OGH 3Ob187/00x

OGH3Ob187/00x20.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene S*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Engelhart, Dr. Reininger Rechtsanwälte OEG und Mag. Daniel Lampersberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 26. April 2000, GZ 18 R 79/00x-17, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 11. Februar 2000, GZ 10 C 6/99a-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

22.725 (darin enthalten S 3.787,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei, deren Sitz nicht im Sprengel des Erstgerichtes liegt, betreibt beim Erstgericht aufgrund eines vollstreckbaren Notariatsaktes zur Hereinbringung einer Forderung von S 1,000.000 sA ein Exekutionsverfahren auf Zwangsversteigerung einer Liegenschaft der Klägerin. Die Klägerin begehrt mit der am 8. 7. 1999 eingebrachten Klage das Urteil, diese Exekution sei unzulässig. Hiezu wird vorgebracht, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Notariatsaktes, mit dem sie sich zur ungeteilten Hand mit ihrem Sohn zur Tilgung zweier Kredite verpflichtet habe, sei der beklagten Partei bekannt gewesen, dass sie nur ein Pensionseinkommen beziehe, das zum Teil gepfändet werde, und dass ihr Sohn zur Rückzahlung der Kredite nichts beitragen könne, weil er überschuldet sei. Die beklagte Partei habe ihren mangelnden Sachverstand, die Uninformiertheit und mangelnde Einsichtsfähigkeit sowie mangelnde Aufklärung - sie sei 67 Jahre alt gewesen - ausgenützt. Sie habe kein eigenes wirtschaftliches Interesse an den Krediten. Es sei ihr von der beklagten Partei mitgeteilt worden, dass die Unterfertigung des Notariatsaktes mit keinen Konsequenzen verbunden sei, weil tatsächlich ihr Sohn die Rückzahlungen leiste; dieser habe jedoch bislang keine Zahlungen geleistet.

Das Erstgericht beraumte die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 17. 9. 1999 an. Die beklagte Partei brachte am 15. 9. 1999 (voraus mit Fax am 13. 9. 1999) einen vorbereitenden Schriftsatz ein, in dem sie Sachvorbringen erstattete. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 17. 9. 1999 erhob sie vor Vortrag dieses Schriftsatzes die Einrede der Unzuständigkeit des Erstgerichtes, weil mit dieser Klage nicht bloß formal der Notariatsakt bekämpft, sondern die Nichtigkeit des Notariatsaktes deshalb behauptet werde, weil die beklagte Partei das Darlehen nicht hätte zuzählen dürfen.

Das Erstgericht erklärte sich für unzuständig und wies die Klage zurück. Zur Begründung führte es aus, § 35 EO scheide zur Begründung der Zuständigkeit schon deshalb aus, weil hier keine Einwendungen erhoben würden, die erst nach dem Exekutionstitel entstanden seien. Es würden aber auch nicht Mängel geltend gemacht, welche die Fälligkeit, die Vollstreckbarkeit oder die Rechtsnachfolge oder das Fehlen des Aufwertungsanspruchs betreffen. Auch werde kein dauernder oder vorübergehender Verzicht auf Einleitung oder Fortsetzung der Exekution behauptet. Für vollstreckbare Notariatsakte sei in Art XVII EGEO eine eigene Klage vorgesehen, deren Gegenstand aber nur die Bestreitung der Exekutionskraft des Notariaktsaktes aus formellen Gründen sei. Hier fechte die Klägerin das im Notariatsakt beurkundete Rechtsgeschäft, ihr Schuldanerkenntnis, aus materiellen Gründen an; sie bestreite auch das rechtswirksame Zustandekommen des Notariatsaktes wegen sittenwidriger Begleitumstände, auch wegen Irreführung über die Konsequenzen, also wegen eines Willensmangels. Die Prüfung solcher Klagsbehauptungen bleibe Klagen nach § 39 Abs 1 Z 1 EO vorbehalten, für die das Exekutionsgericht nicht zuständig sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach herrschender Auffassung erfolge eine Heilung der Unzuständigkeit des Gerichtes im bezirksgerichtlichen Verfahren erst durch die qualifizierte Sacheinlassung des Beklagten bei der ersten mündlichen Streitverhandlung oder in einem vorher aufgetragenen Schriftsatz. Diese Auffassung liege auch der Entscheidung des Rekursgerichtes zugrunde. In 3 Ob 117/99y sei aber dazu bemerkt worden, dass in § 104 Abs 3 JN allerdings keineswegs von einem aufgetragenen Schriftsatz die Rede sei; vielmehr ergebe sich aus der Zitierung des § 74 ZPO im Zusammenhang mit dem Vorbringen zur Sache, dass es nicht auf das Vorbringen in der mündlichen Streitverhandlung ankommen könne. Demnach sei der dort dem Beklagten freigestellte Schriftsatz, in dem zur Sache vorgebracht wurde, einem aufgetragenen Schriftsatz gleichgesetzt worden. Da der Beklagte dabei von einem Rechtsanwalt vertreten gewesen sei, sei die allfällige Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes mangels darin erhobener Einrede als geheilt angesehen worden. In Fortsetzung dieses Gedankens ließe sich der Standpunkt vertreten, mit einem Vorbringen zur Sache - wie hier - in einem vorbereitenden Schriftsatz, möge er weder aufgetragen noch ausdrücklich freigestellt worden sein, erfolge eine (qualifizierte) Streiteinlassung, mit der die Unzuständigkeit im Sinn des § 104 Abs 3 JN im bezirksgerichtlichen Verfahren heile, wenn die Partei dabei durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei. Soweit überblickbar habe der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage noch nicht ausdrücklich Stellung bezogen; dass ihr über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, sei evident.

In der Sache führte das Rekursgericht aus, die Klage sei ihrem Inhalt nach den besonderen Klagen nach § 39 Abs 1 Z 1 ZPO zuzuordnen. Davon ausgehend habe das Erstgericht seine Zuständigkeit zu Recht verneint. Gemäß § 17 Abs 3 EO stehe dem Exekutionsgericht auch die Verhandlung und Entscheidung über alle im Laufe eines Exekutionsverfahrens und aus Anlass desselben sich ergebenden Streitigkeiten zu, sofern in der Exekutionsordnung nicht ein anderes Gericht dafür zuständig erklärt werde. Mit dieser individuellen Zuständigkeit des Exekutionsgerichtes solle vermieden werden, dass gewisse Prozesse von einem anderen als dem Exekutionsgericht geführt werden. Darunter seien solche Prozesse zu verstehen, in denen durch das Urteil bestimmt werde, ob und in welcher Weise die Exekution einschließlich der Verwertung und Verteilung durchzuführen sei; Prozesse, die den Lauf des Exekutionsverfahrens regeln, solle der Exekutionsrichter führen. Die vorliegende Klage ziele ihrem Vorbringen nach auf die Feststellung des Nichtbestehens des nach dem Notariatsakt vollstreckbaren Anspruchs; auf ein solches Feststellungsbegehren wäre das Klagebegehren richtigzustellen. Ein klagsstattgebendes Urteil würde zwar auch zur Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens führen, dieser Umstand mache die Klage aber noch nicht zu einer exekutionsrechtlichen Klage. Dies folge aus der bereits vom Erstgericht zitierten Entscheidung JBl 1998, 588.

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben und auch von der Klägerin im Revisionsrekurs nicht mehr konkret bestritten wird, ist das Exekutionsgericht für eine Klage, mit der wegen Sittenwidrigkeit des Notariatsaktes, der Exekutionstitel ist, die Unzulässigkeit der Exekution geltend gemacht wird, nicht zuständig. Die Zuständigkeit des Exekutionsgerichtes gemäß Art XVII EGEO gilt nur für Klagen, mit denen die Exekutionskraft des Notariatsaktes aus formellen Gründen bestritten wird (§ 4 NO), nicht aber auch für Klagen, mit denen das im Notariaktsakt beurkundete Rechtsgeschäft aus materiellen oder formellen Gründen angefochten wird (JBl 1998, 588 mwN). Es handelt sich dabei um eine besondere Klage mit der Wirkung des § 39 Abs 1 Z 1 EO, mit der materiellrechtliche Einwendungen gegen das Zustandekommen des Notariatsaktes geltend gemacht werden, und für die auch die Zuständigkeit des Erstgerichtes gemäß § 17 Abs 2 EO nicht gegeben ist (s bereits JBl 1998, 588 mwN). Ein solcher Fall liegt hier ungeachtet des Umstands vor, dass das Klagebegehren (unrichtig) auf den Anspruch gerichtet ist, eine bestimmte Exekution sei unzulässig.

Die Klägerin vertritt jedoch nach wie vor die Rechtsansicht, das Erstgericht sei dadurch gemäß § 104 Abs 3 JN zuständig geworden, dass die beklagte Partei Vorbringen zur Sache erstattet habe.

Hier hat die anwaltlich vertretene beklagte Partei im bezirksgerichtlichen Verfahren vor der ersten mündlichen Streitverhandlung einen nicht aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz erstattet, der nur Sachvorbringen, nicht jedoch eine Unzuständigkeitseinrede enthält. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erhob die beklagte Partei vor dem Vortrag dieses Schriftsatzes oder sonstigem Sachvorbringen die Unzuständigkeitseinrede.

Gemäß § 104 Abs 3 JN wird ein an sich sachlich oder örtlich unzuständiges Gericht auch dadurch zuständig, dass der durch einen Rechtsanwalt vertretene Beklagte zur Sache vorbringt (§ 74 ZPO) oder mündlich verhandelt, ohne die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben.

Im bezirksgerichtlichen Verfahren muss die Einrede grundsätzlich in der ersten mündlichen Streitverhandlung vor Einlassung in der Hauptsache erhoben werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stellt der schriftliche Einspruch der beklagten Partei gegen den Zahlungsbefehl im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren, selbst wenn er bereits ein Sachgegenvorbringen enthält, keine Streiteinlassung im Sinn des § 104 Abs 3 JN dar (JBl 1992, 331 [Pfersmann]; JBl 1998, 518 [abl König]; SZ 71/129).

Auch außerhalb des Mahnverfahrens stellen Handlungen im Vorfeld der Verteidigung, wie Mitteilungen und Anzeigen an das Gericht, Anregungen zum Ablauf des Verfahrens usw, etwa die bloße Bekanntgabe, für das Verfahren bevollmächtigt und in Kenntnis des Verhandlungstermins zu sein, keine zuständigkeitsbegründende Streiteinlassung dar (8 ObA 154/98z).

Im Zusammenhang mit einem Sachvorbringen, das in einem im bezirksgerichtlichen Verfahren eingebrachten Schriftsatz erstattet wurde, ohne die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben, hat der Oberste Gerichtshof eine Heilung der Unzuständigkeit aufgrund des § 104 Abs 3 JN bisher nur angenommen, wenn der Schriftsatz aufgetragen worden war (JBl 1998, 518). In der Entscheidung 3 Ob 117/99y, auf die das Rekursgericht verweist, wurde dies überdies für einen Schriftsatz angenommen, dessen Einbringung dem Beklagten zur Beantwortung eines dem Kläger aufgetragenen Schriftsatzes "freigestellt" wurde. Hiezu wurde unter Hinweis auf § 440 Abs 3 ZPO ausgeführt, dass es sich dabei trotz der Wortwahl des Erstgerichts um einen aufgetragenen Schriftsatz handle.

In der Lehre ergibt sich kein einhelliger Meinungsstand.

Simotta in Fasching, Kommentar**2 Rz 186 zu § 104 JN lehrt, die unprorogable sachliche oder örtliche Zuständigkeit und die prorogable internationale Unzuständigkeit könnten auch dadurch heilen, dass vom Rechtsanwalt oder Notar vor der ersten mündlichen Streitverhandlung ein vorbereitender Schriftsatz eingebracht wird.

In Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht5 wird in der Tabelle auf Seite 96 zum Zeitpunkt, zu dem ein Rechtsanwalt oder Notar die unporogable sachliche und örtliche Unzuständigkeit und die porogable internationale Unzuständigkeit spätestens geltend machen muss, im bezirksgerichtlichen Verfahren ein vorbereitender Schriftsatz vor der ersten mündlichen Streitverhandlung angeführt.

Mayr in Rechberger, ZPO**2 Rz 15 zu § 104 JN vertritt die Ansicht, auch einem (aufgetragenen oder freiwillig erstatteten) vorbereitenden Schriftsatz ohne Unzuständigkeitsrüge solle (im nationalen Recht) keine heilende Wirkung zukommen (so schon in ÖJZ 1995, 332).

Fasching, Lehrbuch**2 führt in Rz 1642 aus, die unprorogable Unzuständigkeit des Gerichtes heile erst durch qualifizierte Sacheinlassung bei der ersten mündlichen Streitverhandlung oder in einem vorher aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz (insofern übereinstimmend in Rz 203).

Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von den dargestellten Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Der Oberste Gerichtshof hat darin immer darauf abgestellt, ob der vorbereitende Schriftsatz aufgetragen oder doch zur Beantwortung eines aufgetragenen Schriftsatzes "freigestellt" wurde. Dafür, auch einem nicht aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz des Beklagten, der Sachvorbringen enthält, Präklusionswirkung zuzuerkennen, besteht keine Notwendigkeit. Eine derartige Auslegung des § 104 Abs 3 JN, dass auch durch Vorbringen zur Sache in einem weder aufgetragenen noch freigestellten Schriftsatz im bezirksgerichtlichen Verfahren eine Heilung der Unzuständigkeit erfolgen sollte, würde eine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung des Beklagten bewirken, der sein Vorbringen nicht erst in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung selbst, sondern zu deren besserer Vorbereitung bereits zuvor mit Schriftsatz erstattet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte