Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 768,24 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 128,04 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin befand sich als Kundin in einer Filiale der Beklagten, als sie durch die von innen geöffnete Tür einer Umkleidekabine an der rechten Hand im Bereich des Zeigefingers und des Mittelfingergelenks getroffen wurde. Die etwa 2,5 cm starke und 73 cm breite Kabinentür ist an der Außenseite angeschlagen. Sie reicht mit der Oberkante bis zu einer Höhe von 1,7 m und beginnt erst 30 cm über dem Boden. Fast über die gesamte Türhöhe ist an der Außenseite eine etwa 3 cm starke Eisenstange angebracht, die knapp 7 cm über die Holztür hinausragt und zum Öffnen der Kabinentür gedacht ist. Die Tür ist von innen extrem leicht zu öffnen, eine Sperrvorrichtung oder ein Schließmechanismus ist nicht vorhanden. Die Klägerin stand bei einem etwa 1,25 m von der Tür entfernten Verkaufsständer mit Verlängerungsstange und betrachtete die dort ausgestellten Schals und Tücher. Zwischen dem Schwenkbereich der Kabinentür und der Verlängerungsstange des Verkaufsständers blieb ein Freiraum von etwa 30 cm. Die Klägerin stand im Bereich der verlängerten linken Seitenwand der Kabine und in einer solchen Entfernung davon, dass sich ihre rechte Hand noch im Schwenkbereich der Kabinentür befand. Sie achtete nicht darauf, ob sich jemand in der Kabine aufhielt und wurde von der Öffnung der Tür überrascht.
Die Vorinstanzen wiesen das Schadenersatzbegehren der Klägerin mit der wesentlichen Begründung ab, der Beklagten sei keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten anzulasten. Diese dürften insbesondere nicht überspannt werden, um keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zu bewirken. Die von der Beklagten verwendeten Kabinentüren seien weder außergewöhnlich noch besonders gefährlich. Die Verletzung der Klägerin habe letztlich keine andere Ursache, als dass sie sich im Schwenkbereich der Tür aufgehalten habe. Es sei aber jedermann zumutbar, eine derartige Gefahrenquelle zu erkennen und ihr entsprechend zu begegnen. Die Klägerin hätte sich zum Verkaufsständer so hinstellen können, dass sie sich außerhalb des Schwenkbereichs der Kabinentür befunden hätte. Auf die Verletzung bestimmter in der Berufung erstmals angeführter Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung, des Bautechnikgesetzes und der Bautechnikverordnung habe sich die Klägerin in erster Instanz nicht berufen. Diese Schutzgesetze seien überdies nicht anwendbar bzw nicht verletzt worden.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (nachträglichen) Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Klägerin, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zum Schadenersatz anstrebt, nicht zulässig.
1. Die Auslegung des Parteienvorbringens und damit die Beantwortung der Frage, ob eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und begründet daher - vom Fall hier nicht vorliegender krasser Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044273). Das Zuwiderhandeln gegen bestimmte Schutzvorschriften muss schon in erster Instanz behauptet und unter Beweis gestellt werden (RIS-Justiz RS0027425).
2. Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RIS-Justiz RS0110202). Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht (= ohne genauere Betrachtung) erkennbar ist (RIS-Justiz RS0114360). Wann die Grenze der Zumutbarkeit weiterer oder erhöhter Verkehrssicherungspflichten erreicht oder überschritten ist, ist jeweils eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0111380). Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, sodass der berufungsgerichtlichen Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0029874). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte selbst leicht die von der nach außen öffnenden Tür ausgehende Gefahr erkennen und ihr entsprechend begegnen können (Aufenthalt außerhalb des Türschwenkbereichs), hält sich im Rahmen der Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung.
3. Das Berufungsgericht verneinte ungeachtet von Schutzzweck und Schutzbereich der Verordnung einen Verstoß gegen § 7 Abs 1 Z 5 Oö Arbeitsstättenverordnung für die Land- und Forstwirtschaft, LGBl 2005/5 (Oö AStV-LF), im Hinblick auf den offensichtlichen Sinn und Zweck einer Umkleidekabinentür, die eine Durchsicht in Augenhöhe gerade verhindern soll. Auch ein Verstoß gegen Z 2 leg cit sei nicht erkennbar. Diese Rechtsansichten bilden ebenso wenig eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung (die Revision vermag nicht darzulegen, warum eine Arbeitnehmerschutzbestimmung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft auf Sachverhalte in einem Geschäftslokal Anwendung finden sollte) wie die Qualifikation der Umkleidekabinentür als nach Bedachtnahme auf die jeweilige Verwendung, die Größe, die Lage, die Art und die Umgebung der baulichen Anlage § 19 Abs 1 Oö Bautechnikgesetz (LGBl 1994/676 Oö BauTG), entsprechend. § 36 Abs 1 Oö Bautechnikverordnung (LGBl 1994/106 Oö BauTV) verlangt einen mindestens 50 cm großen Seitenabstand von Verkaufsständen zu Ausgängen oder Türen. Da der Abstand der Kleiderstange von der Umkleidekabinentür mehr als 1 m betrug, kann von einer Verletzung dieser Bestimmung von vornherein keine Rede sein.
4. Da die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, war ihre Revision zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat die Klägerin der Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
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