Normen
ABGB §7
ABGB §540
Dritte Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch §63
Deutsches bürgerliches Gesetzbuch §2339
Strafgesetz §85 lita
Strafgesetz §§134 ff
StPO §47
StPO §67
ABGB §7
ABGB §540
Dritte Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch §63
Deutsches bürgerliches Gesetzbuch §2339
Strafgesetz §85 lita
Strafgesetz §§134 ff
StPO §47
StPO §67
Spruch:
Personen, die gegen den Vater des Erblassers, nicht aber gegen diesen selbst ein Verbrechen begangen haben, sind nicht erbunwürdig im Sinne des § 540 ABGB., mögen auch durch das Verbrechen privatrechtliche Interessen des Erblassers, wie Unterhaltsansprüche, berührt worden sein.
Entscheidung vom 17. Jänner 1951, 3 Ob 17/51.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Die Beklagte wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen G. als Standgericht vom 4. August 1936 wegen Verbrechen des bestellten Gattenmordes nach den §§ 5, 134, 135 Z. 1 und 3 StG., begangen an ihrem Ehegatten Josef F. d. Ä., und wegen Verbrechens nach § 85 lit. a StG. zum Tode verurteilt; die Todesstrafe wurde am 4. August 1936 durch einen Gnadenakt des Bundespräsidenten in die Strafe des lebenslangen schweren Kerkers umgewandelt, die die Beklagte derzeit verbüßt. Im Verlassenschaftsverfahren nach Josef F. d. Ä. erklärte die Beklagte, sich des Erbrechtes zu entschlagen und aus dem Ehepakt, zugleich Erbvertrag, vom 30. September 1921 keine Erbrechte oder sonstigen Ansprüche zu erheben. Auf Grund der bedingten Erbserklärung wurde sodann der Nachlaß nach Johann F. d. Ä. dem mj. ehelichen Sohne Josef F. d. J. eingeantwortet. Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. Juni 1948 wurde Josef F. d. J. tot erklärt und ausgesprochen, daß der 29. Jänner 1943 als jener Tag zu gelten habe, den der Verstorbene nicht überlebt habe. In dem beim Bezirksgericht O. anhängigen Abhandlungsverfahren nach Josef F. d. J., der keine Erklärung des letzten Willens hinterlassen hatte, gaben die Beklagte zum ganzen Nachlaß, die Kläger zu je 1/6 des Nachlasses nach Josef F. d. J. auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung ab. Die Erstklägerin ist ein uneheliches Kind der verstorbenen väterlichen Großmutter des Erblassers, die Kläger 2 bis 5 sind Enkel der väterlichen Großmutter des Erblassers aus deren erster Ehe. Den Klägern wurde vom Abhandlungsgericht eine Frist zur Einbringung der Klage wegen Feststellung der Erbunwürdigkeit der Beklagten erteilt. Sie begehren nunmehr in der vorliegenden Klage die Feststellung, daß die Beklagte nach ihrem am 29. Jänner 1945 verstorbenen Sohne Josef F. d. J. erbunwürdig sei, weil die Beklagte, um sich in den Besitz des Vermögens ihres Gatten Josef F d. Ä. zu setzen, diesen durch gedungene Mörder habe ermorden lassen, wodurch sie den Erblasser seines Vaters beraubt habe.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab, weil sich aus der Bestimmung des § 540 ABGB. eindeutig ergebe, daß nur derjenige unfähig sei, zu erben, der gegen den Erblasser ein Verbrechen begangen habe; die Beklagte habe aber nicht gegen den Erblasser, sondern gegen dessen Vater ein Verbrechen begangen. Die Bestimmung des § 7 ABGB. habe nur dann zur Anwendung zu kommen, wenn eine Gesetzeslücke vorliege, der Rechtsfall also im Gesetze nicht geregelt sei. Da aber die Fälle, die eine Erbunwürdigkeit zur Folge haben, im § 540 ABGB. bestimmt und deutlich aufgezählt seien, könne § 7 ABGB. nicht herangezogen werden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Es trat der Rechtsmeinung des Prozeßgerichtes bei, daß der gegenständliche Fall durch die Bestimmung des § 540 ABGB. geregelt und der Wortlaut dieser Bestimmung so klar sei, daß für die Anwendung des § 7 ABGB. kein Raum sei, weshalb auch der Hinweis der Berufung auf die Bestimmung der §§ 47 und 67 StPO. versagen müsse.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bereits die Gegenüberstellung der ursprünglichen Fassung des § 540 ABGB. mit dem durch § 63 der III. Teilnovelle geänderten, nunmehr in Geltung stehenden Wortlaut ergibt klar und eindeutig, daß nur derjenige, der gegen den Erblasser selbst eine strafbare Handlung begangen hat, die sich nach dem Strafgesetze als Verbrechen qualifiziert, erbunwürdig ist. Während § 540 ABGB. in seiner ursprünglichen Fassung denjenigen als erbunwürdig erklärt, der den Erblasser, dessen Kinder, Eltern oder Gatten aus bösem Vorsatz an Ehre, Leib oder Vermögen auf solche Art verletzt oder zu verletzen gesucht hat, daß gegen ihn von Amts wegen oder auf Verlangen des Verletzten nach den Strafgesetzen verfahren werden kann, ist nunmehr nur derjenige erbunwürdig, der gegen den Erblasser ein Verbrechen begangen hat. Schon dadurch, daß der Gesetzgeber durch die III. Teilnovelle die nächsten Angehörigen des Erblassers als Objekte der strafbaren Handlung des Erben ausgeschaltet hat, ergibt sich seine Absicht, nunmehr nur den als erbunwürdig zu beurteilen, der ein Verbrechen begangen hat, dessen Objekt der Erblasser selbst gewesen ist. Daß die Änderung der erwähnten Gesetzesstelle in dieser Absicht vom Gesetzgeber angeordnet wurde, besagen die Materialien zur III. Teilnovelle ausdrücklich. Die Begründung der kaiserlichen Verordnung über die III. Teilnovelle zum ABGB. (Verlag der Hof- und Staatsdruckerei, 1916) spricht aus, daß die im geltenden Rechte zu weit ausgedehnte Erbunwürdigkeit durch § 63 nunmehr eingeschränkt wird. Der Bericht der Kommission für Justizgegenstände über die Gesetzesvorlage, betreffend die Änderung und Ergänzung einiger Bestimmungen des ABGB. (78 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, XXI. Session, 1912), führt zu der in Rede stehenden Bestimmung der III. Teilnovelle aus: "Bei Beratung dieses Teiles des Entwurfes wurde vom Berichterstatter im Einvernehmen mit den Vertretern des Justizministeriums auf die Reformbedürftigkeit der Bestimmungen des § 540 ABGB. aufmerksam gemacht. Gegen diese sind bereits von Pfaff - Hoffmann, Exkurse II., 14 ff., ernste Bedenken erhoben und von Hanausek, 38 ff., die unerträglichen Übertreibungen nachgewiesen worden, zu denen diese über alle anderen Gesetzgebungen hinausgehende Norm führe, hauptsächlich aus zwei Gründen: 1. durch die Ausdehnung der unwürdig machende Handlungen, 2. durch die Weite des Kreises der Personen, deren Verletzung erbunwürdig macht. Die juristische Kommission kam deshalb zu dem Schlusse, es sei die Erbunwürdigkeit 1. auf Vergehungen gegen den Erblasser selbst zu beschränken (so wie DBGB. § 2339 und Schweizer Zivilgesetzbuch § 540), 2. auf die schwersten Verletzungen, das sind solche, die sich als Verbrechen im strafrechtlichen Sinne charakterisieren."
Da die beiden im Berichte herangezogenen Bestimmungen, nämlich § 2339 DBGB. und § 540 Schweizer Zivilgesetzbuch, von anderen, hier nicht in Betracht kommenden Voraussetzungen abgesehen, nur denjenigen als erbunwürdig erklären, der den Erblasser vorsätzlich oder widerrechtlich getötet oder zu töten versucht hat, so kann es auch aus diesem Gründe im Hinblick auf die ausdrückliche Verweisung auf diese Gesetzesbestimmungen in den Materialien keinem Zweifel unterliegen, daß der Sinn des § 63 der III. Teilnovelle zum ABGB. der war, nur denjenigen für erbunwürdig zu erklären, der gegen die Person des Erblassers selbst ein Verbrechen begangen hat, eine nach dem Strafgesetz als Verbrechen zu beurteilende strafbare Handlung, deren Objekt der Erblasser selbst gewesen ist, und die sich nach der Absicht des Täters gegen den Erblasser selbst gerichtet hat. Auch Ehner "Die Novellen zum ABGB.", S. 79, vertritt die gleiche Ansicht, indem er ausspricht, daß die in jeder Hinsicht zu weit gehenden früheren Bestimmungen über die Erbunwürdigkeit durch die III. Teilnovelle dahin eingeschränkt wurden, daß nur die schwersten Vergehungen (Verbrechen im Sinne des Strafgesetzes) gegen den Erblasser selbst, nicht auch gegen dessen Angehörige, in Hinkunft erbunwürdig machen. Auch Ehrenzweig gibt in seinem Werke "Die Zivilrechtsreform in Österreich. Verbesserungsvorschläge zu den Novellen", Manz'scher Verlag, 1918, zu, daß diese Auslegung richtig ist. Er schlägt allerdings eine neuerliche Änderung vor, da die gesetzliche Bestimmung zu Unbilligkeiten führen könne. Die nunmehrige Ansicht des gleichen Verfassers in seinem System des österreichischen allgemeinen Privatrechtes, Familien- u. Erbrecht, 1924, S. 372, ist nicht überzeugend, da ein schwerer Eingriff in das Gefühlsleben des Erblassers durch Tötung eines nahen Angehörigen zwar eine besonders empfindliche Kränkung des Erblassers, aber kein Verbrechen im Sinne des Strafgesetzes gegen den Erblasser darstellt. Auch Wolff, Bartsch und Swoboda führen für ihre, mit der vorerwähnten Ansicht Ehrenzweigs übereinstimmende Meinung keine stichhältigen Gründe, sondern nur Billigkeitserwägungen an, die jedoch an dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Gesetzesstelle und der oben angeführten Absicht des Gesetzgebers scheitern müssen. Der Oberste Gerichtshof schließt sich daher der Ansicht Lohsings und der von Weiss in Klang, 2. Aufl., zu § 540 ABGB., S. 99, angeführten Meinung an, nach welcher das Verbrechen sich gegen den Erblasser selbst, nicht aber gegen eine ihm nahestehende Person gerichtet haben muß, um den Verbrecher gemäß § 540 ABGB. des Erbrechtes unwürdig zu machen.
Da somit der Rechtsfall aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers entschieden werden kann, verbleibt für die Anwendung des § 7 ABGB. kein Raum.
Wenn die Revision zur Begründung ihrer gegenteiligen Meinung darauf verweist, daß durch ein Verbrechen mehrere Personen gleichzeitig, sei es in gleichartigen oder in verschiedenen Rechtsgütern, verletzt werden können, so muß ihr entgegengehalten werden, daß nach der Fassung des § 540 ABGB. und dem Sinn dieser Gesetzesstelle der Erblasser Objekt der strafbaren Handlung gewesen sein, die strafbare Handlung sich somit nach der Absicht des Täters gegen diesen gerichtet haben muß. Der Umstand, daß durch ein gegen eine bestimmte Person gerichtetes Verbrechen auch andere Personen in irgendwelchen Rechten verletzt wurden, macht den Täter diesen Personen gegenüber zwar nach den einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes schadenersatzpflichtig, nicht aber erbunwürdig. Gerade die Bezugnahme der Kommission für Justizgegenstände über die Gesetzesvorlage, betreffend die Änderung und Ergänzung einiger Bestimmungen des ABGB. auf den § 540 des Schweizer Zivilgesetzbuches und den § 2339 des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches, ergibt die Richtigkeit dieser Auffassung. Der Gesetzgeber wollte nur ganz schwere, gegen die Person des Erblassers selbst gerichtete Verfehlungen durch Ausschluß des Täters vom Erbrecht unter Sanktion stellen. Der Verlust des Unterhaltsanspruches gegen den Getöteten, der durch das Verbrechen verursacht wurde, berührt zwar die Rechtssphäre der unterhaltsberechtigten Kinder, Eltern oder des Ehegatten, stellt aber kein Verbrechen nach dem Strafgesetz gegen den Unterhaltsberechtigten dar; § 540 ABGB. verlangt aber ausdrücklich ein Verbrechen gegen den Erblasser. Von einem Trugschluß des angefochtenen Urteiles, der nach Meinung der Revision darin gelegen sein soll, daß das Urteil den Standpunkt vertrete, nach der neuen Fassung (§ 540) müsse das Verbrechen gegen den Erblasser begangen worden sein, Voraussetzung sei demnach die Verletzung seiner persönlichen Rechtssphäre, kann daher keine Rede sein, da es nach der mehrfach erwähnten Gesetzesbestimmung nicht darauf ankommt, ob ein Recht des Erblassers durch ein Verbrechen verletzt worden ist, sondern ob das Verbrechen im strafrechtlichen Sinne gegen den Erblasser begangen wurde.
Die in der Revision unternommene Heranziehung der Bestimmungen der §§ 47 und 67 StPO. zur Begründung ihres Standpunktes ist völlig verfehlt, da beide Gesetzesstellen mit der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage überhaupt nichts zu tun haben. § 47 StPO., der sich mit der Legitimation zum Einschreiten als Privatbeteiligter befaßt, besagt lediglich, daß ein durch ein Verbrechen in seinen Rechten Verletzter sich seiner privatrechtlichen Ansprüche wegen an dem Strafverfahren beteiligen könne; diese Gesetzesstelle spricht nicht von der Person, an der das Verbrechen begangen wurde, sondern räumt jedem, der durch ein - wenn auch an einer anderen Person - begangenes Verbrechen in seinen Privatrechten beeinträchtigt wurde, das Recht ein, seine privatrechtlichen Ansprüche, die er sonst nur im Zivilprozeß geltend machen könnte, bereits im Strafverfahren zu erheben. Die Bestimmung des § 67 StPO. hat den Zweck, jeden, der mit der strafbaren Handlung in irgendeinem Zusammenhang steht oder gegen den oder dessen Angehörige sich die strafbare Handlung in irgendeiner Form auswirkt, von der Vornahme gerichtlicher Handlungen im Strafverfahren gegen den Täter auszuschließen, um jeden Zweifel an der Unbefangenheit der einschreitenden Gerichtsperson zu beseitigen. Die ratio legis beider Bestimmungen der Strafprozeßordnung ist somit eine ganz andere als die des § 540 ABGB. und kann daher zur Auslegung der letzteren, klaren und eindeutigen Gesetzesstelle nicht herangezogen werden.
Die Ausführungen der Revision über die historische Entwicklung der Bestimmungen des § 540 ABGB. gehen ins Leere, da die Meinung der zitierten Autoren sich auf die ursprüngliche Fassung des § 540 ABGB. bezieht und für die Entscheidung des Rechtsfalles nur die derzeit geltende Fassung der bezogenen Gesetzesstelle in Betracht kommt. Die Ausführungen der Revision über die Bestimmungen des Schweizer Zivilgesetzbuches und des DBGB. über die Enterbungsgrunde setzen sich über die Tatsache hinweg, daß es sich bei der Entscheidung dieses Rechtsstreites nicht um Enterbungsgrunde, sondern um die Unfähigkeit, zu erben, wegen Erbunwürdigkeit handelt, eine Frage, die in den bezogenen Gesetzesstellen, wie bereits erwähnt, in eindeutiger, mit der Auffassung der Revision in Widerspruch stehender Weise geregelt ist. Das Gutachten von Dr. Otto Reismann zum zweiten deutschen Juristentag in der CSR., das eine Privatmeinung des Verfassers darstellt, kann zur Widerlegung der Rechtsansicht der Vorinstanzen schon deshalb nicht herangezogen werden, weil der Verfasser selbst der Meinung ist, es sei eine Änderung der bezogenen Gesetzesstelle durch Rückkehr zum ursprünglichen Wortlaut notwendig, woraus sich die Schwäche seiner Argumentation ergibt.
Wenn die Revision schließlich darauf verweist, daß § 540 ABGB. unbillige Folgen und Härten ergebe, so muß ihr entgegengehalten werden, daß das Gericht das bestehende Gesetz anzuwenden hat und daß es Sache der Gesetzgebung ist, unbillige Härten, die sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ergeben könnten, durch eine Gesetzesänderung zu beseitigen.
Die Rechtsansicht der Untergerichte, daß nach der Bestimmung des § 540 ABGB. das Verbrechen im strafrechtlichen Sinne gegen den Erblasser selbst gerichtet sein muß und daß im vorliegenden Falle das Klagebegehren deshalb unbegrundet ist, weil sich das Verbrechen der Beklagten nicht gegen den Erblasser gerichtet hat, beruht somit auf keinem Rechtsirrtum, weshalb der Revision der Erfolg versagt bleiben mußte.
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