Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 875,34 EUR (darin 145,89 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Gegenstand der Entscheidungen der Vorinstanzen ist ein Schadenersatzanspruch der Klägerin, den sie aus einem Schiunfall (Zusammenstoß) mit dem Beklagten ableiten will.
Dieser ereignete sich auf einer rot markierten, also mittelsteil einzustufenden, im Unfallbereich 50-70 m breiten, zur Unfallzeit präparierten und griffigen Piste. Vor der Kollisionsstelle fuhr die Klägerin ihrem Können entsprechend mit kurzen Parallelschwüngen und einer durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit von 30-40 km/h neben dem linken Pistenrand. Der Beklagte fuhr - seinem geringen Fahrkönnen entsprechend - in langgezogenen Pflugbögen mit rund 15 km/h talwärts. Die Klägerin war die wesentlich schnellere und sich aus einer weiter bergwärts gelegenen Position nähernde Schiläuferin. Als sie in den Pistenabschnitt mit der Unfallstelle einfuhr, war der Beklagte bereits in einer größeren Entfernung weiter talwärts und auch in ihrem Sichtbereich. Trotzdem sah sie ihn bis zum Kollisionszeitpunkt nicht, was auf einen Aufmerksamkeitsfehler zurückzuführen ist.
Kurz vor dem Zusammenstoß hatte der Beklagte bereits zu einem Rechtsschwung angesetzt und in die Hangfalllinie gedreht. Aufgrund einer Bodenunebenheit drehte er jedoch seine Schier wieder in seine ursprüngliche Fahrlinie nach links. In diesem Moment sah er erstmals die Beklagte ein bis zwei Meter oberhalb von ihm.
Die beiden stießen in einem Winkel von etwa 45-90° zueinander zusammen, und zwar die Klägerin mit ihrer rechten Körperseite gegen die linke des Beklagten. Es kam jedoch zu keiner frontalen Kollision, vielmehr fuhr der Beklagte noch unmittelbar vor ihrer Bindung über die Schier der Klägerin. Beide stürzten in ihrer Fahrtrichtung. Durch das Ausweichmanöver veränderte sich die Geschwindigkeit des Beklagten geringfügig.
Die Klägerin warf dem Beklagten vor, er sei ihr, von rechts oder rechts oben kommend, offensichtlich unkontrolliert, mit höherer Geschwindigkeit über die Schier gefahren. Er habe überraschend, unkontrolliert und erheblich beschleunigend ein Ausweichmanöver durchgeführt.
Der Beklagte wendete ein, die Klägerin sei die bessere und schnellere Fahrerin gewesen. Er sei in relativ großen Schwüngen gefahren. Die Klägerin, für die er schon lange Zeit erkennbar gewesen sei, habe einen zu geringen Seitenabstand eingehalten. Für ihn als relativ schlechten Fahrer sei es unzumutbar gewesen, den „rückwärtigen Verkehr" zu beobachten.
Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab, die zweite Instanz bestätigte dieses Urteil. Nachdem es zunächst die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hatte, ließ es diese gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist jedoch entgegen diesem Ausspruch nicht zulässig; dieser bindet den Obersten Gerichtshof ebenso wenig wie ein Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO (§ 508a Abs 1 ZPO; 2 Ob 217/98w u.a.; RIS-Justiz RS0110704).
Eine Aktenwidrigkeit haftet dem Urteil zweiter Instanz nicht an. Eine solche ist nach stRsp nur gegeben, wenn ein Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und den die Entscheidung tragenden wesentlichen Tatsachen (nach den Gründen des angefochtenen Urteils) vorliegt und dies aus den Prozessakten selbst erkennbar ist (Zechner in Fasching/Konecny² § 503 ZPO Rz 159 mwN). Schlussfolgerungen auf aktenmäßiger Grundlage stellen den Revisionsgrund nicht her (Zechner aaO Rz 163 mwN); somit kann im angeblichen Widerspruch einer (von der Klägerin selbst in ihrer Berufung geforderten) Folgerung des Berufungsgerichts (Klägerin als erste am Schnittpunkt der Schier) mit von ihm übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen (Klägerin schneller, von oben kommend) nicht aktenwidrig sein (vgl Zechner aaO Rz 166), ebenso wenig die angeblich unrichtige Wiedergabe von Vorbringen in der Berufungsschrift. Deshalb kann die behauptete Aktenwidrigkeit auch nicht die Zulässigkeit der Revision begründen.
Auch im Zusammenhang mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache zeigt die Klägerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht auf. Zum Notsturz (§ 7 POE) fehlt jegliches Argument, inwieweit die Ausführungen der zweiten Instanz dazu unrichtig sein sollten. Auch im Zusammenhang mit dem Vertrauensgrundsatz ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu beantworten. Nach den Feststellungen sah die Klägerin den Beklagten bis zur Kollision überhaupt nicht; daher konnte sie schon deshalb in keiner Weise auf ein bestimmtes Verhalten des Beklagten vertrauen.
Somit ist nur noch zu prüfen, ob die auch in der Zulassungsbeschwerde relevierte angebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens die Zulässigkeit der ordentlichen Revision zu rechtfertigen vermag. Auch das ist - auch entgegen der Ansicht der zweiten Instanz - nicht der Fall.
Soweit diese vermeint, die bloße Darstellung eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers (und einer ebensolchen Aktenwidrigkeit, zu der oben schon Stellung genommen wurde) begründe die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO, ist ihr zu erwidern, dass bei einer solchen Betrachtungsweise der Grundsatz der Zulassungsrevision ad absurdum geführt würde, müsste doch die unterlegene Partei nur das Vorliegen solcher Revisionsgründe behaupten, um die Hürde des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zu nehmen. Die Belegstellen decken diese Rechtsansicht des Berufungsgericht keineswegs; nur tatsächlich zu bejahende Fehler könnten die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof begründen. Einen wesentlichen Verfahrensmangel des Urteils zweiter Instanz kann die Revisionswerberin jedoch nicht aufzeigen.
Es kann nämlich offen bleiben, ob - was § 84 Abs 2 zweiter Satz ZPO nahelegt - die Verweisung auf Ausführungen unter einem anderen Rechtsmittelgrund zulässig und beachtlich ist. Der in der Ablehnung der Behandlung eines solchen Rechtsmittelgrunds allenfalls liegende Verfahrensmangel wäre hier schon deshalb nicht wesentlich, weil sich das Berufungsgericht mit der Notwendigkeit der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen ohnehin sachlich - wenn auch mit negativem Ergebnis - auseinandersetzte (Berufungsurteil S 12/13). Es verneinte damit aber zugleich das Vorliegen des nach Ansicht der Klägerin in der Abweisung deren Beweisantrags auf Beiziehung eines weiteren schitechnischen Sachverständigen liegenden Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens.
Nicht revisible Verfahrensmängel wie schon vom Gericht zweiter Instanz verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können auch nicht mit Grundsatzrevision geltend gemacht werden (5 Ob 314/86; RIS-Justiz RS0106371). Dass es zum irrevisiblen Bereich der Beweiswürdigung gehört, ob ein Kontrollbeweis erforderlich ist, ob also allenfalls ein weiterer Sachverständiger zu hören ist, entspricht stRsp (3 Ob 130/97g [insoweit nicht veröffentlicht] mwN; Zechner aaO Rz 149 mwN).
Die vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit des Ersturteils wird offenkundig (zu Recht: § 519 Abs 1 Z 1 ZPO) nicht weiter geltend gemacht.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte machte die Unzulässigkeit der Revision geltend.
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