Spruch:
§ 171 ABGB. auf eheliche Kinder nicht anwendbar.
Entscheidung vom 17. Mai 1950, 3 Ob 177/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die gleichlautenden untergerichtlichen Beschlüsse zurück.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Das Erstgericht wies den Antrag des Stadtjugendamtes Klagenfurt als Vormund der mj. ehelichen Kinder Karl, Helga, Heinz und Rudolf S. auf Feststellung des Versorgungsanspruches dieser Kinder gegen den Nachlaß nach ihrem Vater Karl Boromäus S. und Auferlegung dieses Versorgungsanspruches auf die übrigen Erben, nämlich die drei Kinder aus der ersten Ehe des Erblassers, in analoger Anwendung des § 171 ABGB. ab. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß mit nachstehender Begründung:
Gemäß § 171 Abs. 1 ABGB. geht nur die Verbindlichkeit, uneheliche Kinder zu verpflegen und zu versorgen, gleich einer anderen Schuld auf die Erben des Vaters über. Eine analoge Anwendung des § 171 ABGB. auf eheliche Kinder entspricht nicht der Absicht des Gesetzgebers und ist, da dem der klare Wortlaut des Gesetzes entgegensteht, unzulässig. Es steht außer Zweifel, daß der Gesetzgeber auch den ehelichen Kindern einen mangelnden Unterhaltsanspruch ausdrücklich zugebilligt hätte und im § 171 ABGB. nicht ausdrücklich nur die unehelichen Kinder erwähnt hätte, wenn dies in seiner Absicht gelegen wäre. Auf demselben Standpunkt steht auch die herrschende Praxis und Lehre. So betont Klang (Kommentar zum ABGB., zu § 171 ABGB., S. 939), daß der Unterhaltsanspruch nur der unehelichen, nicht auch der ehelichen Kinder gegen ihren Vater auch auf die Erben des Vaters übergehe und daß dieser Rechtssatz seine Begründung darin habe, daß das uneheliche Kind weder einen gesetzlichen Erbteil, noch einen Pflichtteil vom Vater erhalte. Auch Ehrenzweig (II/2, S. 284) führt aus, daß eheliche Kinder wohl Erb- und Pflichtteilansprüche haben, daß sie Unterhaltsansprüche gegen die Erben des Vaters aber nicht geltend machen können.
Der im Artikel "Logik und Gesetzauslegung" von Wolff in der ÖJZ. vom 28. Mai 1948, 3. Jahrgang, Heft 11, S. 243 vertretenen Auffassung kann nicht beigetreten werden, da eine sinngemäße Anwendung des § 171 ABGB. auf eheliche Kinder, wie oben ausgeführt, eine Überschreitung der dem Richter durch das Gesetz gesetzten Grenzen bedeuten würde. Der Verfasser des genannten Artikels legt seiner Rechtsansicht den Fall zugrunde, daß der Erblasser unversorgte eheliche und unversorgte uneheliche Kinder hinterläßt und daß daher nach § 171 ABGB. die unehelichen Kinder den gesamten Nachlaß aufzehren würden, während die ehelichen Kinder vollkommen leer ausgehen würden. Die Rechtsprechung ist sich darüber einig, daß in solchen Fällen auch auf die Versorgung der ehelichen Kinder Bedacht zu nehmen ist (E. v. 9. Dezember 1932, SZ. XIV/245). Nicht angängig ist es aber, ganz allgemein die klare gesetzliche Bestimmung des § 171 ABGB. durch das argumentum a minori einfach abzuändern. Die gegenteilige Ansicht, daß es dem Gesetzgeber klar gewesen sei, Versorgungsansprüche ehelicher Kinder gingen als Forderungen gegen den Nachlaß in der Befriedigung den Erbansprüchen voran, findet im Gesetz keine Begründung.
Es mag im vorliegenden Fall zutreffen, daß die unversorgten vier Kinder aus der zweiten Ehe des Erblassers den drei versorgten Kindern aus der ersten Ehe gegenüber benachteiligt sind, doch steht es dem Richter nicht zu, den klaren Wortlaut des Gesetzes bei Anwendung auf den einzelnen Fall abzuändern oder das Gesetz gegen den Willen des Gesetzgebers zu ergänzen.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vormundes der mj. ehelichen Kinder, der als Revisionsgrund offenbare Gesetzwidrigkeit geltend macht.
Zum Begriffe der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußstrG. gehört, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, daß die der Beurteilung unterzogene Frage im Gesetz selbst ausdrücklich und in so klarer Weise gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Hievon kann aber im vorliegenden Falle keine Rede sein.
Die Ausführungen des Revisionsrekurses sind nicht geeignet, nachzuweisen, in welcher Hinsicht durch die Entscheidung der Untergerichte eine offenbare Gesetzesverletzung erfolgt wäre. Der Oberste Gerichtshof verweist auf die durchaus zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses, dem lediglich folgendes hinzugefügt werden soll: Der Revisionsrekurswerber vermeint, der Versorgungsanspruch der ehelichen Kinder gegen ihre Eltern sei nicht als eine höchstpersönliche Verpflichtung anzusehen, so daß sie mit dem Tode keineswegs erlösche. Es könne deshalb angenommen werden, daß eine Bestimmung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, wonach auch eheliche Kinder beim Tode des Vaters aus dessen Nachlaß zu versorgen sind, deshalb nicht aufgenommen wurde, weil eine derartige Bestimmung für überflüssig angesehen und der Übergang der Versorgungspflicht des Vaters auf dessen Nachlaß für selbstverständlich gehalten wurde. Mit diesen Ausführungen gibt der Revisionswerber selbst zu, daß das Gesetz eine positive Regelung hinsichtlich des Überganges des Versorgungsanspruches ehelicher Kinder auf den Nachlaß seiner Kinder nicht enthält, weshalb den Untergerichten eine offenbare Gesetzesverletzung gar nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.
Der außerordentliche Revisionsrekurs war deshalb mangels der
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