Spruch:
Wird der Titel, auf Grund dessen die Exekution zur Sicherstellung bewilligt wurde, durch Abschluß eines Prozeßvergleiches unwirksam, dann ist sie aufzuheben
OGH 28. Jänner 1981, 3 Ob 151/80 (LG Innsbruck 1 R 479/80; BG Zell am Ziller E 1741/78)
Text
Zugunsten der betreibenden Partei wurde auf Grund des Wechselzahlungsauftrages des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Mai 1978, 10 Cg 256/78, gegen den der Verpflichtete Einwendungen erhoben hatte, die Exekution zur Sicherstellung durch Vormerkung eines Pfandrechtes auf der Liegenschaft EZ 13 I KG D bewilligt und am 7. Juni 1978 vom Bezirksgericht Zell am Ziller vollzogen.
Im Titelprozeß schlossen die Streitteile am 3. Jänner 1979 einen Vergleich, nach welchem der Verpflichtete der betreibenden Partei einige Grundstücke verkauft und sich für den Fall der Nichtgenehmigung durch die Grundverkehrsbehörde verpflichtet, einen gleichartigen Kaufvertrag mit einer prozeßfremden Partei abzuschließen. Gemäß Punkt 3 des Vergleiches sollen für den Fall der Rechtswirksamkeit des Vergleiches alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten sein. Gemäß Punkt 4 Abs. 1 des Vergleiches sollte der Vergleich wirksam werden, wenn er nicht vom Verpflichteten binnen drei Wochen widerrufen wird. Gemäß Punkt 4 Abs. 2 des Vergleiches sollte der Vergleich für den Fall, als er nicht widerrufen wird, seine Rechtswirksamkeit verlieren, wenn die grundverkehrsbehördliche Genehmigung beider in den Punkten 1 und 2 erwähnten Kaufverträge nicht erteilt wird. Ein Widerruf des Vergleiches erfolgte nicht.
Das Erstgericht gab dem hierauf von der verpflichteten Partei gestellten Aufhebungsantrag mit der Begründung Folge, der Vergleich habe die ursprüngliche Wechselschuld in eine Forderung aus einem Kaufvertrag gewandelt, und der Umstand, daß der Vergleich vielleicht in der Zukunft einmal seine Rechtswirksamkeit verlieren könne, stehe der Aufhebung der Exekution zur Sicherstellung nicht entgegen.
Das Rekursgericht wies den Aufhebungsantrag mit der Begründung ab, aus der von der betreibenden Partei in ihrer Äußerung zum Aufhebungsantrag vorgelegten Vergleichsausfertigung ergebe sich, daß die Grundverkehrsbehörde den Vergleich vom 3. Jänner 1979 in seiner Gesamtheit nicht genehmigt habe, weshalb er nicht mehr rechtswirksam sei, wenn man Punkt 4 Abs. 2 des Vergleiches als auflösende Bedingung auffasse. Richtigerweise stelle aber die Voraussetzung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eine aufschiebende Bedingung dar, woran die anders klingende Formulierung des Vergleiches nichts ändern könne, so daß die Bereinigungswirkung des Vergleiches auch dann noch nicht eingetreten sei, wenn sich der auf der Vergleichsausfertigung angebrachte Vermerk der Grundverkehrsbehörde nicht auf beide im Vergleich behandelten Kaufverträge beziehen sollte. Solange der Vergleich dieserart in Schwebe sei, lägen nicht die Voraussetzungen nach § 376 Abs. 1 Z 2 oder 3 EO vor.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten Folge und änderte den Beschluß des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach der Lehre von der Doppelnatur oder vom Doppeltatbestand des gerichtlichen Vergleiches ist streng zwischen seiner materiellen und seiner prozessualen Wirksamkeit zu unterscheiden. Ein Prozeßvergleich kann prozessual unwirksam, als materielles Rechtsgeschäft aber wirksam sein und umgekehrt. Eine bloß der materiellen Seite beigefügte Suspensivbedingung kann nicht verhindern, daß der Prozeßvergleich den anhängigen Rechtsstreit sofort beendet. Nur die Vollstreckbarkeit des Vergleiches wird in einem solchen Fall bis zum Eintritt der Bedingung aufgeschoben. Und eine nur hinsichtlich des materiellen Rechtsgeschäftes beigefügte Resolutivbedingung würde im Falle des Eintrittes der Bedingung nur die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes, nicht aber die prozessualen Wirkungen des Vergleiches beseitigen (Holzhammer in FS Schima 1969, 217, besonders 224; Sprung in seinen Entscheidungsbesprechungen ZAS 1971, 96 und JBl. 1977, 428; König in JBl. 1971, 467; Dolinar in ÖJZ 1970, 85 und 118, besonders deutlich 119).
Obwohl Prozeßhandlungen in der Regel bedingungsfeindlich sind, hat die Rechtsprechung mit weitgehender Billigung im Schrifttum auch hinsichtlich der prozessualen Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleiches, also insoweit der gerichtliche Vergleich in seiner Streiterledigungserklärung eine Prozeßhandlung ist, die Beisetzung einer aufschiebenden Bedingung zugelassen (Hauptfälle: Einlangen einer Zustimmungserklärung, Nichteinlangen eines Vergleichswiderrufes, Erteilung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Vergleiches). Hingegen kann wegen seines Wesens als Prozeßhandlung ein gerichtlicher Vergleich hinsichtlich seiner prozessualen Wirkungen nicht auflösend bedingt abgeschlossen werden (Entscheidung Nr. 8 zu § 204 ZPO in MGA[13]; Fasching II, 970; König a. a.O., 470; Dolinar a.a.O., 120).
Der Wortlaut des Vergleiches unterscheidet in den verschiedenen Bestimmungen über seine Wirksamkeit nicht zwischen der prozessualen und der materiellen Seite. Immerhin ist klar, daß sich die Klausel gemäß Punkt 4 Abs. 1 des Vergleiches eindeutig auf die Prozeßhandlung bezieht. Da binnen der vereinbarten Widerrufsfrist ein Widerruf des Verpflichteten nicht einlangte, ist die Streiterledigungswirkung des Vergleiches damit nach diesem Punkt des Vergleiches nicht mehr aufgeschoben.
Die Punkte 3 und 4 Abs. 2 des Vergleiches beziehen sich hingegen ausschließlich auf die materielle Seite des Vergleiches. Gemäß Punkt 3 sollte die materiellrechtliche Bereinigungswirkung erst "für den Fall der Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches", worunter nur das prozessuale Wirksamwerden des Vergleiches verstanden werden kann, eintreten. Und gemäß Punkt 4 Abs. 2 sollten die schon eingetretenen materiellrechtlichen Wirkungen des Vergleiches wieder in Wegfall kommen, wenn den in den Punkten 1 und 2 des Vergleiches vereinbarten Kaufverträgen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht erteilt werden sollte. Da diese Bestimmung ausdrücklich in die Form einer Resolutivbedingung gekleidet wurde, konnte sie sich nach dem oben Gesagten schon deshalb nicht auf die rein prozessuale Seite des Vergleiches beziehen. Da die Grundverkehrsbehörde im übrigen keinesfalls den Vergleich als solchen einem Genehmigungsverfahren unterziehen konnte, unterscheidet sich der Fall aber auch grundlegend von den Fällen, in denen die prozessuale Gültigkeit des Vergleiches davon abhängig gemacht wird, daß der Vergleich in seiner Gesamtheit von einem Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht genehmigt wird. Die fehlende grundverkehrsbehördliche Genehmigung führte daher nicht dazu, daß der Prozeßvergleich in seinen prozessualen Wirkungen weiter aufgeschoben war. Das Prozeßgericht versah darum auch folgerichtig die Vergleichsausfertigung mit der Bestätigung der "Rechtskraft". Es ist daher nicht näher auf die Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz über das Wesen eines genehmigungspflichtigen, aber von der Grundverkehrsbehörde noch nicht genehmigten Kaufvertrages einzugehen.
Durch den gerichtlichen Vergleich vom 3. Jänner 1979 wurde daher nach Eintritt seiner prozessualen Wirksamkeit durch fruchtlosen Ablauf der Widerrufsfrist der Wechselzahlungsauftrag vom 2. Mai 1978 als Titel für eine Sicherungsexekution beseitigt. Dies ist aber dem Aufhebungsgrund des § 376 Z. 3 EO einzuordnen, auch wenn der Fall des endgültigen Unwirksamwerdens des der Sicherungsexekution zugrunde liegenden Exekutionstitel durch Abschluß eines Vergleiches im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt ist (vgl. Heller - Berger - Stix, 2679). Da nämlich gemäß § 371 Z. 2 EO die Vornahme von Exekutionshandlungen zur Sicherung von Geldforderungen ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 370 EO u. a. nur auf Grund eines Wechselzahlungsauftrages, wider den Einwendungen erhoben wurden, bewilligt werden kann, folgt schon daraus, daß nach Beseitigung des Wechselzahlungsauftrages durch Abschluß eines streiterledigenden Prozeßvergleiches die Voraussetzungen für eine weitere Aufrechterhaltung der Sicherungsexekution nicht mehr gegeben sind.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)