch die Betonung des Zeitpunktes des Kaufvertrages, mit dem der Kläger seine Liegenschaft erworben hat, der falsche Eindruck erweckt werden, auf diesen Zeitpunkt komme es rechtlich an, was aber gemäß § 1483 Satz 2 ABGB keineswegs der Fall ist. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichtes ist somit lediglich die - nunmehr in der Revision ausdrücklich bestätigte - Vermutung abzuleiten, der Kläger sei nicht in der Lage, Behauptungen über ein Zuwiderhandeln seiner Rechtsvorgänger aufzustellen. Damit konnte aber, da sein eigener Erwerb weitaus weniger als 30 Jahre zurückliegt, die ordentliche Verjährungsfrist keinesfalls abgelaufen sein.

Nur der Ordnung halber sei darauf hingewiesen, daß sich der Kläger, was im Hinblick auf den nach dem Vergleich zu seiner eigenen Liegenschaft gehörenden Hofteil möglich gewesen wäre, nicht auf die sogenannte "Freiheitsersitzung" des § 1488 ABGB berufen hat, die bereits innerhalb von drei Jahren nach dem Widersetzen vollendet wäre.

Am gewonnenen Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, daß die Unterlassungsverpflichtung nicht in einem bloß außergerichtlichen, sondern in einem gerichtlichen Vergleich übernommen wurde. Nach dem JME RGBl 1858/105 verlängert sich lediglich für solche Forderungen, die innerhalb kürzerer als der 30-jährigen Verjährungsfrist verjähren würden, bei der Judikatsschuld die Verjährungsfrist auf die Dauer der ordentlichen. Auch diese Regelung findet ihr Pendant im deutschen Recht (§ 218 BGB). Berücksichtigt man, daß nach dieser Regel die Verjährungsfrist verlängert werden soll, dann wäre es widersinnig anzunehmen, eine durch Urteil oder gerichtlichen Vergleich etc "anerkannte" Unterlassungsverpflichtung würde früher verjähren als eine gleichartige, die bloß zwischen den Parteien vereinbart worden wäre. Solches würde sich nämlich ergeben, nähme man die Ausführungen in der Lehre ernst, die Verjährungsfrist bei der Judikatsschuld laufe (in jedem Fall) ab der Rechtskraft des Urteils (so Schubert aaO Rz 7 zu § 1478 und Mader aaO Rz 18 zu § 1478) oder ab der Entscheidung (Koziol/Welser aaO 187). Diese Autoren lassen zunächst schon außer acht, daß schon nach dem allgemeinen Grundsatz des § 1478 ABGB bei Leistungsansprüchen Voraussetzung für den Verjährungsbeginn die Fälligkeit ist (so zutreffend Mader aaO Rz 3 zu § 1478 und Schubert aaO Rz 2 zu § 1478). Demnach kann auch bei der Judikatsschuld vor Fälligkeit die (lange) Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen. Aus denselben Erwägungen kann auch bei solchen Judikatsschulden, die ein Unterlassen zum Gegenstand haben, die Verjährung (hier der Vollstreckbarkeit) nicht vor einem Zuwiderhandeln des Verpflichteten beginnen (vgl die hdL, Nachweise bei Frank Peters in Staudinger; BGB13 Rz 12 zu § 218 und BGHZ 59, 72, 74 f).

Kann aber der Kläger, wie er in der Revision einräumt, kein den Verjährungsbeginn auslösendes Zuwiderhandeln behaupten, das länger als 30 Jahre vor dem Exekutionsantrag liegt, stellt sich in concreto nicht die Frage, ob ihm (aufgrund einer allenfalls überraschenden Rechtsansicht) Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen gegeben werden müßte.

Demnach hat das Berufungsgericht die Oppositionsklage zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50 und 41 ZPO.

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