OGH 3Ob172/12h

OGH3Ob172/12h17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.-Prof. Dr. M*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Scheuba, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, Deutschland, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Abtretung und Herausgabe des Nachlasses (75.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Juli 2012, GZ 12 R 47/12p-24, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Dezember 2011, GZ 16 Cg 59/11f-20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Frau G***** B***** ist am 22. Mai 2008 unter Hinterlassung einer handschriftlich verfassten letztwilligen Verfügung vom 15. April 1991 verstorben. Der erste Teil dieses Testaments lautet wie folgt, wobei die Einrückungen von der Erblasserin vorgenommen wurden:

„Mein Erbe über mein gesamtes bewegliches und unbewegliches Gut … ist mein

Gatte Herr E***** B*****, geboren am … in …, wohnhaft derzeit ….

Im Falle des gleichzeitigen Ablebens meines Mannes E***** B***** und mir verfüge ich, dass der gesamte Nachlass an meinen

Cousin R*****, wohnhaft ...

geht. Der Nacherbe ist der Sohn des Genannten,

Dr. M*****, wohnhaft

derzeit ebenfalls …

...

Meine Cousine … und deren Nachkommen sind von der Erbfolge gänzlich ausgeschlossen und ist daher jede Testamentsanfechtung rechtlich wirkungslos.“

Weitere Angaben im Testament sind für den Erbschaftsstreit ohne Relevanz.

Mit Beschluss vom 19. November 2008 hat das Verlassenschaftsgericht den gesamten Nachlass nach G***** B***** dem überlebenden Witwer eingeantwortet. Dieser verstarb am 6. Mai 2010. Der Nachlass nach ihm wurde mit Beschluss vom 11. April 2011 dem nunmehrigen Beklagten eingeantwortet. Der nunmehrige Kläger ist der im Testament genannte Sohn des Cousins von G***** B*****.

Das Erstgericht wies die auf Abtretung und Herausgabe des (letztlich) dem Beklagten eingeantworteten Nachlasses nach G***** B***** und auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts an zwei nachlasszugehörigen Liegenschaften ab. Aus dem Schriftbild und dem Inhalt des Testaments ergebe sich, dass sowohl die Ersatzerbschaft des Cousins als auch die Nacherbschaft zugunsten des Klägers nicht generell, sondern nur im Fall des gleichzeitigen Ablebens der Ehegatten B***** eintreten sollten. Darüber hinaus spreche auch die Zweifelsregel § 614 ABGB gegen die Annahme einer hier zum Zuge kommenden Nacherbschaft zugunsten des Klägers.

Das Berufungsgericht schloss sich den Rechtsausführungen des Erstgerichts an.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage geltend.

1. Die Auslegung eines strittigen Testaments hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen kommt dieser Frage regelmäßig keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS-Justiz RS0043463 [T12]).

Auch wenn die Nacherbschaft zugunsten des Klägers in dem den Kläger betreffenden Satz nicht verbal eingeschränkt wurde („Der Nacherbe ist ...“) und der gesamte erste Absatz - von den Einrückungen abgesehen - „in einem“ geschrieben wurde, ist die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung angesichts des Inhalts des Testaments, vor allem auch seines Schriftbilds nicht unvertretbar. Dass auch eine andere - nämlich die vom Kläger angestrebte - Auslegung denkbar ist, zeigt noch keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0042555 [T1]).

Auf die Zweifelsregel des § 614 ABGB kommt es - wie auch die Vorinstanzen bereits betont haben - nicht entscheidend an; auch Fragen der Beweislast stellen sich nicht.

2. Auch die Frage, ob aus dem Verhalten des Witwers eine Erbunwürdigkeit resultiert, kann nur einzelfallbezogen beantwortet werden (vgl RIS-Justiz RS0106221 [T2]). Die Vorinstanzen haben im Verhalten des Witwers keine Handlung erblickt, die in der Absicht geschehen sei, den Willen der Erblasserin nach ihrem Tod zu vereiteln. Diese Ansicht ist angesichts der gegebenen Umstände durchaus vertretbar. Das Erstgericht hat hiezu insbesondere auf das hohe Alter und den Gesundheitszustand des Witwers verwiesen.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

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